„Menstruation enttabuisieren“: Freiburger Test zu kostenlosen Tampons kommt an STADTGEPLAUDER | 18.10.2024 | Till Neumann

„Mindestens 2000 Euro geben Frauen in ihrem Leben für Hygieneartikel aus.“ Das schreibt die Initiative Tampagne aus Leipzig. Sie setzt sich für kostenlose Periodenartikel in Damentoiletten ein. Auch Freiburg testet das seit 2022.
„Vergesse die regelmäßig“

Einfach zugreifen: Auf der Damentoilette am Karlsplatz Freiburg
„Wie cool, dass es das gibt“, jubelt eine junge Frau am Freiburger Karlsplatz. Sie hat gerade in der öffentlichen Damentoilette einen kleinen Kasten entdeckt. Dort bekommt sie Obs und Binden for free. „Ich vergesse die regelmäßig, das ist super praktisch“, sagt die 31-Jährige.
Die Toilette ist einer von acht Orten in Freiburg, wo es das gibt. Seit Oktober 2022 testet das Rathaus, wie gut kostenlose Hygieneartikel für Frauen ankommen. 20.000 Euro sind 2023 für die ersten vier Standorte investiert worden. Für das laufende Jahr wurde auf 40.000 Euro verdoppelt. Eine geplante Evaluation Ende des Jahres sei aber ungewiss, berichtet Rathaussprecher Toni Klein, „weil aktuell nicht absehbar ist, wann das Thema in die politischen Gremien kommt“. Dennoch bleibe es dabei: Der Testlauf ist Ende des Jahres vorbei ist.
„Positive Rückmeldungen“
Inhaltliche Gründe gegen eine Fortsetzung scheint es nicht zu geben: „Der Probelauf erhält positiven Zuspruch von verschiedenen Seiten, unter anderem von den Schulleitungen“, berichtet Rathaussprecherin Tabea Krauß. Fälle von Diebstahl oder Vandalismus sind nicht bekannt.
So ist das auch an der Max-Weber-Schule. „Die Hygieneautomaten wurden im Herbst 2022 als Ergebnis eines Schülerinnenprojektes installiert“, erzählt Projektleiterin Babette Moser. „Ich bekomme sehr positive Rückmeldung von Schülerinnen und Kolleginnen fremder Schulen.“ Alle Schultoiletten seien damit ausgestattet. Die Kosten trägt das Rathaus.

Initiatorinnen am Max-Weber (von links nach rechts): Flora Pleuler, Alisa Winterhalter und Annika Schubert
„Beitrag zur Chancengleichheit“
„Die Hygieneautomaten sind ein fester Bestandteil unserer Schule“, sagt Moser. Sie sieht zwei Vorteile: „Sie leisten einen Beitrag zur Chancengleichheit und erfüllen einen wertvollen Bildungsbeitrag.“ Menstruation werde nach wie vor tabuisiert. Durch Hygieneautomaten werde sie „alltäglich“.
Sogar gegen Schuleschwänzen hilft das Angebot, betont Loana Gollmitz. Die 18-Jährige von der Max-Weber-Schule berichtet von unangnehmen Momenten, wenn die Periode in jungen Jahren plötzlich kommt: „Da ist die Entscheidung oft gewesen: Ich gehe heim.“ Das falle jetzt weg. Ein Aus des Testlaufs zum Jahresende wäre für sie und Babette Moser schlimm: „Blöd bis hin zur Katastrophe“, betont die Lehrerin. Sie kennt auch Geschichten von Schülerinnen, die ihre Periode mitten in der Abiprüfung bekommen. „Der weibliche Zyklus spinnt total unter Stress“, so Moser. Was tun, wenn man sich nicht behelfen kann? „In der Prüfung müsste ich mich vor die Klasse stellen und alle laut fragen, ob jemand ein Tampon hat, damit auch die Lehrkräfte hören, dass es ja keine Prüfungsinformation ist“, erklärt Gollmitz.
Auch Kristina Lammert, Gründerin von Tampagne aus Leipzig, setzt sich dafür ein: „Die Bereitstellung der medizinisch notwendigen Menstruationsprodukte ist als Menschenrecht zu verstehen.“ Viele Menstruierende könnten sich die Periodenprodukte nicht leisten. Ein Testlauf wie in Freiburg sei daher richtig. Auch wenn es keine Beweise benötige: „Schließlich wird die Notwendigkeit nach Toilettenpapier und Seife auch nicht in Frage gestellt.“ Frauen, denen das Geld fehle, könnten nicht oder nur eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, so Lammert. Kostenlose Produkte würden daher gegen „Periodenarmut“ helfen und „Menstruation enttabuisieren“.
Für Erwerbslose zu teuer?

„Guerilla Tamponing„: von der Realtitätenwerkstatt
Das Thema beackert auch die Freiburger queerfeministische Initiative Realitätenwerkstatt. Sie hat Anfang des Jahres auf öffentlichen Klos Tampons, Binden und Menstruationstassen verteilt und fordert: „Menstruationsprodukte sollten genauso kostenlos bereitgestellt werden wie Klopapier!“ Die Initiative rechnet vor: Das Bürgergeld sehe einen monatlichen Betrag von 9,17 Euro bis 19,16 Euro für Gesundheits- und Pflegeprodukte vor (Zahnpasta, Cremes, Seife …). Dabei könne Menstruation allein monatlich Kosten von rund 5 bis 15 Euro verursachen. „Für Erwerbslose und Wohnungslose zu viel!“ Der Testlauf sei daher eine „enorme Erleichterung und ein starkes Zeichen feministischer Stadtgestaltung“.
0 Euro beim Online-Händler
Gepusht wird das Thema zudem vom Online-Lebensmittelhändler knuspr. Er bietet Kundinnen bei Bestellungen kostenlose Bio-Tampons und Binden an. Das Motto: „Gleichberechtigung darf nicht bei Hygieneprodukten enden.“
München wird 2025 an 100 Orten Periodenprodukte anbieten. Das dürfte ankommen. Laut einer Studie von Plan International sehen 23 Prozent der Frauen in Deutschland im Kauf solcher Produkte eine finanzielle Belastung.
8 Standorte in Freiburg
Hier gibt es in Freiburg kostenlose Menstruationsprodukte:
Seit Oktober 2022: Max-Weber-Schule, Innenstadtrathaus, öffentliche Toilette am Karlsplatz, Jugendtreff Schwarzwaldstraße 197.
Seit Juli 2023 zudem: Albert-Schweitzer-Schule II (Werkrealschule), Wentzinger-Realschule, Wentzinger-Gymnasium, Walter-Rathenau-/Richard-Fehrenbach-Gewerbeschule
Fotos: pixabay, Max-Weber-Schule, Realitätenwerkstatt