»Traurig und wütend« – Nach Corona und zwei Abi-Jahrgängen: Mehr Studierende denn je suchen eine Bleibe KARRIERE & CAMPUS | 16.10.2021 | Philip Thomas

Verzweifelter junger Mann beim Packen Wenige Tage vor Vorlesungsbeginn suchen viele Studierende noch eine Wohnung.

Knapp 127.650 Wohnungen gibt es in Freiburg. Einen Mietvertrag für eine zu ergattern, ist derzeit besonders schwer – gleich zwei Abi-Jahrgänge sowie „Corona-Rückkehrer“ strömen zum Wintersemester an die Hochschulen der Stadt. Neben überdurchschnittlich stark gestiegenen Mieten macht den Studierenden auch der Mangel an Wohnraum zu schaffen. Ein Suchender berichtet von Trauer und Wut.

4900 Wohnplätze verwaltet das Freiburger Studierendenwerk, 576 weitere sind in Planung. Das sind nicht genug: „Wir verzeichnen mehr Bewerberinnen und Bewerber als zum Wintersemester 2019, also vor der Pandemie“, betont Ute Krystof, Sprecherin des Studierendenwerk Freiburg. Grund dafür sei, dass viele, die vergangenes Jahr ein digitales Semester von zu Hause begonnen haben, nun einen festen Wohnsitz in Freiburg suchen.

Die Zimmer-Nachfrage ­übersteigt das Angebot. „Wir gehen davon aus, dass trotz stetig wachsender Anzahl an Wohnplätzen – sowohl bei uns als auch bei anderen Trägern – nicht alle Studierenden, die sich um einen Wohnheim-Platz bewerben, direkt unterkommen werden“, sagt Krystof. Auch die Zimmervermittlung des Studierendenwerks, die Unterkünfte auf dem freien Wohnungsmarkt an Studierende vermittelt, verzeichnet laut Krystof seit Beginn des Monats eine starke Zunahme an Nachfragen.

Die Wohnungen werden auf dem freien Markt allerdings immer teurer. 515 Euro im Monat zahlen Studierende in Deutschland durchschnittlich für eine 30-Quadratmeter-Wohnung. Das entspricht einer Preissteigerung von fast zwei Prozent gegenüber 2020. In Freiburg ist es sogar noch mehr: Laut dem aktuellen Studentenwohnreport des Finanzberaters MLP in Zusammenarbeit mit dem Institut der Deutschen Wirtschaft betrug die Mietpreis-Steigerung in der Breisgaumetropole fast sechs Prozent.

Ulrich-Zasius-Wohnheim

Ausgebucht: Kurz nach dem Versenden der Zulassungen waren sämtliche Zimmer im Ulrich-Zasius-Wohnheim belegt.

Studierende müssen in Freiburg tief in die Tasche greifen: Laut dem Statistischen Jahresbericht 2021 zur Bevölkerungs- und Wohnentwicklung lag die durchschnittliche Angebotsmiete im Jahr 2019 bei 10,60 Euro pro Quadratmeter. Am teuersten ist die Kaltmiete im Freiburger Stadtteil Kappel (14,90 Euro), Haslach-Haid (14,60) und Oberau (13,80). Die niedrigsten Angebote gab es im Mittel in Brühl-Industriegebiet (6,90 Euro), Waltershofen (7,70) sowie Opfingen (7,90).

In den vergangenen zehn Jahren ist Freiburgs Bevölkerung um mehr als zehn Prozent gewachsen. Maßnahmen wie die vom Rathaus gestartete Wohnungstauschbörse sollen Milderung auf dem Mietmarkt bringen, verzeichnen aber bisher nur wenig Erfolgsmeldungen: Seit dem Start der Plattform am 10. Juni wurden zwar insgesamt 384 Wohnungen zum Tausch angeboten. Den Mieter wechselten nur zwei.

Um den Notstand sichtbar zu machen, werben auch dieses Jahr der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn, die Rektorin der Albert-Ludwigs-Universität Kerstin Krieglstein sowie die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer auf Plakaten dafür, leerstehenden Wohnraum an Studierende zu vermieten. Auch die Notunterkunft des Studierendenwerks wird es dieses Jahr wieder geben.

Björn sucht seit zwei Monaten ein WG-Zimmer in Freiburg. „Hier eine Wohnung zu finden, ist tendenziell ein Ding der Unmöglichkeit“, klagt der 24-jährige Student der Evangelischen Hochschule. Seine Suche hat bereits Spuren hinterlassen: „Vor zwei Wochen war ich aufgelöst, traurig und wütend. Mittlerweile bin ich gleichgültig. Ich kann es ja eh nicht ändern.“ Seine Ansprüche habe er bereits runtergeschraubt: „Neun Quadratmeter wären okay. Beim Budget bin ich hoch auf 450 Euro.“

Fotos: © iStock.com/AntonioGuillem; tln