Cinematografische Aufnahmen – Fondation Beyeler präsentiert Werke des kanadischen Fotografiekünstlers Jeff Wall Ausstellung | 26.02.2024 | Erika Weisser

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Zwei großformatige Leucht­kästen mit Bilddias lenken im Foyer der Fondation Beyeler die Aufmerksamkeit der Besucher auf die Ausstellung, die dort bis zum 21. April zu sehen ist. Zwei von insgesamt 55 Arbeiten des 1946 geborenen kanadischen Künstlers Jeff Wall, der in der zeitgenössischen Kunst eine Sonderstellung einnimmt: Seit den 1970er-Jahren hat er maßgeblich zur Etablierung der Fotografie als eigenständiges Kunstmedium beigetragen und gilt als Begründer der „inszenierten Fotografie“.

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Arbeit und Ästhetik im Dialog: Durchaus überraschende Zwiegespräche eröffnet der Jeff-Wall-Bildkosmos.

Von einer Inszenierung, also der sorgfältig bis ins kleinste Detail vorbereiteten und oft aus verschiedenen Einzelaufnahmen komponierten Darstellung realer Alltags- und Lebenswirklichkeiten, ist bei beiden Fotografien erst einmal nichts zu spüren. Sowohl „Donkey in Blackpool“ als auch „Morning Cleaning“ wirken wie unmittelbare Abbildungen einer gesehenen Realität. Dem etwa vier Quadratmeter großen Bild des Esels, der demütig in einem mit Stroh ausgespreuten Stall zwischen Futterkrippen steht, sieht man nicht an, dass es keine zufällige Dokumentarfotografie ist.

Auch die Darstellung der knapp zwei Meter hohen und mehr als drei Meter breiten Morgenreinigung der raumhohen Fensterfront des Pavillons der Fondació Mies van der Rohe in Barcelona lässt nicht gleich an „Cinematografie“ denken, wie Jeff Wall seine Technik nennt. Erst auf den zweiten Blick ist zu erkennen, dass es sich dabei nicht um einen Schnappschuss von einem Fensterputzer bei der Arbeit handelt: Die festgefügte Komposition aus klaren architektonischen Linien wird durch diesen alltäglichen menschlichen Faktor durchbrochen, der daran erinnert, dass von der Ästhetik des 1929 errichteten Hauses ohne Pflege nicht viel übrig wäre.

Erschütternde Bilder und überraschende Paarungen

Dass die beiden Leuchtkästen nebeneinander hängen, ist kein Zufall. Wall wirkte an der Konzeption der Werkschau mit und legte großen Wert darauf, dass scheinbar gegensätzliche Welten miteinander in einen Dialog treten und gemeinsame Themen offenbaren. Denn auch beim „Donkey“ geht es um Ästhetik, Pflege und Arbeit: „Der zur Unterhaltung urlaubender Kinder frisch gestriegelte Esel steht für eine lange Geschichte tierischer Schwerstarbeit“, zitiert Ausstellungskurator Martin Schwander den Künstler. 

Auch in den weiteren zehn Räumen der Ausstellung gibt es überraschende Bild-„Paarungen“. Außerdem aber auch einige Arbeiten, die Ungleichheit oder Gewalt thematisieren. Darunter eine Zwangsräumung in einer bürgerlichen Vorortsiedlung. Oder das erschütternde „Dead Troops Talk“, das deutliche Bezüge zur Tradition berühmter Antikriegsbilder aufweist.

Fotos © Jeff Wall: Morning Cleaning, Mies van der Rohe Foundation, Barcelona, 1999 Grossbilddia in Leuchtkasten, 187 x 351 cm, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf. Erworben 2000 mit Unterstützung des Ernst von Siemens-Kunstfonds; A Donkey in Blackpool, 1999 Grossbilddia in Leuchtkasten, 195 x 244 cm, Kunstmuseum Basel, aus dem staatlichen Ankaufskredit und mit einem Beitrag der Max Geldner-Stiftung erworben 2001