Bis zu 314 Milliarden Dollar pro Jahr – Freiburger Forscher beziffern erstmals Klimawandel-Schaden in Zentralamerika Forschung | 16.07.2023 | Pascal Lienhard

Regenwald Südamerika

Der Klimawandel hat gravierende ökologische und ökonomische Konsequenzen. Freiburger Forscher haben nun die Auswirkungen auf Wälder in Zentralamerika untersucht. Das Ergebnis ihrer Studie haben sie in ein Preisschild gegossen: Kosten von 51 bis 314 Milliarden Dollar pro Jahr bis zum Ende des 21. Jahrhunderts. Die Veröffentlichung brachte nicht nur Beifall.

Tropische Wälder sind Säulen der Erde. Sie regulieren das Klima, kompensieren Kohlenstoffemissionen und bieten Lebensraum für zahllose Pflanzen, Tiere, Bakterien, Viren oder Pilze. Und die Biotope sind Stützpfeiler menschlicher Gesellschaften. „Ökosysteme erbringen Leistungen für die Gesellschaft“, sagt Marc Hanewinkel, Professor für Forstökonomie und Forstplanung an der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität.

Gemessen wurden diese sogenannten Ökosystemdienstleistungen bisher hauptsächlich in Bereitstellung von Holz, Weideland oder Fasern. Mit ihrem Aufsatz wollen die Freiburger Forscher den Fokus auf Klimaregulierung sowie Kohlenstoffdioxid-Bindung legen. Hinzu addieren sie sogenannte kulturelle Leistungen sowie Erholungswerte. „Menschen nutzen Wälder in der Regel kostenlos. Jetzt haben wir versucht, dem einen Preis zuzuschreiben“, erklärt Lukas Baumbach, Doktorand am Lehrstuhl.

Mann im Regenwald

Untersucht hat sein Team seit 2021 ein Studiengebiet von mehr als 800.000 Quadratkilometern von Mexiko bis Kolumbien. „Costa Rica und Panama sind sehr reiche Ökosysteme, sie beeinflussen das Klima auch überregional“, so Hanewinkel. In Zentralamerika zwischen dem Amazonasgebiet und Nordamerika treffen auf vergleichsweise engem Raum verschiedene klimatische Bedingungen aufeinander.

Bäume schieben sich den Berg hoch

Während im karibischen Norden tropische Zustände herrschen, wehen an der südlichen Pazifikküste nahezu mediterrane Winde. „Dieses Zusammentreffen von so unterschiedlichen Bedingungen generiert eine große Artenvielfalt. Woanders müssen sie dafür ganze Kontinente abfliegen“, erklärt Hanewinkel.

Am Anfang stand der Aufbau einer Datenbank. „In Europa sind wir in dieser Hinsicht verwöhnt, für Zentralamerika existieren weniger Datensätze“, so Baumbach. Mehr als 2000 verschiedene Baumarten wurzeln allein in Panama. Einige von ihnen gibt es nur in diesen Breitengraden. „Modellieren konnte ich nur einen Bruchteil, sonst wäre es ausgeufert“, sagt der 30-Jährige.

Sein Team beobachtet, dass überdurchschnittlich wasserabhängige Pflanzenarten in Zentralamerika auf dem Rückzug sind. „Ganze Vegetationsgürtel schieben sich die Berge hoch, weil es dort kühler ist“, berichtet Baumbach. Gleichzeitig breiten sich im Untersuchungsgebiet zunehmend Generalisten aus. „Das sind Pflanzen, die besser mit den sich verändernden klimatischen Bedingungen zurechtkommen“, sagt Hanewinkel.

An hohe Temperaturen seien Zentralamerikas Wälder zwar gewöhnt, „wenn allerdings bestimmte Schwellenwerte überschritten werden, müssen wir damit rechnen, dass die Produktivität dieser Wälder stark nachlässt“, betont Hanewinkel. Selbst starke Niederschläge könnten die Fauna nicht mehr schützen.

Bromelien im Regenwald

Bedroht: Vieles in den Wäldern von Zentralamerika droht unwiederbringlich verloren zu gehen.

Das sorgt für eine Verringerung der Ökosystemdienstleistungen in Form von geringerer Klimaregulierung und schwindenden Habitaten. Hanewinkel und Baumbach gehen davon aus, dass – je nach Szenario – 24 bis 62 Prozent des Untersuchungsgebiets betroffen sind und damit bis zum Ende des 21. Jahrhunderts ein jährlicher wirtschaftlicher Schaden in Höhe von 51 bis 314 Milliarden Dollar (heute rund 289 Milliarden Euro) entsteht.

Veröffentlicht wurden die Zahlen Anfang April auch in der Fachzeitschrift Nature Communications. Und nicht ohne Gegenwind: „Es haben sich schon Ökonomen gemeldet. Es gibt bereits eine Gegendarstellung, wir hätten etwa mit dem falschen Zinssatz gerechnet“, sagt der Professor. Er stehe zum Artikel, dieser sei fundiert. Die Schadenssumme ist deswegen auch als Spektrum und nicht als Einzelwert angegeben. „Ich würde nicht am obersten Ende interpretieren, sondern die ganze Bandbreite betrachten“, so Hanewinkel.

Er begrüße das Echo. Das Ergebnis der Studie in Dollar hat sein Ziel nicht verfehlt: „Geld ist eine Sprache, die Leute verstehen.“ Und in den Kosten von 51 bis 314 Milliarden Dollar ist nicht gelistet, was unbekannterweise in den Wäldern von Zentralamerika verloren geht. Etwa Ausgangsstoffe für Medikamente, Lebensmittel oder Kosmetik. Hanewinkel betont: „Es stehen unwiederbringliche Werte auf dem Spiel. Vieles ist weg, bevor wir es gesehen haben. Und wir wissen nicht, was wir nicht gefunden haben.“

Fotos: ©  Lukas Baumbach