Kampf gegen Corona: „Die wichtigste Aufgabe ist es, die Balance zu halten“ f79 – das Jugendmagazin | 29.04.2021 | Jesper Lügger & Nicolas M. Höger

Der Lockdown hat vieles auf den Kopf gestellt – auch in Krankenhäusern. Wie schlimm ist die Lage dort? Kommen Pflegekräfte an ihre Grenzen? Die f79-Autoren Jesper Lügger und Nicolas Markus Höger haben das Mitte März Michael Hauser gefragt. Der stellvertretende Stationsleiter im Diakoniekrankenhaus Freiburg erzählt von vorausschauendem Arbeiten, schwierigen Planungen und umstrittenen Imfpstoffen.

Kennt die Lage: Michael Hauser

f79: Herr Hauser, wie ist die Lage auf ihrer Station?

Hauser: Die letzten ein bis zwei Wochen waren sehr ruhig. Es kommen überwiegend Alte und Kranke. Oft haben wir positiv Getestete mit den neuen Corona-Variationen. Häufig kommen aber auch nur Verdachtsfälle, glücklicherweise mehr als tatsächliche Patienten.

f79: Gibt es derzeit eine große Herausforderung? Oder befürchten Sie eine Herausforderung in naher Zukunft?

Hauser: Die wichtigste Aufgabe ist es, die Balance zu halten. Wir müssen vorausschauend überlegen, wie viele Betten wir in Zukunft brauchen könnten. Es kann sein, dass an einem Tag mal kein Corona-Patient kommt, manchmal kommen aber auch drei auf einmal. Die größte Herausforderung ist also die Planung, da es schwer ist den Pandemieverlauf vorherzusagen.

f79: Waren die Kapazitäten auf den Stationen denn schon mal überlastet?

Hauser: Als es letztes Jahr losgegangen ist, hat man angefangen, auch bei uns auf der Station einzelne Zimmer für Corona- Patienten frei zu machen. Als dann mehr Patienten kamen, hat man ganze Teilbereiche von Stationen freigemacht. Wir hatten auch einige Verdachtsfälle auf der Nachbarstation. Bei einem Verdachtsfall brauche ich immer die Möglichkeit, ihn bei einem positiven Ergebnis auf eine Station zu bringen. In der ersten Welle hatten wir zehn positive Patienten zu betreuen. Im Sommer wurden es dann wieder weniger. Man hat auch überlegt, ob man normale Patienten auf die Covid-Stationen legt, da wir zeitweise keine Covid-Patienten hatten. Im Herbst, der zweiten Welle, hatten wir einige positive Patienten, die auf die Intensiv mussten.

f79: Wie ging es dann weiter?

Hauser: Es war immer die Frage, ob man jetzt wieder etwas zurücklegt oder sich auf mehr Patienten vorbereitet. Es ist ein Unterschied, ob man einen Corona-Patienten bekommt oder mehrere auf einmal. Da hat man dann auch überlegt, Patienten in andere Bereiche zu legen. Wir hatten im April letzten Jahres vorsichtshalber noch eine zweite Station bereitgestellt, aber wir haben sie am Ende gar nicht gebraucht.

f79: Haben Sie Verordnungen der Regierung bekommen? Und waren diese umsetzbar?

Hauser: Was schwierig war in der ersten Welle, waren die internen Hygiene-Maßnahmen. Vieles, was am Morgen um 8 Uhr noch gegolten hat, war um 10 Uhr und wieder um 14 Uhr überholt. Vor allem die Masse an Patienten hat es schwierig gemacht, alle Vorschriften einzuhalten. Problematisch war am Anfang die Ressourceneinteilung durch den Mangel an Masken und Schutzkitteln. Die FFP-2 Maske ist vom Hersteller als Einmalartikel vorgesehen. Das heißt, wenn ich in ein Zimmer gehe, bei beispielsweise einem Tuberkulose-Patienten, brauche ich immer eine neue Maske. In einer Notsituation kann man eine Maske auch zweimal tragen, aber nach acht Stunden sollte sie auf jeden Fall weg geworfen werden. Man muss natürlich auch immer darauf achten, dass man das Infektionsrisiko auch für einen selber erhöht, wenn man die Maske mehrmals benutzt. Schutzkittel waren als Einwegartikel international knapp. Da mussten wir uns fragen, was für Möglichkeiten wir haben, um eigene Schutzkittel herzustellen. Da hat uns das Theater probehaft einige genäht. Die Dachpappe, welche verwendet wurde, war wasserundurchlässig und im allerschlimmsten Notfall hätten wir auf sie zurückgreifen können, Not macht erfinderisch. Also mit den Ressourcen mussten wir sehr kämpfen. Viele Mitarbeiter hatten dementsprechend auch Sorge um ihre Gesundheit.

f79: Ist die Station mittlerweile gut versorgt mit Masken und Kitteln?

Hauser: Ja, das Problem haben wir nicht mehr. Auch schon zu Beginn der zweiten Welle, so ab Sommer war das kein Problem mehr. Das wird es wahrscheinlich auch nicht in der dritten Welle.

f79: Haben Sie Wünsche an die Regierung oder an die Bevölkerung?

Hauser: An die Bevölkerung, ja. Also wenn man einkaufen geht, halten sich die meisten schon an die Verordnungen. Aber man sieht immer wieder Leute, die entweder ohne Maske herumlaufen oder nicht verstehen, dass es ein Mund- Nase-Schutz und nicht nur ein Mundschutz ist. Auch im familiären Umfeld sollten wir die Kontakte etwas meiden. Wir müssen auch schauen, was die Medien publizieren und stark über die Impfstoffe informieren. Da wird auch einiges aufgebauscht. Das ist natürlich meine persönliche Meinung.

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