Nachgewürzt: chilli-Kolumnist Florian Schroeder über das Ende des Autos 4Literatur & Kolumnen | 12.09.2017

Als ich Kind war, ist mein Zahnarzt jeden Sommer nach Sylt gefahren. Allerdings nicht allein: Nur mit dem NEUEN Mercedes konnte man sich sehen lassen bei den anderen Zahnärzten in Kampen. Das war die Zeit, als eine berühmte Bausparkasse noch geworben hat mit dem Slogan „Mein Haus, mein Auto, mein Boot!“

Das ist heute in unseren prekären Zeiten vorbei. Aus dem Statussymbol Haus am See ist eine kleine Erdgeschoss-Wohnung im überteuerten Viertel geworden – es sei denn, Sie sind Zahnarzt, dann reicht´s für den ersten Stock. Aus dem Boot ist ne kleine Kreuzfahrt rund um Gibraltar geworden und aus dem Auto ist ein kleiner „Car 2 Go“-Quickie geworden – eine Art Swingerclub des Co2-Sparers.

Florian Schroeder, Kabarettist, studierte in Freiburg, lebt in Berlin und vergibt die chilli-Schote am goldenen Band.

Das Ende des Autos naht, die Autokonzerne haben es selbst eingeläutet. 60 Arbeitskreise für Preisabsprachen haben Mercedes, BMW, Audi, VW und Porsche gegründet, tausend Mal haben sie sich getroffen. Arbeitskreise – das gab es zuletzt bei den 68ern.

Daniel Cohn Bendit und Joschka Fischer, das waren Ernie und Bert der 68er, gründeten den Arbeitskreis Realpolitik. Joschka war damals bei Opel in Rüsselsheim am Band, heute malocht er als Berater von BMW. Die 68er sind endlich in der Automobilindustrie angekommen. Das nenne ich einen ganz langen Marsch durch die Institutionen.

Mein Vorschlag: Einfach alle deutschen Autohersteller zusammenlegen und verstaatlichen – zur VEB Auto. Produziert wird wegen mangelnder Nachfrage nur noch ein Modell, der Trabi reloaded.

Es heißt ja häufig, der Diesel sei das Nokia-Handy unter den Autos kurz vor der Einführung des iPhone. Das ist Quatsch! Das klassische Auto ist die Schallplatte unter den Fortbewegungsmitteln und das Elektroauto ist die CD – eine Art Übergangstechnik auf dem Weg zur eigenen Abschaffung.

Denn die wahre Zukunft liegt in der Deutschen Bahn. Die 180 Millionen Subventionen, die allein zwischen 2010 und 2012 an die fünf großen Autohersteller gingen, müssen ab sofort an die DB gehen. Damit die nie wieder behaupten kann, dass eine „Störung im Betriebsablauf“ in eine zweistündige Verspätung mündet. Damit sie nie wieder auf Billigfachkräfte wie Hartmut Mehdorn und Rüdiger Grube zurückgreifen muss. Damit man Mails mit einem einseitigen Word-Dokument bald in weniger als einer Stunde versenden kann. So wird die Bahn-Card-Comfort zum ultimativen Statussymbol. Ein neuer Retro-Angeber-Werbe-Spot für die Bahn könnte so gehen: „Mein nicht ausgefallener ICE, mein nicht ganz überfülltes Bordbistro, mein nicht besonders muffeliger Schaffner.“

Text: Florian Schroeder / Foto: © privat