Lernen mit WhatsApp: Einser-Schüler setzt auf Pauken mit Social Media KARRIERE & CAMPUS | 08.05.2019 | Anna Castro Kösel

Benjamin Hadrigan ist 17 Jahre alt und hatte lange schlechte Noten. Jetzt lernt er mit Social Media und schreibt Einsen. In seinem Buch #Lernsieg stellt er Methoden zum Pauken mit WhatsApp, Snapchat und Instagram vor.

chilli: Benjamin, in deinem Buch wirst du als Schulversager bezeichnet. Warum?
Hadrigan: Ich war unbeholfen, weil ich nicht wusste, wie man richtig lernt. Ich habe sehr viel gelernt und hatte trotzdem schlechte Noten. Das hat mich demotiviert. Irgendwann wusste ich nicht mehr, warum es wichtig ist, zu lernen.

chilli: Wie hast du dich verbessert?
Hadrigan: Ich hätte fast das Gymnasium nicht geschafft. Dann habe ich meiner Lehrerin aus Scherz gesagt, dass ich nur noch Einser schreibe. Ich wollte ihr beweisen, dass ich es schaffen kann, wenn ich will. 

chilli: Hat das geklappt? 
Hadrigan: Bei der nächsten Arbeit habe ich wieder nicht alle Punkte bekommen. Das hat mich extrem motiviert. Ich habe angefangen, meine Lernmethoden zu überdenken. Dabei hat mir mein Vater sehr geholfen sowie das Buch „So schafft man jede Prüfung“. Ich habe ein Karteikartensystem entwickelt und damit meine erste Eins bekommen. Ein schönes Gefühl. 

chilli: Wie passt Social Media zu ernsten Schulinhalten? 
Hadrigan: Bei Social Media handelt es sich um vereinfachte Kommunikation. Auch beim Lernen geht es darum, den Stoff auf das Wesentliche runterzubrechen, um ihn sich gut merken zu können. Das ist auch das Prinzip, nach dem ein Einser-Schüler vorgeht. Deswegen bietet es sich doch an, die Strukturen von Social Media zu nutzen. Im WhatsApp-Chat kann man auch keinen Roman schreiben. Es macht viel mehr Spaß, sich selbst seine Lerninhalte zu strukturieren, zu archivieren und sie mit anderen zu teilen. So kann man die Zeit, die man sowieso am Handy verbringt, sinnvoll nutzen, anstatt drei Stunden lang Bilder von -Kanye West und Kim Kardashian anzuschauen.

chilli: Wie sähe eine Lerneinheit auf Social Media aus?
Hadrigan: Zuerst würde man sich auf Instagram den Stoff zusammentragen. Dabei ist es wichtig zu wissen, welcher Lerntyp man ist. Bist zum Beispiel ein visueller Lerntyp, könntest du dir Bilder auf dein Konto hochladen, die dir dabei helfen, den Stoff zu verstehen. Als zweiten Schritt kann man sich mit den Lernpartnern auf Snapchat gegenseitig abfragen. Das ist praktisch, weil man immer sieht, ob der andere die Nachricht schon geöffnet hat. WhatsApp würde als administrative Komponente helfen. Darüber kann man sich mit seinen Lernpartnern austauschen, ob sie den Stoff bereits gelernt haben. Außerdem kann man auch gut über die Gruppen-Calls miteinander lernen. Die Idee ist, die Pflicht mit dem zu verbinden, was heutzutage vielen Jugendlichen Spaß macht – Social Media.

chilli: Lenkt es nicht ab, auf Snapchat oder WhatsApp zu lernen?
Hadrigan: Dabei gibt es eine klare Regel: Man muss sich einen neuen Account machen, der ausschließlich zum Lernen gedacht ist. Darauf kann und sollte man nur mit seinen Lernpartnern kommunizieren und wird nicht von Nachrichten und seinen eigenen Bildern abgelenkt. Man lernt ja auch nicht auf einem Ed-Sheeran-Konzert, sondern privat oder in einer Lerngruppe.

chilli: Wie viel Zeit verbringst du auf sozialen Kanälen?
Hadrigan: Ich bin häufig auf Social Media unterwegs, weil es einfach ein Teil meines Lebens ist. Während Klausurphasen lerne ich ein bis zwei Stunden täglich auf Social Media.

Benjamin Hadrigan

War früher ein richtig mieser Schüler: Benjamin Hadrigan

chilli: Was ist für dich das Hauptproblem im Schulsystem?
Hadrigan: Vor allem, dass die Schulform veraltet ist. Wir lernen wie vor hundert Jahren mit Kreide und Tafel, während die Technologien viel weiter sind. Das erklärt auch, warum vielen der Unterricht keinen Spaß macht.

chilli: Dann sind Handyverbote an Schulen falsch?
Hadrigan: Absoluter Blödsinn! Jeder Schüler hat nun mal jetzt ein Handy. Jetzt ist es für ein ständiges Schlechtreden einfach zu spät. Schüler müssen in einer digitalisierten Welt zurechtkommen, das wird in der Schule einfach ignoriert. Das ist absoluter Wahnsinn.

chilli: Was hältst du vom Digitalpakt?
Hadrigan: Ich befürworte, dass die Digitalisierung in der Schule ankommt. Trotzdem halte ich den Digitalpakt für eine Fehlinvestition. Jeder Schüler hat ein Handy und ist digitalisiert. Da ist es doch Geldverschwendung, in Tablets und teure Infrastruktur zu investieren. Stattdessen sollte das Geld dafür verwendet werden, Lehrer im Umgang mit neuen Technologien und Social Media zu schulen. Schüler müssen auch im Bereich -Social Media unterrichtet und über dessen Grenzen informiert werden. So wie man Jahrhunderte beigebracht bekommen hat, dass man nicht töten darf, müssen Schüler jetzt lernen, dass man keine Nacktbilder von anderen ins Netz stellt. Wie sollen Schüler sonst für einen guten und sicheren Umgang sensibilisiert werden? 

chilli: Du berätst Schüler als Lerncoach. Was soll man sich sagen bei schlechten Noten und Demotivation?
Hadrigan: Erstens ist man nicht selbst daran schuld, es sind die Bildungspolitiker. Sie stellen nicht die richtigen Weichen. Außerdem lässt sich das Problem beheben. Jeder schlechte Schüler kann ein Einser-Schüler werden. Zweitens muss man erkennen, dass Lernen nichts Schlechtes ist. Der Stoff ist nicht böse. Man muss versuchen, negative Emotionen loszuwerden. 

chilli: Die Jugend demonstriert für Klimaschutz und freies Internet. Sollte auch für Bildung demonstriert werden?
Hadrigan: Auf jeden Fall! Wir Schüler sollten vor allem von Bildungspolitikern fordern, Lernmethoden zu erstellen und das Schulsystem zu reformieren. Das ist überhaupt nicht mehr aktuell.

 

#Lernsieg
von Benjamin Hadrigan

Verlag: edition a, 2019
224 Seiten

  • Preis: 20 Euro

 

 

Fotos: © Lukas Beck