Empowerment im Grünen – Wie „Girls Walking and Talking“ den Sonntagsspaziergang zum Trend macht Gesellschaft | 01.10.2025 | Ioana Boltres
Unterwegs: die Walking-Talking-Gruppe in Freiburg
Sich treffen zum Plaudern und Laufen – das ist die Idee von „Girls Walking and Talking“. f79-Autorin Ioana Boltres hat sich das in Freiburg angeschaut und ist mitgelaufen.
Ein sommerlicher Sonntagnachmittag. Etwas zögerlich formieren sich die Girls zu einem Grüppchen am Rande des Freiburger Sternwalds. Die meisten sind alleine da, nicken sich zu, führen Smalltalk. Nervosität liegt in der Luft: Nach einer kurzen Begrüßung bekommen die rund 30 Teilnehmerinnen die Aufgabe, sich nach Alter in eine Reihe zu sortieren. Das Eis ist gebrochen. Los geht‘s Richtung Wasserschlössle.
Ein Sonntagsspaziergang mit Fremden – das Prinzip von „Girls Walking and Talking“ ist einfach. Ob in Darmstadt oder San Francisco: Spazieren gehen und sich unterhalten ist ein globaler Trend. Unter dem Motto „City girls who walk” verabredeten sich schon 2022 Frauen in New York zu gemeinsamen Spaziergängen. Wie ein Lauffeuer hat sich die Idee in den vergangenen zwei Jahren in Deutschland verbreitet. Über 50 Gruppen gibt es mittlerweile in Deutschland. Auch in Freiburg finden seit Juli 2024 regelmäßig Walks statt.
Was daran so attraktiv ist? „Es passt super auf so einen Sonntagnachmittag, kostet kein Geld, man kann einfach hinfahren und deswegen finde ich es sehr niedrigschwellig”, sagt Greta. Außerdem gefällt ihr, dass die Walks so zugänglich sind: „Es ist zwar outdoor, aber man muss nicht so richtig Sport machen, da kann jeder mit.” Die 23-Jährige ist schon zum vierten Mal dabei. Ihr erster Walk war im November. Sie war gerade nach Freiburg gezogen und suchte Kontakte. Ein voller Erfolg: „Es hat sich eine Clique ergeben, weil wir nach dem Walk noch zusammen im Café waren. Wir haben eine WhatsApp-Gruppe erstellt und seitdem fragt so ein bis zwei Mal die Woche irgendwer, ob man etwas unternehmen will.”
Was auffällt: Obwohl Freiburg eine Studierendenstadt ist, sind die Teilnehmerinnen größtenteils keine Studentinnen. So auch Sana (19), die eine Ausbildung macht, und Louisa (20), die gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert. In ihrem Arbeitsumfeld sind viel weniger Menschen in ihrem Alter, als es im Studium der Fall wäre. „Es fehlt etwas, wo man viele Leute auf einmal kennenlernt”, findet Louisa. Sana hat es auch schon mit Bumble for Friends probiert, einer Weiterentwicklung der Dating-App. Was sie dort stört, ist die Unverbindlichkeit: „Die meisten antworten vielleicht einmal und dann nie wieder.“
Verbindlichkeit, sich Mühe geben, aus der Komfortzone rausgehen – all das hat mit dem Einzug von Dating-Apps und Social Media abgenommen, beobachtet Organisatorin Lucia Linder. Die 38-jährige Yogalehrerin hatte „Girls Walking and Talking“ das erste Mal in München erlebt und sieht das Format als Teil eines Trends, der zurück zum Analogen geht. Bei den Walks, so Linder, fängt die Begegnung schon damit an, dass die Frauen sich, ohne zu wissen, was dabei herauskommt, füreinander Zeit nehmen: „Dieses Gefühl, dass jemand zu dir sagt: ,Hey, du bist mir wichtig.‘“

Initiatorin: Lucia Linder
Aber das Format zieht nicht nur junge Frauen an: Sandra ist 65 und vor einem Jahr als Rentnerin nach Freiburg gezogen. Keine leichte Lebensphase zum Umziehen. „Viele ältere Leute wollen gar keinen Kontakt mit Fremden.” Anders als Sandra: Sie ist viel umgezogen und reist gerne – zuletzt mehrere Monate in Neuseeland – und lernt so immer wieder neue Menschen kennen. Über „Girls Walking and Talking“ hat auch sie Frauen in ihrem Alter kennengelernt, mit denen sie sich regelmäßig über WhatsApp zu Ausflügen verabredet.
Für die Organisatorinnen geht es aber nicht nur darum, Einzelnen Begegnungen zu ermöglichen: Sie setzen auch auf Female Empowerment. Viele Frauen sind finanziell abhängig von ihrem Partner und deshalb häufiger von Altersarmut betroffen. „Im Schnitt ist es doch so: Eine Beziehung endet irgendwann, aber Frauenfreundschaften bleiben das ganze Leben”, sagt Linder. Gerade für Freundschaften hätten Frauen aber neben Arbeit und Familie oft wenig Raum: „Wann kann man unter der Woche mal Menschen kennenlernen, die man dann am Wochenende trifft?”
Ob als Ausgleich zum Familienalltag, zum Job oder weil Kontakte fehlen: „Girls Walking and Talking“ trifft einen Nerv unserer Zeit und ermöglicht, wonach sich viele sehnen: echte, analoge Begegnungen, kostenlose Gemeinschaftsangebote und, wie Lucia Linder sagt, „einen Raum, wo du einfach auch mal sein kannst“.
„Girls Walking and Talking Freiburg“ organisiert seit Juli 2024 monatliche Spaziergänge. Willkommen sind Frauen aller Altersklassen (ab 18 Jahre). Die nächsten Termine inklusive Routen werden auf WhatsApp und Instagram angekündigt. Eine Anmeldung ist nicht notwendig. Der nächste Spaziergang findet am 28.09. statt.
Instagram: instagram.com/freiburggirlstalkingwalking
WhatsApp-Kanal: https://bit.ly/4ntNY05










