Unterlinden-Museum in Colmar strahlt in neuem Glanz Kultur | 13.02.2016

Das Unterlinden-Museum in Colmar ist nicht wiederzuerkennen. Das nahe dem Zentrum der pittoresken elsässischen Stadt gelegene einstige Dominikanerinnenkloster präsentiert sich und seine Kunstwerke nach einer drei Jahre währenden Umgestaltung und Erweiterung nun in ganz neuem Licht, in einer völlig anderen Perspektive: Aus dem düster wirkenden Gemäuer neben dem Omnibusbahnhof und einer stark befahrenen Ringstraße am Rande der Altstadt haben die Architekten Richard Duplats (Kloster) sowie Herzog & de Meuron (Neubau & städtebauliches Konzept) ein Gesamtkunstwerk geformt. Für 44 Millionen Euro. Zur Eröffnung flog Staatspräsident François Hollande ein. War das Museum bisher schon mit 180.000 Besuchern eins der bestbesuchten in Frankreich, rechnet der Colmarer Bürgermeister Gilbert Meyer künftig mit 350.000.
 

 
Im Herzen von Colmar ist ein urbaner Komplex aus Gebäuden und Freiräumen entstanden, der historische mit modernen Elementen verbindet und sich gleichsam einen zentralen Platz im städtischen Leben zurückerobert hat. Denn auf dem Place Unterlinden können sich jetzt Menschen aufhalten, ohne von Lärm und Abgasen belästigt zu werden. Die angrenzende Straße wurde vom Verkehr befreit, der Busbahnhof verlegt. Die parkenden Touristenbusse sind verschwunden, verstellen den Blick auf das einstige Kloster nicht mehr.
 
Gut zur Geltung kommt jetzt auch die schöne Gründerzeit-Fassade des gegenüberliegenden früheren Stadtbads, das nun in den neuen Museumskomplex, der auf 8000 Quadratmeter vergrößert wurde, integriert ist: Der hohe, lichte Saal mit dem mit feinem Parkett abgedeckten Schwimmbecken wird künftig für besondere Veranstaltungen genutzt.
 
Das Gelände zwischen den beiden historischen Bauwerken – dem Kloster aus dem 13. und dem Stadtbad aus dem 19. Jahrhundert – wurde als weiter, offener Raum gestaltet und den Fußgängern zurückgegeben. Und dem Wasser: Der schon lange hier verlaufende Canal de la Sinn wurde freigelegt und darf nach Jahrzehnten unter dem Asphalt endlich wieder an der Erdoberfläche fließen. Er gibt dem schlichten Platz eine besondere Note, zumal an einem seiner Ufer ein kleines Haus steht, das stilistisch der Wassermühle des ehemaligen Klosterbauernhofs nachempfunden ist, die einst an dieser Stelle stand.
 

 
Dieser Neubau mit Walmdach dient als Lichtschacht für die Galerie, die den alten mit dem neuen Teil des Museums verbindet. Sie verläuft unterirdisch, damit die neu gewonnene städtebauliche Dimension des Platzes nicht gleich wieder eingeschränkt wird. Wenn man sie durchquert, um zum Neubau zu gelangen, merkt man davon freilich nichts: In den Räumen herrscht viel Helligkeit, die die hier ausgestellten, zunehmend modernen Bilder ins rechte Licht rückt.
 
Am Ende der Galerie führt eine großzügige Wendel-treppe in den eigentlichen Neubau, den „Ackerhof“. Er bildet das Herzstück der Erweiterung und wurde eigens zu dem Zweck errichtet, die im Besitz des Museums befindlichen umfangreichen Sammlungen vom Mittelalter bis zur Moderne endlich adäquat zu präsentieren.
 
Der Ackerhof ist ein langgezogener Bau, der an die Rückseite des Stadtbads angefügt ist. Zusammen mit dessen L-Form bildet er ein zum Place Unterlinden hin offenes, mit Apfelbäumen bepflanztes Carré – und spiegelt damit die Anordnung des Klosters, das sich, nach innen geschlossen, um einen Garten gruppiert, zu dem der jetzt bestens restaurierte Kreuzgang führt.
 

 
Weitere architektonische Elemente des Klosters finden sich in den Spitzbogenfenstern an den Wänden und im Ausstellungsraum im Obergeschoss: Mit seinem steilen Giebel nimmt er die Bauform der ehemaligen Klosterkirche auf, in der jetzt übrigens auch Matthias Grünewalds Isenheimer Altar besser zur Geltung kommt als je zuvor. Dieses großartige Beispiel visionären mittelalterlichen Kunstschaffens ist Colmars berühmtestes Kunstwerk; jedes Jahr kommen Tausende Besucher allein wegen dieses Triptychons in die Stadt; jetzt hat es den Platz, der seiner besonderen kunsthistorischen Bedeutung zukommt.
 
Das gilt auch für ein modernes Kunstwerk, von dem viele nicht einmal wissen, dass es überhaupt hier zu finden ist: Ein Bildteppich, der – fast in Originalgröße – eines
der bekanntesten Bilder von Pablo Picasso reproduziert: Guernica. Ein modernes Triptychon, das der Künstler im Juni 1937 malte, unter dem Eindruck der kurz zuvor erfolgten Bombardierung der baskischen Stadt Guernika durch die deutsche Legion Condor. Jaqueline de la Baume-Dürrbach hat diese Tapisserie 1976 im Auftrag und unter Anleitung Picassos angefertigt – und der soll von dem Ergebnis begeistert gewesen sein. Das Colmarer Exemplar ist eines von nur drei existierenden. Das zweite hängt in einem Museum in Japan, das dritte im Vorraum des Sitzungssaals des UN-Weltsicherheitsrats in New York.
 
Musée Unterlinden
 
Place Unterlinden
F-68000 Colmar
Öffnungszeiten
Mo., Mi., Fr., Sa., So. je 10 bis 18 h, Do. 10 bis 20 h
Preise: 13/8 Euro
Tickets: Tel. 0033 (0)3 89 20 15 58
www.musee-unterlinden.com
 
Text: Erika Weisser / Fotos: © Musée Unterlinden, ewei