Skaten für die Seele: Weitgereiste Boarderin therapiert auf vier Rollen STADTGEPLAUDER | 16.04.2019 | Till Neumann
Drei Jahre lang brachte Sophie Friedel in Afghanistan Mädchen Skateboarden bei. Jetzt hat die 34-Jährige ihre eigene Skateboardschule in Freiburg. Dort bietet sie Therapiekurse an. Die ersten Rückmeldungen sind positiv.
„Das explodiert gerade“, sagt Sophie Friedel und lacht. Die Frau mit den langen braunen Haaren redet von der Nachfrage nach den etwas anderen Skatekursen. Kürzlich hat sie die Idee bei der Innovation Night im Kreativpark vorgestellt. Jetzt häufen sich die Anfragen. Drei Jungs und ein Mädchen therapiert sie derzeit.
„Erst skaten wir, dann machen wir Gestaltungstherapie“, erzählt Friedel beim Gespräch vor der Lokhalle am Güterbahnhof. Das Board sei ein guter Türöffner, Beziehungsaufbau wichtig bei einer Therapie. Gemeinsam Skateboard zu fahren, helfe dabei. „Es geht nicht um krasse Tricks“, erklärt Friedel. Sondern darum, bei einer gemeinsamen Aktion das Vertrauen zu gewinnen. „Drop in – Ride out“ heißt ihr Angebot.
Seit drei Jahren lernt sie den Beruf der Gestaltungstherapeutin. Die Skatekurse bietet sie seit Februar im Rahmen der Ausbildung an. Eine erfahrene Kollegin begleitet das Projekt mit einer Supervision. Das Feedback der Patienten ist positiv, wie der Fall eines Achtjährigen zeigt. Die Eltern berichten, dass ihr Pflegekind bei normalen Sport- und Freizeitaktivitäten nicht zurechtgekommen ist. Also haben sie es mit der Skatetherapie versucht: „Ein cooler Sport in lockerer Atmosphäre und das noch an der frischen Luft“, sagen die Eltern. Ihr Pflegekind hat Gewalt erlebt und leidet an verzögerter Entwicklung und ADHS.
„Unser Sohn war begeistert und berichtete von seinen Erfahrungen mit dem Skatefahren“, schreiben die Eltern. Wichtig ist ihnen, dass kein „Therapiecharakter vorherrsche, sondern eine fried- und freudvolle Atmosphäre, von der die Kinder unbemerkt profitieren“.
Das bestätigt Sophie Friedels Überzeugung: Skaten hat therapeutische Wirkung. Festgestellt hat sie das vor rund zehn Jahren in Afghanistan. 2009 flog sie mit drei Boards im Gepäck in das Land, um dort das Projekt „Skateistan“ mit aufzubauen. Sie brachte jungen Menschen das Skaten bei und unterrichtete Kinder in Not. „Für Mädchen ist Skaten in Afghanistan auf der Straße verboten, also haben wir das in Hallen gemacht“, erzählt Friedel.
Drei Jahre verbrachte sie dort im Zeichen des friedlichen Austauschs. „Pseudotherapeutisch“, nennt sie ihre Arbeit. „Ich hatte keine Ahnung von Therapie“, sagt sie und lacht. Heute kann sie mit ihrer Ausbildung praktische Erfahrungen mit theoretischem Wissen verbinden. Die Seele sei sensibel, sagt sie. Für Therapien will sie das nötige Know-how haben.
Anbieten kann sie die Kurse über die „Rollbrettworkshop“, ihre eigene Skateboardschule. Ein bisschen abgespact sei das Angebot, aber niederschwellig. Ginge es nach Friedel, müsste mit jungen Leuten viel mehr präventiv gearbeitet werden: „Krankenkassen können viel Geld sparen.“
Auf dem Longboard war sie mal die sechstschnellste Frau der Welt. Und wurde deutsche Meisterin im Mountainboarden. Sogar ein Buch hat sie über die Friedensarbeit als Skaterin geschrieben. Der Sport ist für sie Lebensgefühl. Das möchte sie weitergeben.
Fotos: @ Till Neumann & Skateistan