Gestresste Kuriere: Freiburger Foodora-Fahrer fordern Verbesserungen STADTGEPLAUDER | 20.11.2018 | Till Neumann

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Seit einem Jahr gibt’s Foodora in Freiburg. Die Gastro-Kuriere mit den rosa Rucksäcken sehen oft angestrengt aus. Der Eindruck täuscht nicht, sagen zwei Freiburger Fahrer. Sie wünschen sich bessere Arbeitsbedingungen. Wie andere Kuriere auch. Foodora kontert mit „zufriedenen Mitarbeitern“.

Rosa Helm, rosa Jacke, rosa Rucksack. Simon Sontheimer (Bild) ist seit Juni „Rider“ (Fahrer) bei Foodora. Als Ergänzung zum Bürojob hat sich der 30-Jährige online beworben – und wurde eingestellt. Per Videochat gab’s eine kurze Einweisung. Persönlich getroffen hat er die Vorgesetzten nie.

„Als Ausgleich ist der Job nice“, findet er. Doch zufrieden ist er nicht: „Die Bedingungen sind ziemlich ätzend.“ Sein größter Kritikpunkt ist der Kontakt zur Firma. Eine Telefonnummer gebe es nicht, die Verantwortlichen seien lediglich per WhatsApp oder über die Foodora-App zu erreichen. Auf Antworten müsse man oft eine Weile warten.

»Viele fahren mit Schrotträdern«

Foodora wurde 2004 in München gegründet und beschäftigt inzwischen mehr als 3000 Fahrer in Deutschland. Rund 40 Rider liefern in Freiburg für 45 Gastro-Betriebe Essen aus, informiert die Firma. „Hier herrscht großer Personalmangel“, sagt Sontheimer. Der Druck auf die Fahrer sei groß. Für jeden Auftrag habe man ein festes Zeitbudget. Teilweise laufe die Uhr schon, bevor man starte. Die Route wird per GPS getrackt. „Ist man zu langsam, gibt’s ein mehrstufiges Eskalationssystem“, sagt Sontheimer. Erst warnt die App, dann ruft ein Roboter an.

Neun Euro bekommt er pro Stunde. Das sei zu wenig. Denn Rad, Handy und Mobilfunkvertrag stellt jeder Fahrer selbst. Die Abnutzungspauschale sei zu gering und werde lediglich mit einem Gutschein für einen „teuren“ Onlineshop beglichen. „Das Handy fällt auch mal runter, wenn man über einen Hubbel fährt“, erzählt Sontheimer. Er kenne Kollegen, die mehr zahlen mussten als sie verdienten. „Ich wünsche mir, Reparaturen, Inspektionen und Käufe von bis zu 200 Euro im Jahr zurückerstattet zu bekommen“, betont ein Fahrer.

Vielerorts zu sehen in Freiburg: Die pinken Foodora-Rider – oft auf mittelmäßigen Rädern.

Sontheimer will etwas ändern: Als Teil der „Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter Union“ (FAU) vertritt er drei Forderungen an Foodora: einen Euro mehr Stundenlohn, die vollständige Übernahme der Materialkosten und ein Schichtsystem, das vernünftiges Arbeiten ermöglicht. Bisher wird es per Algorithmus erstellt, der Unverfügbarkeiten manchmal ignoriere. Zudem sei der Materialverschleiß groß. „Viele fahren mit Schrotträdern, ein 600-Euro-Bike kann ich mir bei dem Lohn nicht leisten“, sagt ein zweiter Fahrer aus Freiburg. Er ist mit einem zu kleinen Damenrad unterwegs. Der Mittzwanziger berichtet von vielen unzufriedenen Fahrern, die hinschmeißen. Sontheimer bestätigt das.

Schwierige Kommunikation

Foodora hält dagegen: Sechs bis zwölf Monate blieben die Rider im Schnitt. „Unserer aktuellen weltweiten Umfrage zufolge sind mehr als 80 Prozent der Fahrer sehr zufrieden mit ihrem Job.“ Auch zu den Vorwürfen einer schwierigen Kommunikation nimmt Foodora Stellung: „Da wir sehr schnell gewachsen sind, ist die Kommunikation nicht mehr so zügig wie zu Anfang mit wenigen Kollegen.“ Das versuche man tagtäglich zu verbessern.

In Berlin haben 150 Rider die Forderungen der FAU unterschrieben, berichtet Sontheimer. Seit sie vor der Deliveroo-Zentrale protestiert hatten, gebe es dort einen Sicherheitsdienst. Auch weitere Initiativen machen sich für Gastro-Kuriere stark: Liefern am Limit kämpft für bessere Arbeitsbedingungen bei deliveroo, foodora und Lieferando.de. Im April gab es unter dem Slogan „Deliveroo, shame on you“ bundesweit Proteste.

Foodora
Foodora gehört zu Delivery Hero. Das börsennotierte Berliner Unternehmen gilt als weltgrößter Essenslieferdienst. Es ist in mehr als 40 Ländern aktiv und betreibt auch Lieferheld und pizza.de. Dir Firma steht im internationalen Wettbewerb mit Konkurrenten wie Deliveroo und UberEats.

Fotos: © Till Neumann