Leuchtturm in Lörrach – DHBW plant einzigartiges duales Architekturstudium KARRIERE & CAMPUS | 24.10.2021 | David Baldysiak

Junge Frau bastellt am Bauprojekt Zwischen Theorie und Praxis: In Lörrach kann man Architektur bald dual studieren

An der Dualen Hochschule in Lörrach haben Rektor Theodor Sproll und Frank Hovenbitzer, Kreisvorsitzender des Bundes Deutscher Architekten (BDA), Anfang Oktober einen neuen Studiengang vorgestellt.  Ab dem Wintersemester 2022/2023 soll Architektur erstmals in Deutschland dual studierbar sein. Die DHBW möchte dabei eigene Schwerpunkte setzen und in die Region hineinwirken.

„Die Architektur ist die erstarrte Musik“, fand schon der Philosoph Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling. Mit diesem Satz ist der Zwiespalt, in dem sich das Fach bewegt, gut erfasst: Einerseits beinhaltet es gestalterische Elemente, ist also mit der Kunst verwandt. Andererseits ist die Architektur, wie die Musik, ein präzises Handwerk, das auf wissenschaftlichen Voraussetzungen beruht und gelernt sein will. Um das zu ermöglichen, bietet die Duale Hochschule in Lörrach ab dem nächsten Wintersemester den deutschlandweit ersten dualen Studiengang Architektur an.

An der Hochschule wird dafür eine Professorenstelle geschaffen. Die Hochschule plant mit einem vollen Kurs pro Jahr, also etwa 25 bis 30 Studierenden. Sowohl bei Partnerunternehmen wie auch bei Dozent·innen sieht Hovenbitzer großes „Freiburger Potenzial“. Sproll kann sich vorstellen, dass die Architektur neben Gesundheit, Technik und Wirtschaft zum „vierten großen Pfeiler der Hochschule“ wird. Zunächst wird das Fach aber von der Technischen Fakultät angeboten. Deren standardisierter Verlaufsplan dient als Blaupause für den Aufbau des Fachs.

Der vorgesehene Studienverlaufsplan soll Kompatibilität mit anderen Hochschulen in Deutschland und ganz Europa gewährleisten. Dementsprechend übernimmt die DHBW in Lörrach elementare Inhalte aus bestehenden Studiengängen, will aber auch eigene Schwerpunkte setzen. Dabei soll die Anbindung an die Region eine große Rolle spielen und das auf mehrfache Weise: Laut Sproll sei Lörrach aufgrund der Lage im Dreiländereck prädestiniert für das Studium der Baukunst. Im Umland gebe es eine „exorbitante Architekturqualität“. Als Beispiele nennt er das Vitra-Haus in Weil, die Fondation Beyeler in Riehen und den Novartis Campus in Basel. Andererseits ist, wie in vielen anderen Branchen, auch in der Architektur ein großer Fachkräftemangel in der Region auszumachen.

DHBW-Rektor Theodor Sproll (l.) und BDA-Kreisvorsitzender Frank Hovenbitzer

DHBW-Rektor Theodor Sproll (l.) und BDA-Kreisvorsitzender Frank Hovenbitzer

Laut einer Studie der KfW-Bank klagen 42 Prozent der Architekturbüros, durch Personalmangel beeinträchtigt zu sein. Insbesondere weil die nächsten Standorte für ein Architekturstudium in Karlsruhe, Stuttgart und Konstanz liegen und die Leute dort häufig „hängenbleiben“, klaffe im Schwarzwald eine große Lücke, meint Hovenbitzer. Auch nach freien Architekten gebe es in der Region einen „unheimlichen Bedarf. Wir sterben aus“, sagt er nur halb im Scherz.

Hovenbitzer betont, dass das Augenmerk nicht nur auf den spektakulären Bauten im Umland liegen solle. Vielmehr sei es das alltägliche Bauen, das unseren Lebensraum präge: „Architektur ist gebaute Umwelt.“ In Lörrach will man deshalb eigene Akzente in der Ausbildung setzen, insbesondere Nachhaltigkeit in der Gestaltung stehe im Fokus: „Ein ansprechend gestaltetes Gebäude steht einfach länger als irgendein schlampiger Industriebau“, so der Architekt. In der Konstruktion soll die Holzbauweise, die im Südschwarzwald eine große Tradition habe, eine gewichtige Rolle spielen. Ein Akzent soll außerdem auf den Aspekten Recycling und Wiederverwendung in Kombination mit Digitalisierung liegen.

Darüber hinaus soll durch die deutschlandweit einmalige Möglichkeit, Architektur dual zu studieren, auch ein bundesweiter Leuchtturm entstehen. Das Ziel: Lörrach für junge Talente attraktiv machen.

Den Abschluss stellt der Bachelor of Science dar. Damit ist die Ausbildung zum Architekten allerdings nicht abgeschlossen. Um die weitere Qualifizierung (Master sowie Praxisjahre) zu ermöglichen, strebt die DHBW Lörrach Kooperationen mit verschiedenen Fachhochschulen an.

Der Studiengang durchläuft momentan den gewöhnlichen Akkreditierungsprozess. Danach muss die Architektenkammer zustimmen. Damit im nächsten Wintersemester die ersten angehenden Architekt·innen ihr Studium aufnehmen können, muss also alles rundlaufen. Sproll und Hovenbitzer geben sich zuversichtlich. Der Bedarf scheint jedenfalls vorhanden zu sein: Ohne Aufforderung liegen der DHBW Lörrach inzwischen zehn Absichtserklärungen von Unternehmen und Kommunen vor, die bereit sind, Studierende auszubilden.

Fotos: © iStock.com/Phynart Studio; DHBW Lörrach