Liebe im Dreieck: Wie es drei Freiburger schaffen, eine polyamore Beziehung zu führen STADTGEPLAUDER | 18.06.2018 | Isabel Barquero

Eine Liebesbeziehung mit mehreren Menschen gleichzeitig? Mit Gefühlen, Zärtlichkeit, Sex und allem, was dazugehört? Für viele unvorstellbar, unnatürlich oder gar pervers. Für Natalie Fink aus Frei­burg ganz normal. Sie hat Gefühle für zwei Männer und führt seit zwei Jahren eine Beziehung mit beiden gleichzeitig.

Wenn Fink über ihre beiden Männer spricht, leuchten ihre Augen. Die zierliche Blondine liebt Martin F. (22) und Matthias P. (22, Namen der Redaktion bekannt) gleichzeitig und gleich stark. Die Dreierbeziehung funktioniert. Polyamorie ist der Fachbegriff dafür und bedeutet, zeitgleich emotionale Liebesbeziehungen zu mehr als einem Menschen zu haben, mit Zuneigung und Vertrauen. Aber auch mit Intimität. Wichtig für eine funktionierende Beziehung ist, dass alles, was passiert, im Einvernehmen aller Beteiligten geschieht. Denn: Wer nichts verheimlicht, kann auch niemanden betrügen.

Für Fink war mit 18 Jahren klar, dass ihr eine klassische, monogame Beziehung nicht reicht. „Meine Geschwister liebe ich alle gleich stark, deshalb war der Gedanke für mich, zwei Menschen auf der romantischen Ebene zu lieben, nicht fern“, erklärt die 22-Jährige. Ihre erste Berührung mit Polyamorie hatte sie während des Abiturs im Kunst-Leistungskurs, auch Martin, ihr erster fester Freund, war dabei. Nach intensiver Recherche war sie fasziniert. Schnell habe sie gemerkt, dass diese Begeisterung etwas zu bedeuten hat.

Matthias, der zum gemeinsamen Freundeskreis gehört, zeigte Interesse an der polyamoren Beziehung von Natalie und Martin. So kam er für das Paar in Frage. Mittlerweile wohnen alle zusammen in einer Wohnung in Freiburg. Jeder hat sein eigenes Zimmer. „In einer Partnerschaft ist es mir wichtig, dass jeder seinen Rückzugsort hat“, so Fink. Wer über Nacht bei ihr im Bett schlafe, entscheide sich je nach Müdigkeit der Männer. Streit gab es deswegen noch nie.

Keiner wird vernachlässigt: Matthias (mit Brille), Martin und Natalie leben in einer Dreier-Partnerschaft. Alle wollen bewusst mit den anderen zusammen sein, dadurch entsteht für sie ein starkes Sicherheitsgefühl.

Beide Männer wollen keine zusätzliche Partnerin. Auch eine monogame Beziehung kommt für Martin nicht in Frage. „Ich habe alles, was ich brauche. Das einfache Verständnis unter Männern, einen Haushalt mit meinem besten Kumpel und eine Beziehung zu einer wunderschönen Frau. Was will Man(n) mehr?“ Seine Partnerin mit seinem besten Kumpel zu teilen, ist für den 22-Jährigen „angenehm“. Es mache vieles leichter, er könne es sich schon gar nicht mehr anders vorstellen. Auch für Matthias entsteht durch das „gemeinsame Haben“ ein starkes Vertrauensgefühl – ein wichtiger Faktor in ihrer Beziehung.

Eifersucht gibt es unter diesen Männern nicht. Matthias gibt aber ehrlich zu: „Wenn Martin Natalie kreativ überrascht, dann ärgere ich mich, dass mir so etwas nicht so leicht einfällt.“ Es ist eher Fink, die eifersüchtig ist. „Die beiden haben den gleichen Job, dieselben Hobbys und Gesprächsthemen. Manchmal gehe ich da ein bisschen unter.“

Vorwürfe, sie wolle nur Sex mit mehreren Männern, lassen die studierte Grafikdesignerin kalt: „Wenn ich nur Sex gewollt hätte, hätte ich ein einfacheres Arrangement mit Martin gefunden. Dann müsste ich nicht für einen zweiten Mann Wäsche waschen.“ Dennoch gibt es auch Vorurteile, die sie verletzen. Es sei schwierig für sie, wenn Fremde in ihr intimes Liebesleben eingreifen. „Die philosophieren dann laut und geschmacklos über meine Sexualität. Das ist sehr erniedrigend.“ Die beiden Männer sind gelassener. „Meistens suchen Leute leider zwanghaft nach Problemen bei anderen, um sich nicht mit ihren eigenen beschäftigen zu müssen“, findet Matthias

»Schwer, wenn man nur Gegner hat«

Ihr engeres Umfeld hat mittlerweile akzeptiert, dass Fink und ihre Partner anders leben möchten als die meisten Menschen in Deutschland. Bis dahin war es aber ein weiter Weg. „Am Anfang war es schwierig, wenn man nur Gegner und Zweifler hat, selber daran festzuhalten“, gesteht die Freiburgerin. „Meine Eltern dachten, es sei eine Phase.“

Wer keinen Rückhalt bekommt oder andere Probleme in seiner Mehrfach-Beziehung hat, kann sich etwa an Viktor Leberecht wenden. Seit 2017 betreibt der Berliner unter einem Pseudonym eine der wenigen Polyamorie-Beratungsseiten im Netz. Noch läuft es schleppend, die Nachfrage sei gering. Der Berater schätzt, dass es etwa 10.000 Menschen in der Bundesrepublik gibt, die polyamor leben. Genau sagen kann er es aber nicht, da es viele Betroffene verheimlichen. Leberecht selbst lebt seit zehn Jahren in einer polyamoren und offenen Beziehung mit einer Frau, die mit einem anderen Mann verheiratet ist. Zusätzliche Partner sind erlaubt.

Heirat und Kinder sind auch bei Fink und ihren Partnern ein Thema. „Je mehr wir in Richtung Familienplanung gehen, desto schlimmer wird die Kritik. Das wird eine harte Zeit“, vermutet sie. Dennoch hofft die Freiburgerin, dass es irgendwann so viele Regenbogen- und Patchwork-Familien gibt, dass ihre besondere Familienform gar nicht mehr auffällt.

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