Das Geheimnis der Wand: Fund im NS-Dokuzentrum bringt Gewissheit über verschollenes Gemälde Kultur | 15.03.2023 | Erika Weisser

Gemäldefund im ehemaligen Verkehrsamt

Beim Baustellenbesuch im künftigen Dokumentationszentrum Nationalsozialismus Freiburg vor einem Monat orakelte Leiterin Julia Wolrab auf Anfrage noch, dass man nie wissen könne, welche Geheimnisse und Überraschungen  in alten Gemäuern lauern. Nun hat eben dieses Gemäuer des 1936 erbauten ehemaligen Städtischen Verkehrsamts, das derzeit für seinen neuen Zweck umgestaltet wird, tatsächlich einen solchen verborgenen Schatz preisgegeben, mit dem niemand wirklich gerechnet hatte: In einer Wand im Erdgeschoss kam ein  etwa 18 Quadratmeter großes Gemälde des heute vergessenen Freiburger Künstlers Theodor Kammerer zum Vorschein.

Diese Wand, die zwei kleinere, mit je einer Tür zugängliche Räume von dem größten, für Sonderausstellungen  und Veranstaltungen vorgesehenen größten Raum des Dokuzentrums trennt, sollte abgerissen und versetzt werden. Hier sollte Platz entstehen für die Garderobe, eine Info-Theke und den Aufzug, mit dem Ober- und Kellergeschoss barrierefrei zu erreichen sind. Da eine bautechnische Prüfung – wie bei anderen Wänden des denkmalgeschützten Gebäudes – den Schluss zuließ, dass es sich nicht um eine massiv gemauerte Wand handelte, ging man bei Beginn der Rückbaumaßnahmen „mit besonderer Vorsicht ans Werk“, wie Stadthistoriker Peter Kalchthaler bei der Ortsbegehung sagte.

An einer Stelle neben einer der beiden originalen Türen entfernte man ein Stück der lediglich aus einer mehrfach übertapezierten Rigipsplatte bestehenden Wand – und entdeckte blasse

Historische Aufnahme des Gemäldes

Farbspuren, die offenbar zu einer Malerei gehörten. Die Bauarbeiten, erläuterte Kalchthaler, seien sofort gestoppt worden; der etwa Mitte Februar gemachte Fund sei unter kunsthistorischen, restauratorischen und denkmalschützenden Gesichtspunkten begutachtet worden. Nach einiger Recherchen habe man die aufgefundene Spur Theodor Kammerers Wandbild zugeordnet, von dem im Stadtarchiv eine historische Fotografie existiert – ohne  nähere Angaben über dessen Verbleib. Bekannt sei lediglich gewesen, erklärte Christine Litz als derzeitige kommissarische Direktorin der Städtischen Museen, dass das Bild von den damaligen Stadtoberen in Auftrag gegeben wurde wohl ab dem Kriegsjahr 1939 in der Eingangshalle des Verkehrsamts zu sehen war – über einer Info-Theke mit den touristischen und Freizeitangeboten der faschistischen Kraft-durch-Freude-Vereinigung.

Wo Kammerers Werk nach dem Krieg blieb, war ungewiss – bis es nun in der hohlen Wand entdeckt wurde. Litz und Kalchthaler mutmaßten nun, dass das Gemälde, das eine idyllische Landschaft mit Schwarzwaldbergen, Tannen, Seen, Stocherkähnen, Pferden und nach damaliger Vorstellung perfekt gestalteten nackten oder badebekleideten Menschen zeigt, in den 1950-er-Jahren einfach hinter der dünnen Wand verschwand – damals fanden diese Trockenbau-Platten bereits viel Verwendung.   

Inzwischen wurde diese Vorsatzschale sorgfältig komplett entfernt und das Bild freigelegt. Das Motiv und seine Details sind indessen bisher eher nur schemenhaft zu erahnen als deutlich zu erkennen. Das liegt nicht nur an seinen erdfarbenen und dunklen Grundtönen, sondern auch an der längst nicht mehr durchsichtigen Plastikplane, mit der das riesige Gemälde verhüllt wurde, bevor es hinter den mit Holzleisten gesicherten Rigipsplatte verschwand.

Diese Leisten sind auch noch vorhanden und erschweren es, sich einen Gesamteindruck von dem Kunstwerk zu machen. Fest steht aber schon, erläutert das Städtische Museumsduo Litz und Kalchthaler, dass es sich dabei aber nicht um ein Fresko handelt, das direkt auf das Mauerwerk gemalt wurde. Es ist vielmehr auf einzelne große Holzplatten aufgebracht, die an der Wand zusammengefügt wurden. Bei näherem Hinsehen lasst sich dies sogar feststellen: An den Fugen stimmen die Übergänge der Motive nicht exakt überein. Und an einer Stelle, wo nachträglich eine Tür eingebaut und das Bild einfach abgesägt wurde, ist deutlich ein etwa zwei Zentimeter starkes Brettstück zu erkennen.

In den kommenden Wochen, so die Auskunft der beiden, werde geprüft, wie und an welcher Stelle das Bild erhalten werden kann, ob und wie es in die Ausstellung des zu den Städtischen Museen gehörigen Dukumentationszentrums integriert werden kann – und was der unverhoffte Fund für den Fortgang der Bauarbeiten bedeutet – und Somit für die Finanzierung und den Eröffnungstermin. Bisher liege man im Rahmen der mit knapp fünf Millionen Euro veranschlagten Einrichtung, die nach Plan im Sommer 2024 eröffnet werden soll. Und Kalchthaler ist zuversichtlich, dass sowohl Zeit- als auch Finanzplan eingehalten werden können.

Fotos: © Patrick Seeger; Stadtarchiv

Bedrückende Kammer: Bauarbeiten im künftigen Dokumentationszentrum Nationalsozialismus Freiburg