Durch die wilden Wälder der Petite Camargue Alsacienne Freizeit in der Regio | 15.06.2021 | Erika Weisser

Nördlich von Basel: Rhein-Auengebiet Petite Camargue Alsacienne

Ein kleines Paradies fast vor der Haustür: In dem nördlich von Basel gelegenen Rhein-Auengebiet Petite Camargue Alsacienne wandern Besucher durch ein wunderschönes Stück geschützter Natur.

Es dämmert schon seit einer Weile. Die Sonne hat ihre ersten Morgenstrahlen bereits über die auf der anderen Rheinseite gelegene Tüllinger Höhe geschickt – lebhaft begrüßt vom frohen Frühchoral der vielen hier heimischen Vögel. Überall singt, zwitschert und jubelt es an diesem Maientag in der erwachenden Natur. Lerchen, Rotschwänzchen und Rotkehlchen stimmten das Konzert an, dann kamen nach und nach Zaunkönige und -königinnen, Amseln und Drosseln dazu. Jetzt melden sich Kuckuck und Goldammer, bald setzen Zilpzalp und Sperling ein. Und wenn schließlich Spechte und Bachstelzen zu hören sind, dann ist Tag. 

Die knapp zwei Stunden von der ersten Dämmerung bis zum Sonnenaufgang im „Observatoire Georges Muller“, einem geräumigen hölzernen Hochsitz mit bestem Ausblick auf zwei Naturweiher mit waldgesäumten Ufern, vergehen wie im Flug. Gut ausgestattet mit Fernglas, digitaler Vogeluhr und Vogelstimmen-App geht’s darum, die verschiedenen Laute zuzuordnen. Was natürlich nicht gelingt: Schließlich leben in der zwischen dem Canal de Huningue und der Gemeinde St. Louis-La Chaussée gelegenen Petite Camargue Alsacienne knapp 180 Vogelarten. Sie teilen sich den Luftraum mit 40 Libellen- und etlichen Fledermausarten sowie unzähligen Geradflüglern. Um sich mit den Vögeln und insbesondere mit ihrem zauberhaften Gesang vertraut zu machen, wäre allerdings mehr als eine nächtliche Exkursion nötig.

Beeindruckende Vielfalt 

Das 1982 eröffnete älteste Naturschutzgebiet im Elsass ist rund um die Uhr frei zugänglich. Gepflegte Wege führen durch die aus einstigem Urwald, Grundwasserquellen und Nebenarmen des ehemals wilden Rheins geformte Auenlandschaft. Zehn Aussichtspunkte laden nicht nur frühe Ausflügler ein, die beeindruckend vielfältige Tier- und Pflanzenwelt in ihren natürlichen Lebensräumen zu beobachten. Eigentlich wären es zwölf; zwei dieser von ehrenamtlichen Mitarbeitern liebevoll gestalteten Observatoires wurden jedoch durch „Akte von Vandalismus“ zerstört, wie auf der Homepage zu lesen ist. 

schwimmender Frosch

Inzwischen scheint die Sonne durch das noch hellgrüne junge Laub der Bäume, die sich im Wasser spiegeln. Vom Beobachtungsturm am Rande der Mittleren Au geht es an einem ruhig strömenden Bachlauf entlang zum Etang U, einem malerischen Weiher, dem eine hineinragende Halbinsel seine besondere Form verleiht. An den schilfreichen Ufern nisten Wasservögel. Sie bereiten sich auf geruhsame Schwimmpartien durch die weit verzweigten Augräben vor. Dort gehen sie auf Nahrungssuche, ihre flaumigen Jungen sind schon mit von der Partie.

Während die Luft sich allmählich mit Schnattern, Quaken, Zirpen und Summen erfüllt, führt uns die Wanderung auf fast menschenleeren Wegen in Ufernähe zu einer der von Menschenhand geformten Attraktionen des Ortes: zur Pisciculture, einem Gehöft, das aus zwei langgestreckten flachen Hallen, einem stattlichen mehrstöckigen Fachwerkhaus und mehreren Nebengebäuden besteht. Hier entstand 1860 die erste industrielle Fischzucht Europas. Durch künstliche Befruchtung wurde Lachslaich erzeugt und in die ganze Welt geliefert – zur Aussetzung an Flussläufen. In einer der Hallen ist diese Geschichte als Dauerausstellung mit dem Titel „Mémoire de Saumon“ nachzuerleben. Gleich nebenan ist der wechselvollen Geschichte des Rheins eine aufschlussreiche Dauerausstellung gewidmet. 

Vor dem Info-Zentrum laden eigens dafür aufgestellte Tische zum Picknick ein. Die Stärkung – mit Aussicht auf den Étang Nord mit seinen Bauminseln – tut gut, bevor die Wanderung im nördlichen Teil dieses ehemaligen Rhein-Überschwemmungsgebiets weitergeht. Hier führen Holzstege durch schön gestaltete und beschilderte Teiche. Zwischen Seerosenblättern und anderen Wasserpflanzen tummeln sich Frösche, Wasserläufer und andere Amphibien – so geräuschvoll, dass es nicht lange dauert, bis am Himmel über diesem magischen Ort die ersten Störche kreisen. 

Auf aussichtsreichem Weg geht’s zurück zu den am ehemaligen Schleusenhaus Maison Éclusière abgestellten Velos, und nach dieser erlebnisreichen Nacht- und Tagestour radeln wir zurück nach Hause.

Info

Beste Zeit: Die „Kleine Elsässische Camargue ist ganzjährig geöffnet. Besonders eindrucksvoll ist ein Besuch vor Sonnenaufgang.
Lage: Maison Eclusière, 8 rue du Canal, 68300 Saint-Louis
www.petitecamarguealsacienne.com

Fotos: © ewei