Ende eine Ära: Bergbau in Buggingen Natur & Umwelt | 11.02.2021 | Erika Weisser

Seilscheibe Bergbau

Veritable Altlast: Aus der Abraumhalde des ehemaligen Kali-Bergwerks bei Buggingen gelangt seit mehr als 90 Jahren Salz in den Boden des Oberrheingrabens – und belastet das Trinkwasser. Das soll nun ein Ende haben.

Egal, aus welcher Richtung man sich der gastfreundlichen, auf halber Strecke zwischen Basel und Freiburg gelegenen Weinbau-Gemeinde Buggingen nähert: Als Erstes fällt ein weithin sichtbarer Hügel auf, der sich ebenso unmittelbar aus der Ebene zwischen dem Rhein und der Vorgebirgszone des Schwarzwalds erhebt wie der nicht weit von ihm entfernte Kaiserstuhl. Kalimandscharo nennen die Bugginger diesen zwar kleinen, doch irgendwie markanten Berg, der für sie nicht nur ein Wiedererkennungsmerkmal ist. Vielmehr ist er eine Art Wahrzeichen – wie der Kilimandscharo für seine Region.

Doch anders als sein riesiger afrikanischer Namenspatron und sein badischer Nachbar ist er nicht vulkanischen Ursprungs, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger menschlicher Arbeit. Oder besser: deren Nebenprodukt. Denn bei dem etwa 40 Meter hohen, auf drei Hektar Grundfläche ruhenden „Massiv“ handelt es sich um eine Abraumhalde, auf der die Reststoffe aus dem in Buggingen einst betriebenen untertägigen Bergbaus aufgeschüttet wurden.

Bergbau Werksgelände in Buggingen

Am Tag des verheerenden Grubenunglücks im Mai 1934 versammeln sich Angehörige der Verunglückten auf dem Werksgelände.

51 Jahre lang, von 1922 bis 1973, wurde hier ein sehr ergiebiges Kalisalzlager ausgebeutet – in einem weitreichenden System aus Schächten und Stollen in einer Tiefe von 700 bis 1000 Metern unter der örtlichen Erdoberfläche. Es war das größte Bergwerk Süddeutschlands. In den Spitzenzeiten der Produktion zu Beginn der 1960er-Jahre waren hier knapp 1200 Arbeiter beschäftigt, mehr als 700 von ihnen unter Tage, bei Temperaturen, die 50 Grad erreichen konnten. Wegen der schwierigen und gefährlichen Arbeitsbedingungen war hier mehr Geld zu verdienen als anderswo; zwischen Freiburg und Schliengen gab es kaum einen Ort, aus dem nicht einige Einwohner „im Kali“ arbeiteten.

Gewinnbringender Bodenschatz

Bereits im Jahr 1904 war man bei Tiefbohrungen in der Gegend von Mulhouse auf große Mengen Kalisalz gestoßen; daraus entwickelte sich das große Kalirevier im Elsass. Da man auf rechtsrheinischer Seite ebenfalls Vorkommen dieses Mineralsalzes mit dem hohen Gehalt an Kaliumverbindungen vermutete, wurde ab 1910 auch in Baden nach diesem gewinnbringenden Bodenschatz gefahndet, der in der chemischen und pharmazeutischen Produktion, in der Metallurgie und vor allem auch als pflanzenwachstumsfördernder Mineraldünger in der Landwirtschaft Verwendung findet. Westlich der Bahnlinie bei Buggingen wurde man fündig – und die angetroffenen Salze gehörten zu den qualitativ wertvollsten der damals bekannten Kalisalze.

Abraumhalde Buggingen

Die Betriebsgebäude am Fuße der salzhaltigen Abraumhalde sind noch Originalbauten.

Nach der Bergwerksgründung durch das Land Baden und die Burbach AG aus Halle wurden zunächst die Innen- und Außenanlagen gebaut und mit dem Salzabbau begonnen. Ab 1928 wurde regelmäßig in großen Mengen Rohsalz gefördert und die betriebseigene Produktion von Kalidünger aufgenommen – schon 1930 betrug die Jahresfördermenge 250.000 Tonnen. Durch weitere Bohrungen wurden neue Lager erschlossen, die Ausbeute kontinuierlich gesteigert; selbst bei Heitersheim wurde ein ertragreicher Förderschacht gebaut. Im Jahr 1966 erzielte das Kaliwerk Buggingen mit knapp 750.000 Tonnen die höchste Rohsalz-Förderung seiner gesamten Geschichte.

Kali-Konkurrenz aus Kanada

Doch bald ging es bergab. Durch die viel günstigeren Preise der kanadischen und nordamerikanischen Kali-Konkurrenz gerieten die deutschen Kaligruben in Absatzschwierigkeiten. Auch das Bugginger Kaliwerk. Diese Entwicklung konnten auch diverse Eigentümerwechsel nicht aufhalten. So sah sich die Kasseler Kali und Salz AG (heute K+S), seit 1970 die letzte Alleineigentümerin, schon zwei Jahre später gezwungen, Produktion und Belegschaft zu reduzieren. Und als der Betrieb im April 1973 ganz eingestellt wurde, waren es noch 300 Mitarbeiter, die sich eine neue Arbeit suchen mussten.

Besucherstollen in Buggingen

Der Besucherstollen wurde von ehemaligen Bergleuten an ganz anderer Stelle originalgetreu nachgebaut.

Nach der Stilllegung der Produktion und der Schließung der Werkstore wurden zunächst die Untertageanlagen geräumt und ein großer Teil der Gebäude sowie die Fördergerüste abgerissen. Dann wurden die Schächte verfüllt und mit Betonplatten abgedeckt, das Gelände an private Investoren verkauft. Aus den Schächten traten hin und wieder Grubengase aus, seit Ende der 1990er-Jahre werden sie kontrolliert abgeführt. Heute ist auf dem Gelände der ehemaligen Bugginger „Fabrik“ ein Betriebshof des Recycling-Unternehmens Remondis angesiedelt.

Salzhaltiger Zeitzeuge

Vom Werktor aus hat man den nur wenige Meter entfernten Kalimandscharo im Blick: Aus dieser Perspektive wirkt dieser stark salzhaltige Zeuge der Bergbaugeschichte Buggingens ziemlich imposant. Seit bald 50 Jahren ist der Hügel sich selbst überlassen, an seinen Abhängen hat sich im Lauf der Zeit eine Humusschicht gebildet, auf der Hecken und Bäume wachsen.   

Doch anders als bei den Grubengasen wird hier bisher nichts kontrolliert, wurde nichts abgedichtet: Bei Niederschlägen versickert das in der Abraumhalde gelagerte Salz ungehindert im Boden – und gelangt als Natrium- und Kaliumchlorid in den Grundwassersee des Oberrheingrabens, der zu den größten Europas zählt und überregional zur Trinkwasserversorgung genutzt wird. Die im Jahr 2013 von der Firma K+S in Auftrag gegebenen Untersuchungen ergaben eine tägliche Auswaschung von 1200 bis 2000 Milligramm Chlorid pro Liter. Das, sagt Axel Mayer vom BUND Südlicher Oberrhein, ergebe „rein rechnerisch einen Jahreseintrag von 561 bis 945 Tonnen“. Der in der Trinkwasserversorgung festgelegte Grenzwert von 250 Milligramm pro Liter werde bei weitem überschritten.

Kalimandscharo Buggingen

In ein paar Jahren soll der Kalimandscharo (hier von Westen aus gesehen) vollständig abgedeckt und begrünt sein.

Um die Belastung auf ein akzeptables Mindestmaß zu reduzieren, fordert der BUND seit über 20 Jahren ein umfassendes Sanierungskonzept für den Kalimandscharo – mit Übernahme der Kosten „nach dem Verursacherprinzip“. Nach langwierigen und zähen, teils vor Gericht ausgetragenen Verhandlungen ist nun eine Lösung in Sicht: Im Dezember 2020 wurde zwischen dem Landratsamt Breisgau-Hochschwarzwald als zuständiger Landes-Bodenschutzbehörde und der Betreibergesellschaft eine Vereinbarung geschlossen, die eine vollständige Abdeckung und anschließende Begrünung der Abraumhalde innerhalb der nächsten acht Jahre vorsieht. „K+S übernimmt mit der Vereinbarung freiwillig die Verantwortung für die Folgen des mehr als 50 Jahre dauernden Abbaubetriebs“, so Gereon Jochmaring, der für die Betreuung der Altstandorte zuständig ist. Das Unternehmen trägt dabei die Kosten für die Sanierung. Es ist derzeit ungewiss, ob noch in diesem Jahr mit den Arbeiten begonnen wird.

Bergbau-Spuren in Buggingen

Doch nicht nur die in jetzt doch absehbarer Zeit „komplett begrünte“ Halde erinnert an die dann endgültig abgeschlossene Bergbau-Ära des landwirtschaftlich geprägten Ortes. An etlichen Häusern ist noch das internationale Wahrzeichen der Bergleute zu sehen: die gekreuzten Werkzeuge Schlaghammer und Bergeisen. Ein Jahr nach der Schließung gründeten ehemalige Kumpels den Bergmannsverein Buggingen, dessen Mitglieder im Jahr 1996 ein Kali-Museum im Ortszentrum einrichteten.

Inzwischen ist dieses Museum in ein Gebäude am Sportplatz umgezogen, seit 2009 wird dort anhand von Schautafeln und Ausstellungsvitrinen mit Exponaten aus der Betriebszeit des Werks und historischen Originalaufnahmen die oft tragische Geschichte der Kali-Gewinnung dokumentiert. Erinnert wird auch an die fast 200 Männer, die im Lauf der Jahre Opfer der harten Arbeitsbedingungen wurden. 86 von ihnen starben allein bei dem schweren Grubenunglück von 1934, als ein verheerender Brand einen Teil der unterirdischen Anlagen vernichtete. Für sie ist auf dem Bugginger Friedhof ein gesondertes Gräberfeld angelegt; dort gibt es auch ein Denkmal für sie.

Doppelschachtanlage Bergbau Buggingen

Direkt neben dem Museum ist der Eingang zu einem Besucherstollen. Den haben die fleißigen Männer vom Bergmannsverein in der Lössböschung in einem ehemaligen Eiskeller eingerichtet – in Handarbeit. Grabend haben sie das Terrain erweitert, es bergmännisch ausgebaut und mit Originalmaschinen und -geräten ausgestattet. Ein Besuch lohnt sich.

Info

Kali-Museum und Besucherstollen des Bergmannvereins Buggingen e.V.
Am Sportplatz 4a
Öffnungszeiten:
Jeden 1. Sonntag im Monat 15 bis 17 Uhr;
derzeit vorübergehend geschlossen
Führungen für Gruppen oder Einzelbesuche
nach Vereinbarung

Ansprechpartner:
Gemeindeverwaltung Buggingen
Tel.: 0 76 31/18 03-20

Fotos: © Gemeinde Buggingen, Kali-Museum Buggingen, ewei, Kalimuseum Buggingen, Matthias Weniger