Schlau wie eine Kartoffel: Freiburger Trio erforscht 3D-Druck mit Unikaten Szene | 29.08.2021 | Till Neumann

Bei ihrem 3D-Drucker "Janus": Thomas Speck, Falk Tauber und Stefan Conrad (v.l.).

Ein ganzes Haus aus dem 3D-­Drucker. Seit Ende Juli ist das in NRW Realität. Dort steht Deutschlands erstes gedrucktes Wohngebäude. Auch in Freiburg wird der 3D-Druck erforscht. Ein Trio experimentiert mit einzigartigen Geräten und schlauen Materialien. Auch ein Honig-Batman ist so entstanden.

Die Begeisterung steht Thomas Speck, Falk Tauber und Stefan Conrad im Labor ins Gesicht geschrieben. Gleich drei Geräte lassen ihre Herzen höherschlagen. Es sind selbst entwickelte 3D-Drucker. „Unikate mit einem einzigartigen Greifmechanismus“, schwärmt Speck. Der 63-Jährige ist ein Sprecher des Exzellenzclusters „Living, Adaptive and Energy-autonomous Materials Systems“ (livMatS) der Universität Freiburg. Er ist fest überzeugt, dass 3D-Drucker in den kommenden zehn Jahren in nahezu jedem Privathaushalt zu finden sein werden.

Fast alles sei damit möglich, erklärt sein Kollege Falk Tauber (34). Zum Beispiel könne man Ersatzteile für Haushaltsgeräte zu Hause reproduzieren. In beliebigen Formen, Größen und Farben. Falls der chilli-Journalist den Objektiv­deckel seiner Kamera verliert – „kein Problem, den drucken wir nach“, sagt Tauber und lacht. Die Vorlage sei im Netz einfach zu finden. Im Labor hat er gedruckte Miniaturen von Meister Yoda und dem Eiffelturm stehen. Sogar ein Knäckebrot mit einem aufgespritzten Batmansymbol aus Honig hat das Team aus Spaß schon im 3D-Drucker erstellt.

Entwickelt hat die drei 3D-Drucker von livMatS der Doktorand Stefan Conrad. Der 30-jährige Physiker promoviert seit eineinhalb Jahren und legt laut den Kollegen ein rasantes Tempo vor. Die Technik seiner Geräte sei so ausgefeilt, dass das Cluster erwägt, ein Patent anzumelden. Ihren Druckern haben sie Spitznamen gegeben: Der „Flexitarier“ druckt besonders flexible Materialien, „Janus“ kann zwischen zwei Druckköpfen wechseln, und die „Hydra“ ist mit gleich vier Köpfen ausgestattet.

Was damit möglich ist, bringt das Trio ins Schwärmen: Sie können beliebige Materialien kombinieren, extrem dünne Flächen herstellen, auch Hohlräume ließen sich einfügen. Nachhaltig und günstig sei das. „Wir haben kaum Verschnitt, rund 95 Prozent des Materials wird verwendet“, betont Speck. Ein von ihnen hergestellter beweglicher Plastikfinger für Roboteranwendungen habe einen Materialwert von nur einigen Cent.

Jedes seiner Geräte koste etwa 2000 Euro, erklärt Conrad. Würden sie in Serie produziert, könne man sie noch deutlich günstiger auf den Markt bringen. Kein Vergleich zum ersten 3D-Drucker im Haus: „Der hat vor zwölf Jahren 34.000 Euro gekostet“, sagt Speck. Heute gebe es vergleichbare Modelle für 200 Euro.

Auch 4D ist angesagt. Also der Druck von intelligenten Materialien, die auf Licht, Temperatur oder Feuchtigkeit reagieren und so selbstständig ihre Form verändern können. Die Freiburger haben kürzlich mit einem Team aus Stuttgart eine Unterarmschiene produziert, die sich an ihre Träger anpasst. Grundlage ist ein Mechanismus der Luftkartoffel. Die windende Liane klettert mithilfe von „Andruckkraft“ Bäume hinauf.

Außergewöhnliche Möglichkeiten bietet der 4D-Druck, erklärt Speck. So werde an Materialien für Gebäudefassaden gearbeitet, die sich bei Regen automatisch schließen und bei Trockenheit wieder aufgehen. Zudem können sie je nach Sonnenstand kippen und das Gebäude beschatten. Das alles benötige keine Energie. „Ein bisschen abgefahren“, findet Speck selbst.

Dass kürzlich das erste Haus in Deutschland aus dem 3D-Drucker fertiggestellt wurde, wissen die drei. Es steht im westfälischen Beckum, hat zwei Stockwerke, 160 Quadratmeter Fläche und wurde in 100 Stunden gefertigt. Noch sei es 15 Prozent teurer als ein herkömmliches Haus, meldet die Tagesschau. Bald soll es aber schneller und günstiger sein als normale Bauten und die Branche revolutionieren.

Die Freiburger Forscher unterschreiben das. „3D-Druck wird einen ähnlichen Wandel mit sich bringen wie das Internet“, sagt Speck. Möglicherweise mit einer patentierten Technik aus Freiburg.

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