BMX-Star Chris Böhm über TV-Auftritte und Weltrekorde KARRIERE & CAMPUS | 16.11.2016

Er brettert mit seinem BMX-Rad die Schweizer Bobbahn hinunter, legt in einem Jahr zwei Weltrekorde aufs Parkett und erfindet das Tanzen neu, indem er BMX und Breakdance mischt. Der dreifache deutsche BMX-Meister Chris Böhm ist eigentlich gelernter Kinderkrankenpfleger, sein Geld verdient er aber vor allem mit seinen Shows, für die er durch ganz Europa tourt. bib-Redakteurin Tanja Bruckert hat sich mit dem Lörracher darüber unterhalten, wie es ist, wenn man sein Hobby zum Beruf macht.

 

Wenn Chris Böhm nicht gerade in Lörrach trainiert, ist er für Shows und Werbeauftritte in der ganzen Welt unterwegs.

Wenn Chris Böhm nicht gerade in Lörrach trainiert, ist er für Shows und Werbeauftritte in der ganzen Welt unterwegs.


 

chilli: Als Jugendlicher haben Sie Ihre Leidenschaft fürs BMX-Fahren entdeckt, wann haben Sie gemerkt, dass man damit auch Geld machen kann?
 
Chris Böhm: Ich bin in Bitterfeld aufgewachsen, einer Kleinstadt nahe Leipzig – da gab es Funsportarten wie BMX oder Breakdance gar nicht. Als sich Kumpels von mir ein BMX-Rad gekauft haben, habe ich gemerkt: Hey, das ist was Neues, was Cooles. Also habe ich mir ein Rad aus alten Teilen zusammengebaut und jeden Tag auf dem Parkplatz eines Supermarkts trainiert. Als die BMX-Teile nach und nach kaputt gegangen sind – die Reifen abgefahren, die Pedale gebrochen – war klar: Es muss Kohle her. Also sind wir nach Leipzig und Halle gefahren und haben Straßenshows gemacht. So habe ich mit 13 mein erstes Geld auf der Straße verdient.
 
chilli: Und jetzt sind Sie reich und berühmt …
 
Böhm: Reich werden war nie mein Ideal. Aber Berühmtheit ist wichtig, wenn man mit dieser Disziplin überleben will: Es gibt keinen unbekannten BMXer, der Erfolg hat. Du musst, um Menschen zu erreichen, erstmal einen Bekanntheitsgrad haben.
 
chilli: Ihre vielen TV-Auftritte etwa beim Supertalent, Got to Dance oder Stern TV haben dabei geholfen …
 
Böhm: Klar. Aber das heißt nicht, dass ich in jeder TV-Show auftreten würde. Big Brother oder der Bachelor kämen zum Beispiel nicht in Frage. Ich weiß, wie solche Sendungen funktionieren und was man dabei alles von sich selbst präsentieren muss. Ich suche nur Formate raus, die ich später auch mit meinem Kind gucken könnte, ohne mich zu schämen. Es gibt immer einen privaten Chris Böhm und einen, der BMX-Rad fährt und Leute inspiriert und das im Fernsehen zeigt.
 
chilli: Sie haben in diesem Jahr bereits zwei Weltrekorde geknackt: Im Mai haben Sie im Europa-Park 33 Drehungen auf dem Vorderrad hingelegt, im Juli 32 Umdrehungen auf dem Hinterrad – jeweils in 30 Sekunden. Ist der nächste Weltrekord schon in Sicht?
 
Böhm: Ich habe für nächstes Jahr gleich mehrere geplant: Bei einem werde ich mich wieder auf dem Hinterrad drehen – doch diesmal ohne Hände. Bis jetzt schaffe ich 10 Sekunden, 15 müssen es mindestens werden. Die große Gefahr am Erfolg ist, dass es mit dem Höhenflug schnell wieder vorbei sein kann. Deswegen braucht man immer einen Plan, wie man sich weiterentwickeln kann.

 

Das Bild entstand in Japan, wo Böhm Ende Oktober an der Weltmeisterschaft im BMX-Flat teilgenommen hat.

Das Bild entstand in Japan, wo Böhm Ende Oktober an der Weltmeisterschaft im BMX-Flat teilgenommen hat.


 

chilli: Dazu gehört auch, dass Sie regelmäßig neue Shows anbieten. Ihre jüngste heißt „Ready 2 Rumble“ und verbindet das BMX-Fahren mit Breakdance, Tricking, Fußball und rhythmischer Sportgymnastik. Wie kommt man auf so eine Kombination?
 
Böhm: Als Entertainer will ich etwas Einzigartiges entstehen lassen. Ich habe lange Zeit alleine gearbeitet, das war irgendwann eintönig. Mit anderen Künstlern ist das ein ganz anderes Flair, denn aus der Verbindung, etwa von Breakdance und BMX, kann man etwas ganz Neues kreieren. So sind wir letztes Jahr ins Finale von „Got to Dance“ gekommen: Mit dem BMX-Rad in einer Tanzshow, das ist schon verrückt.
 
chilli: Wenn Sie gerade nicht mit Ihren Shows auf Tour sind, setzen Sie BMX-Workshops als Therapie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Lörrach ein. Was ist am BMX-Fahren therapeutisch?
 
Böhm: Man kann nicht einfach mit dem BMX-Rad ankommen und dann sagen: Das ist Therapie. Du musst die Krankheitsbilder kennen, wissen, wie man mit den Kindern pädagogisch umgeht, musst Strukturen einbringen. Ich arbeite mit Kindern, die ADHS haben, Autisten sind oder posttraumatische Belastungsstörungen haben. Durch das BMX-Fahren erleben die Kinder Erfolge, die sie von ihrer manisch-depressiven Stimmung wegbringen oder sie lernen, mit anderen Kindern in Kontakt zu treten. Außerdem macht es den Kindern Freude – und ich bleibe so weiter im Beruf drin.
 
chilli: Sie sind 33. Wie sieht Ihr Leben in 20 Jahren aus? Sind Sie dann immer noch mit dem Rad auf Tour?
 
Böhm: Der Wunsch ist da, dass ich auch in 20 Jahren noch BMX-Rad fahre. Ich weiß nur nicht, ob die Leute das dann noch sehen wollen. Wenn nicht, auch nicht schlimm. Dann fahre ich nur für mich. Ich habe aber auch die Möglichkeit, auszuweichen. Ich kenne einige Firmen, die mich ins Marketing nehmen würden. Außerdem könnte ich sofort wieder Vollzeit in der Kinderpsychiatrie arbeiten. Für mich gibt es keinen Plan B, sondern immer ein neues Projekt, eine neue Aufgabe. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass ich weiter Gas geben werde.
 
Text: Tanja Bruckert / Fotos: © Christoph Reichmann Fotografie, privat