Internet als Droge: Wenn Medien krank machen f79 – das Jugendmagazin | 09.04.2019 | Georg Botscharow & Aaron Schrank

Wenn man sich in der Straßenbahn umschaut, sind Smartphones überall. 78 Prozent der Deutschen besitzen laut einer Bitkom-Studie ein solches Gerät. Kann das gefährlich werden für Jugendliche? Ja sagen zwei Freiburger Experten. Sie schildern drastische Folgen.

„Bei Internetspielstörung lässt die Forschungslage noch keine abschließenden Beurteilungen zu“, sagt Eberhard Schulz, Professor für Neurologie und Psychologie am Uniklinikum Freiburg. Die  Störung wird in zwei Gruppen unterteilt: Beim „Pathologischen Gebrauch“ von Medien sind alle Sucht-Kriterien erfüllt. Etwa fünf Prozent der deutschen Jugendlichen seien betroffen, sagt Schulz. Beim „problematischen Gebrauch“ hingegen finde man nur einen Teil der Symptome. Rund 15 Prozent der Jugendlichen litten darunter.

Wer nicht ans Handy kommt, hat Entzugserscheinungen. Der Patient nehme dann große Risiken und Konsequenzen auf sich, um zu konsumieren, sagt Schulz. Der Patient könne im Extremfall den Gebrauch nicht mehr kontrollieren. Außerdem gebe es viele Betroffene mit weiteren Beeinträchtigungen: Depressionen oder Selbstverletzungen zum Beispiel. Schulz berichtet, dass viele Mediensüchtige vorab Mobbing erlebt haben.

Medienpädagogin Carmen Kunz vom Jugendhilfswerk Freiburg sagt: „Bei Jugendlichen beginnt oft mit etwa 13 Jahren ein übermäßiger Mediengebrauch.“ Durchschnittlich habe etwa in der 6. Klasse jedes Kind ein Smartphone. Die Mediennutzung sinke jedoch gewöhnlich, sobald man einen Schulabschluss habe und dadurch einen neuen Lebensabschnitt geht. Sollte der übermäßige Konsum danach noch immer bestehen, könne das eine Abhängigkeit bedeuten. Kunz empfiehlt, ab dem Windelalter darauf zu achten, Kindern nicht übermäßigem Medienkonsum auszusetzen.

Beide Experten fordern, dass mehr im Bildungsbereich getan wird. Bei der Schulprävention und auch in Kitas zum Beispiel. „Eltern sollen auch mal als Vorbild vorangehen“, sagt Carmen Kunz. Sie selbst habe einen Medienschrank zuhause, um die Geräte aus dem Sichtfeld zu rücken. Im Jugendwerk versuchen man gemeinsam mit der Familie etwas zu verändern.

Auch Eberhard Schulz wünscht sich, dass die Familie miteinbezogen wird. Häufig führe die Sucht zu Familienproblemen. Folgen können auch soziale Isolation sein, sinkendes Selbstwertgefühl, schulischer Leistungsknick oder ein verschobener Tag-Nacht-Rhythmus. Das führe zu Kraftlosigkeit, Schlafmangel und psychosomatischen Beschwerden. Je mehr man vom normalen Tagesablauf abweiche, desto schwieriger sei es, dorthin wieder zurückzukommen.

Kann intensiver Medienkonsum dem Gehirn schaden? „Längerfristige Nutzung könne zu neuronalen Veränderungen führen“, bestätigt Schulz. Es gäbe jedoch bei Kindern und Jugendlichen keine Langzeitstudien dazu. Auch Kunz ist sicher: Mediennutzung ohne körperlichen Ausgleich kann der Gesundheit schaden.

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