Brechts Dreigroschensongs im Sound des SWR Symphonieorchesters Kinonews | 11.09.2018 | Erika Weisser

Am 31. August 1928 kommt es im Berliner Theater am Schiffbauerdamm zu turbulenten Szenen: Die Schauspieler, die am Abend die Dreigroschenoper zur Welturaufführung bringen sollen, zerstreiten sich während der vormittäglichen Generalprobe mit dem ziemlich sturköpfigen Stückeschreiber Bertolt Brecht.

Sie sind unzufrieden mit seinen Vorstellungen, ihren Rollen, den Texten. Hauptfigur Macheath bricht mitten in dem vom SWR-Symphonieorchester wuchtig intonierten Song „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“ ab, Kurt Weill droht gar, dass er seine Frau Lotte Lenya „bei dieser sittenwidrigen Inszenierung“ nicht die Seeräuber-Jenny spielen lasse. Das Desaster bahnt sich an.

Stunden später zeigt sich, dass der Sturkopf recht hatte: Das Stück gerät trotz der provokanten Inszenierung zu einem sensationellen Erfolg, Das Premierenpublikum ist außer Rand und Band, Brecht und das Ensemble werden frenetisch gefeiert. Die Dreigroschenoper wird bald auf den Bühnen der Welt gespielt. Und soll ins Kino. Doch Brecht weigert sich: „Die Filmindustrie ist zu doof und muss erst bankrott gehen“, findet er. Doch er lässt sich auf Verhandlungen mit dem Produzenten Seymour Nebenzahl ein.

Und während er diesem sein Konzept erläutert, laufen die Szenen dieses nie gedrehten Films ab: Da erklärt der Bettlerausstatter Peachum einem Berufsneuling, mit welchem Outfit und mit welcher Story er „Menschen dazu bringen kann, das Geld herzugeben“. Da verguckt sich im kriminellen Milieu von Soho und White­chapel der Gangster und Zuhälter Mac­heath in den Hintern von Peachums Tochter Polly – und „beschließt, diesen zu heiraten“. Da feiern Polly und Macheath in Anwesenheit des Polizeipräsidenten Hochzeit – und Peachum besticht dessen Huren, ihn an die Polizei zu verraten.

Der bestens von Lars Eidinger verkörperte Brecht geht mit dem immer skeptischer werdenden Produzenten durch die Szenarien, zeigt ihm, worauf es ihm ankommt, was er mit Zuspitzung, mit Verfremdung meint – und wandert selbst mit ihm durch einen völlig verfremdeten Film im Film. Dabei gibt er Statements ab, die allesamt von dem Dichter selbst stammen; Regisseur Joachim A. Lang, der ausgesprochene Brecht-Kenner, der über die Dreigroschenoper promovierte, hat glänzend recherchiert. Diese Authentizität gibt diesem ohnehin überbordenden Film einen zusätzlichen besonderen Reiz – wie auch die ganz aktuelle Botschaft am Ende.

Mackie Messer: Brechts Dreigroschenfilm
Deutschland 2018
Regie: Joachim A. Lang
Mit: Lars Eidinger, Tobias Moretti, Hannah Herzsprung, Joachim Król u.a.
Verleih: Wild Bunch
Laufzeit: 130 Minuten
Start: 13. September 2018
Trailer:

Foto: © Wild Bunch