Kühler wird’s nicht! Gärtnern in Zeiten des Klimawandels Haus & Garten | 28.07.2020 | Frank von Berger

Kaki Früchte

Die Oberrheinregion gilt als „Toskana Deutschlands“, und das nicht nur im übertragenen Sinne. Lorbeer- und Feigenbäume gedeihen inzwischen auch hierzulande. Welche Chancen und Herausforderungen bringt der Klimawandel für Gartenfreunde mit sich?

Extrem trockene Frühjahrsmonate, Hitzeperioden mit anhaltender Dürre im Sommer, gefolgt von Starkregen im Herbst und Winter – der Klimawandel ist definitiv weder zu leugnen noch aufzuhalten. Die Folgen der globalen Erwärmung sind auch in der REGIO spürbar. Die Jahresmitteltemperatur ist im Dreiländereck in den vergangenen 30 Jahren um mehr als ein Grad Celsius angestiegen. Klingt nach wenig, bewirkt aber viel. In der Landwirtschaft treten durch Wetterkapriolen verursachte Ernteausfälle häufiger auf als in der Vergangenheit. Auch im Hausgarten sind die Folgen des Klimawandels zu beobachten. Gartenfreunde haben das nicht nur an der hohen Wasserrechnung für das vermehrte Wässern ihrer Pflanzenschätze gemerkt, sondern auch am Zustand des Rasens. Der wurde in den letzten Sommern spätestens ab Anfang Juli braun und schütter, sofern man ihn nicht künstlich beregnete. Der Klimawandel ist eine Herausforderung für alle Gärtner und Landwirte, aber auch eine Chance für neue Gartenkonzepte.

Durch die Klimaerwärmung beginnt die Vegetationsperiode inzwischen deutlich früher und dauert zudem länger. Der Beginn der Winterrapsblüte ist ein zuverlässiger Indikator dafür. Blühte der Raps zwischen 1961 und 1990 ab Ende April, so öffnen sich die Blüten der Ölpflanze jetzt bereits oft schon ab Ende März. Auch die Obstbäume und Reben blühen mittlerweile deutlich früher. Wenn diese Nutzpflanzen durch einen extrem warmen Vorfrühling schon recht zeitig in Blüte stehen, kann es bei Spätfrösten gravierende Schäden mit entsprechenden
Ernteausfällen geben, wie auch in diesem Jahr.

Taubenschwänzchen

Gedeihen infolge des Klimawandels in heimischen Gärten: exotische Früchte wie Kakis (siehe Beitragsbild). Auch Taubenschwänzchen, diese kolibriartig fliegenden Schmetterlinge aus dem Mittelmeerraum, finden vermehrt den Weg in die REGIO.

Dieter Gaißmayer von der gleichnamigen Staudengärtnerei in Illertissen sagt, er könne an seinen Pflanzen die Folgen des Klimawandels ganz konkret beobachten. „Bei einigen Arten treten in den letzten Jahren Probleme auf, die ich in meiner mehr als dreißigjährigen Berufslaufbahn früher nicht kannte. Insbesondere für viele Stauden-Phloxe (Phlox paniculata) sind die trockenen Frühjahre und heißen Sommer der jüngsten Zeit eine echte Herausforderung, an die sich die Pflanzen kurzfristig kaum anpassen können.“ Der versierte Staudenkenner versucht, durch neu eingeführte Arten und Sorten, die besser hitzeverträglich sind, das Sortiment der Gärtnerei an die veränderten Klimabedingungen anzupassen. Und das nicht nur bei Phlox, sondern bei allen Stauden, die in der Gärtnerei herangezogen werden. Als Strategie zur Anpassung an den Klimawandel empfiehlt Dieter Gaißmayer vor allem eine standortgerechte Pflanzenauswahl. Ein überlegtes Gießmanagement ist ebenfalls hilfreich. „Man sollte lieber seltener, dafür aber durchdringender wässern, damit die Pflanzen nicht nur Wurzeln im Oberboden ausbilden, sondern sich auf der Suche nach dem lebenserhaltenden Nass tiefer in die Erde strecken. So überstehen sie Trockenperioden besser“, rät der Fachmann.

Doch nicht nur Hitze und Trockenheit machen den Pflanzen zu schaffen. Durch den Klimawandel wandern in jüngster Zeit immer öfter Insekten aus wärmeren Ländern bei uns ein. Sie gelten als die großen Profiteure der globalen Erwärmung. Darunter sind so liebenswerte Arten wie das Taubenschwänzchen (Macroglossum stellatarum), eine Nachtfalterart mit kolibriartigem Flug. Aber leider kommen auch weniger harmlose Arten. Die Oberrheinregion gilt aufgrund ihres relativ milden Klimas ohnehin als Einfallspforte für neue Schädlinge aus dem Süden. So haben sich beispielsweise so exotische Insekten wie Reiswanze, Zitrusblattlaus und Baumwollhaspelwurm hierzulande bereits etabliert. Mangels ihrer eigentlichen Wirtspflanzen befallen diese Schädlinge in unseren Gärten allerlei Gemüse, Obst und Zierpflanzen.

Bananen im Freiland?

Weil wir aber Optimisten sind, wollen wir an dieser Stelle auch Positives über die Folgen des Klimawandels für den Garten berichten: So können viele Zierpflanzen mediterranen Urspungs in Weinbaugebieten inzwischen ohne Winterschutz ausgepflanzt werden. Kräuter wie Rosmarin, Thymian und Lavendel sowie Gehölze wie Mittelmeer-Schneeball (Viburnum tinus) gedeihen und blühen bei uns so prächtig, als wären sie hier schon immer zu Hause. Kamelien aus den wintermilden Regionen Ostasiens, früher in Mitteleuropa nur als Gewächshauspflanzen kultiviert, erfreuen jetzt auch am Oberrhein bereits ab März im Freiland mit ihrer opulenten Blütenpracht die Herzen der Gartenfreunde.

Zitronenbaum im Garten

Nicht nur dekorativ: Zitronenbäumchen punkten mit reicher Ernte.

Und im Weinbauklima können dank des Klimawandels sogar Feigen, Kiwis, Oliven, Kakis, Japanische Wollmispeln und andere exotische Früchte fast problemlos im Garten kultiviert werden und sogar eine passable Ernte einbringen. Nur Zitrusgewächse brauchen noch immer ein frostsicheres Winterquartier. Und bis bei uns Bananen im Freiland reifen, wird es wohl noch eine Weile dauern. Bis dahin profitiert die spät reifende Rebsorte „Trollinger“ von der wärmeren Witterung, und neu aus dem Süden eingeführte Traubensorten wie Merlot und Cabernet gedeihen jetzt auf den Weinbergen in der REGIO. Wären die übrigen Folgen der globalen Erwärmung ansonsten nicht so dramatisch, könnte man deshalb fast sagen: Ein Prosit auf den Klimawandel!

Klimawandel und Landespolitik

Im Ländle ist die Klimapolitik im Klimaschutzgesetz („Gesetz zur Förderung des Klimaschutzes in Baden-Württemberg“, kurz KSG BW) aus dem Jahr 2013 verankert. Umweltminister Franz Untersteller betont in seinem Vorwort zum „Monitoringbericht zu Klimafolgen und Anpassung“ vom 5. Juli 2020, dass es zwei wesentliche Aspekte zu beachten gilt: Erstens einen engagierten Klimaschutz, etwa durch die Reduzierung von Treibhausgasen. Und zweitens die Anpassung an die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels. Mit anderen Worten: Kühler wird’s nicht mehr im Ländle – also machen wir das Beste daraus!

Fotos: © Frank von Berger