„Wollte Schlussstrich ziehen”: Ex-Monrose-Sängerin Bahar Kizil über ihr Comeback Musik | 18.07.2024 | Till Neumann
Die Freiburger Sängerin Bahar Kizil feierte vor rund 15 Jahren mit der Casting-Band Monrose europaweit Erfolge. 2024 startet die 35-Jährige neu durch. Im Interview mit chilli-Redakteur Till Neumann erzählt sie vom geplanten Karriereende, von starken Themen und einer möglichen Solotour.
chilli: Bahar, du bist seit 2024 wieder am Durchstarten. Unverhofft kommt oft?
Bahar: Ich habe 2020 angefangen, in Berlin Marketingkommunikation zu studieren. Ich wollte raus aus dem Musikbusiness. Zu meiner Bachelorarbeit bin ich im Sommer 2023 zurück in die Heimat nach Freiburg gezogen. Nach dem Abschluss hat es sich nach einer langen Zeit wieder natürlich angefühlt, Musik zu machen.
chilli: Du wolltest wirklich aufhören?
Bahar: Ja, ich wollte eigentlich einen Schlussstrich ziehen, etwas anderes machen – und das habe ich. Doch meistens kommt es anders als geplant. Nach ein, zwei Sessions habe ich wieder Blut geleckt und Anfang des Jahres gab es dann kein Zurück mehr – entweder ganz oder gar nicht.
chilli: Gibt es Menschen, die dich beraten?
Bahar: Bei solchen Entscheidungen gibt es niemanden, der mich zu irgendwas drängt. Auch wenn ich den vollsten Support meiner Familie habe, wissen die wenigsten meiner Engsten, was das alles mit sich bringt. Das Musik-Business ist sehr hart – auch wenn das nach außen leicht und schön aussieht.
chilli: Du hast 2024 bisher drei Singles veröffentlicht. Dabei setzt du auf Themen wie Gender Equality oder Selbstverwirklichung. Ist das die neue Bahar?
Bahar: Ja. Ich schreibe über gesellschaftliche Entwicklungen, Dinge, die in der Welt passieren, Themen, die mich und meine Mitmenschen berühren. Mir ist es wichtig, jetzt mit 35 mehr denn je, dass ich über meine Gedanken und Gefühle schreiben kann. Ich glaube, wir haben diese Verantwortung, starken Themen, wichtigen Themen Raum zu geben.
chilli: Bei Monrose wurdet ihr in Schablonen gedrückt. Die jungen wilden Frauen, die einem Ideal entsprechen. Verarbeitest du das auch in Songs?
Bahar: Natürlich ging das unterschwellig immer mit rein: gut aussehen, fit sein … Das war für mich aber ein natürlicher Werdegang, weil ich immer sportlich war. Fitness war mein Ausgleich zu allem, das hatte nie den Aspekt eines Schönheitsideals. Leute, die mich noch von vor 15 oder 18 Jahren kennen, fragen: Boah, wie geht es dir heute? Gewichtstechnisch ist etwas passiert, ich habe mich verändert, weiterentwickelt. Deswegen auch der Song „They Said“. Wir reden so viel über Diversität. Aber am Ende des Tages traut sich kaum einer, diese zu leben, indem er/sie andere leben lässt. In der Gesellschaft wird es einem schwer gemacht, etwas anderes zu sein.
„Ich hatte verlernt, meine Gefühle in einen Satz zu packen.“
chilli: Hast du bei Monrose jemals eine Textzeile selbst geschrieben?
Bahar: Nur einmal bei einer spontanen Session. Ich verstehe das aus Produzenten- und Maschineriesicht. Denn unsere Songs waren Hits, und Hits muss man schreiben können. Das ist ein ganz eigenes Handwerk. Langfristig wäre es wichtig gewesen, uns eine Möglichkeit zu geben, an gewissen Prozessen teilzuhaben.
chilli: War das Songwriting danach schwierig?
Bahar: Ja. Ich hatte verlernt, meine Gefühle in einen Satz zu packen. So richtig ging das erst wieder 2017, als ich angefangen habe, auf Deutsch zu schreiben. Heute liebe ich es.
chilli: Kannst du heute noch von Monrose-Einnahmen leben?
Bahar: Es gibt ein zwei Mal im Jahr die GVL-Tantiemen. Das hält sich aber alles in Grenzen. Damals haben wir überdurchschnittlich viel verdient, aber auch viel ausgegeben, weil wir dauernd unterwegs waren. Die neue Streamingwelt eröffnet einem viel. Aber auf finanzieller Basis ist das nichts wert.
chilli: Wie entsteht deine Musik heute?
Bahar: Ich habe zwei, drei sehr gute Produzent·innen. Meistens entstehen Songs in Sessions, gemeinsam mit anderen Writern. Der Vibe spielt eine große Rolle. Welche Themen mich beschäftigen und welche Rolle Emotionen einnehmen sollen. Text und Melodie – beides muss mir entweder Gänsehaut verschaffen oder mich zum Tanzen bringen.
chilli: Du bringst fast monatlich eine Single raus. Im September kommt eine weitere EP. Wo soll die Reise hingehen?
Bahar: Das große Ziel ist aktuell die EP. Wenn es musikalisch wächst, gehe ich vielleicht auf Solotour. Bis dahin will ich eine Community aufbauen, die mit mir wächst, meine Songs hören will und mich nicht nur der Ära von Monrose zuordnen kann.
Fotos: © Chris Haimerl