Die richtigen Worte finden Ausbildung & Arbeit | 20.12.2022 | Amelie Breitenhuber (dpa)/BZ

Simone Schmidt beim schreiben

Nach ihrer ersten Rede dachte sie: nie wieder. Simone Schmidt arbeitet freiberuflich als Traurednerin und begleitet Paare an ihrem Hochzeitstag. Inzwischen hält sie das Redenschreiben für den besten Job der Welt. Warum, erzählt sie im Job-Protokoll.

„Planen, Organisieren, Fäden zusammenführen und Bälle in der Luft halten – das sind meine Leidenschaften. Neben meinem Vollzeitjob habe ich deshalb schon immer auch in der Gastronomie, später als Assistentin einer Hochzeitsfotografin gearbeitet.

Irgendwann habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, meine Leidenschaften parallel zu meinem Hauptjob noch stärker auszuleben – und eine acht­tägige IHK-Weiterbildung zur Hochzeitsplanerin gemacht. 2017 kam ein Pärchen auf mich zu, das sich eine freie Trauung im Spreewald wünschte. Es hat mich gefragt, ob ich das machen möchte. Ich habe mir gedacht: Gucken wir mal, wie schlimm es wird. Und ja, es war schlimm. Ich habe dagestanden, mich gefragt, was ich hier mache. Ich habe gezittert wie selten in meinem Leben. Hinterher war ich überzeugt, das nie wieder zu machen. Vier Wochen später stand ich wieder vor einem Brautpaar. Seitdem bin ich süchtig. Ich betreue etwa 25 bis 30 Hochzeiten im Jahr.

Viele meiner Aufgaben haben mit Werbung und Marketing zu tun: Etwa netzwerken, Messen besuchen, Social-Media-Posts oder Anzeigen planen und platzieren. Finanzen und Buchhaltung spielen eine Rolle. Daneben geht es etwa um Kommunikation – Telefonanrufe, E-Mails, Whatsapp-, Instagram- und Facebook-Nachrichten. Und natürlich treffe ich die Paare: am besten zweimal live. Ich bin meist schon zwei Tage pro Trauung damit beschäftigt, das Paar zu treffen, im besten Fall Kaffee zu trinken, sich auszutauschen und kennen­zulernen. Dann schreibt man die Rede. Man kann es nicht pauschalisieren, aber ich investiere etwa zehn Stunden pro Rede nur für das Schreiben.

Ich würde mich als Tränenjägerin bezeichnen. Man sagt mir nach, dass man bei meinen Reden sehr viel lachen kann. Mir geht es aber insgeheim darum, mindestens die erste Reihe der Gäste zum Weinen zu bekommen. Also Freudentränen und emotionale Tränen – weil man gerade einen sentimentalen Moment erwischt hat.

Zu meinen persönlichen Highlights zählt ebenso, wenn Eltern, Trauzeugen oder Omas und Opas nach der Trauung fast schon auf mich zustürmen und mich umarmen möchten.

Wenn ich Paare kennenlerne, dann nährt man sich an den besten Erinnerungen und Momenten eines Paares. Man hört die schönsten Liebeserklärungen und emotio­nalsten Geschichten. Man bekommt total viel – und wird dafür sogar bezahlt.

Vertrauen und Verantwortung sind wichtig. Man hat bei einer Trauung keine Generalprobe. In der Regel bekommt das Brautpaar die Rede nicht zu sehen. Es geht ja um Emotionen und Überraschung. Man hat also nur den einen Moment – und der muss sitzen. Da braucht es ein gutes Bauchgefühl, um herauszufinden, wer als Paar zu einem passt. Das Paar muss mir viel anvertrauen können, muss ähnlich ticken und denken wie ich. Ein wichtiger Punkt ist es deshalb, Nein sagen zu können, wenn es mit einem Paar nicht passt.

Und beim Thema Hochzeit ist längst nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Man bekommt schon mal Familien­streitereien mit, hört bei der Rede Kommentare aus der ersten Reihe. Im Gespräch mit dem Brautpaar gehört es dazu, die schlimmsten Themen ansprechen zu können. Trotzdem muss man cool bleiben.

Alles, was mit dem Thema Finanzamt und Steuerberater zu tun hat, gehört nicht zu meinen liebsten Seiten. Und Spontaneität im Familien- oder Freundeskreis ist nahezu unmöglich, wenn man für Hochzeiten bis zu drei Jahre im Voraus gebucht wird. Wie viel man als Redner verdient, ist eine Frage der Zielgruppe und des Wertempfindens sowie der Kalkulation. Im Durchschnitt nehmen Redner meiner Erfahrung nach etwa 850 bis 1600 Euro für eine Rede.“

Foto © Mascha Brichta (dpa)