Weniger ist mehr: wie zwei Minimalisten leben f79 – das Jugendmagazin | 01.04.2019 | Leonie Breitling

Christopher Schach, Berge

In der Konsumgesellschaft wird Minimalismus immer mehr zum Trend. Bücher, Blogs oder der Kinofilm „100 Dinge“ mit Matthias Schweighöfer beschäftigen sich damit.

Verzichtet gern: Michael Klumb

Minimalisten trennen sich von vielen überflüssigen Dingen und wollen nachhaltiger und bewusster werden. Severin Spohd fände das Leben dann wenig reizvoll. Michael Klumb und Christopher Schacht hingegen leben minimalistisch und sind überzeugt: Es macht glücklich.

36 Jahre, IT-Supporter, Minimalist. Michael Klumb aus Bergisch Gladbach findet, dass Verzicht sein Leben freier macht. 2011 fing er mit diesem Lifestyle an. Damals hatte er das Gefühl, zu viel zu besitzen und stieß auf den Begriff Minimalismus. Er verzichtete auf rund 3000 Gegen-stände: zum Beispiel Bücher, DVDs und Kleidung. „Das Interessante ist, dass es wahnsinnig individuell ist. Ich habe mich auf jeden Fall freier gefühlt. Wenn man erst mal ganz viele Dinge loslässt, weggibt, verschenkt und verkauft, das macht etwas mit einem“, sagt der Minimalist.

Michael Klumb muss sich jetzt um viel weniger kümmern und macht sich wenig aus Materiellem. Da er weniger Geld ausgibt, spart er für wichtigere Dinge. Zum Beispiel einen guten Laptop oder ein Handy. „Das wirst du alles neu kaufen“, sagte seine Mutter anfangs. Doch Klumb blieb dabei und betont: Es lohnt sich, weiterzumachen und nicht aufzugeben. Seine Tipps zum Starten: „Man soll sich überlegen, ob Minimalismus etwas für einen ist und klein loslegen. Es war nicht so, dass ich angefangen habe und irgendwann war ich fertig.“

Ganz anders sieht das Severin Spohd. Der 19-jährige Freiburger Schüler führt ein konsumreiches Leben. Für ihn ist Minimalismus nichts. „Man vereinfacht sich das Leben. Wenn man die Wahl zwischen zwei Dingen hat, kann man auch beides haben.“ Severin gibt gerne Geld aus, besitzt viele Dinge und ist glücklich. Er will einen gewissen Lebensstandard und ein leichtes und besseres Leben. Severin freut sich, wenn er grob gespartes Geld ausgeben kann. Doch Luxus aufzugeben ist für ihn nicht so einfach. Worauf er verzichten könnte? Severin zögert und antwortet: „Ich könnte weniger konsumieren und alles ein bisschen reduzieren, das Leben wäre dann minimalistischer – und weniger reizvoll.“

Viel unterwegs: Christopher Schacht

Doch wie ist es, wenn man seinen ­kompletten Besitz so reduziert, dass er in einen Rucksack passt und auf Weltreise geht? Das machte Christopher Schacht. Er entschied sich dazu, die Welt zu bereisen. Bis Sommer 2017 zog er vier Jahre lang durch 45 Länder, legte 100.000 Kilometer zurück. Und schrieb darüber das Buch „Mit 50 Euro um die Welt“.

Seine Weltreise war minimalistisch. „Mein Rucksack war äußerst schwer. Da ich nur zu Fuß unterwegs war, habe ich schnell gelernt, nur das Nötigste zu behalten. Alles, was man nicht mehr als drei Mal die Woche braucht, wurde aussortiert.“ Schacht hat auf seiner Reise gelernt, sparsamer und wertschätzender zu werden.

Fühlte er sich auch frei nur mit Rucksack? „Frei ist relativ. Ich fühle mich generell besser, wenn ich keinen Ballast mit mir rumschleppe, den ich nicht oft brauche.“ Bei der Reise lag das zu großen Teilen am Gewicht, das er nicht zusätzlich tragen wollte. „Als ich mit dem Rucksack unterwegs war, habe ich mich – begrenzt auf so wenig Gegenstände – sehr frei gefühlt!“, sagt der Weltenbummler. Es sei ein tolles Gefühl, so unabhängig zu sein.

„Im Materialismus und der Konsumgesellschaft kaufen wir tendenziell gerade in Deutschland viel mehr als wir eigentlich brauchen und haben auch viel mehr“, sagt Schacht. Trotzdem bringe Besitz natürlich auch eine Art Freiheit. „Freiheit ist, das tun zu können, was du gerne tun möchtest. Denn glücklich ist der, der weiß, dass er genug hat.“ So lange auf Reise zu sein, fokussierte ihn auf die Dinge, die man wirklich braucht.

Fotos: © pixabay.com, privat, Micha Bührle