Potenzial ohne Lobby – Wasserkraft im Schwarzwald STADTGEPLAUDER | 07.08.2019 | Stefan Pawellek

Kraftwerk-und Stausee Schwarzabruck

Während im 19. Jahrhundert die Wasserkraft ausgiebig genutzt wurde, sind Schwarzwaldmühlen heute meist nur noch romantische Schaustücke. Ihr Potenzial für die Stromerzeugung bleibt oft ungenutzt.

Strom aus Wasser – aus Klimasicht eigentlich eine tolle Sache: „Als regenerative Energie reduziert Wasserkraft den Verbrauch von fossilen Energieträgern wie Kohle, Erdöl oder Gas und damit auch den CO2-Ausstoß,“ erklärt Dieter Schuster vom Regierungspräsidium Freiburg. Gerade im Schwarzwald ist Wasser reichlich vorhanden und war im Zuge der Industrialisierung Grund, dass sich Betriebe wie Gütermann in Gutach oder Mez in Freiburg ansiedelten: Das Wasser wurde zum Färben der Garne genutzt und diente zur Energiegewinnung.

Doch während es um 1900 noch rund 100 größere und kleinere Wasserkraftanlagen im Großraum Freiburg gab, sank die Zahl bis 1930 auf 30 Werke. 1990 war in Freiburg nur noch eines in Betrieb – das der Firma Himmelsbach, einer Wäscherei. Bis auf kleine Unterbrechungen läuft das auf das 17. Jahrhundert zurückgehende Kraftwerk in der Nähe des Schwabentors bis heute.

Bei „gutem Wasser“ produziert die Wäscherei bis zu 100.000 Kilowattstunden (kWh) jährlich. „Davon verbrauchen wir ungefähr die Hälfte und die andere Hälfte speisen wir ins Netz“, sagt Christian Himmelsbach, einer der beiden Geschäftsführer. Damit es in den Betriebszeiten der Firma nicht zu Engpässen kommt, muss sie noch rund 40.000 kWh hinzukaufen.  Himmelsbach würde wieder eine solche Anlage bauen: Lange Laufzeiten, Abschreibungsmöglichkeiten und relativ geringe Kosten machen sie interessant, wenn auch nicht zu einem Renditeobjekt.

Der Wäscherei-Betreiber ist nicht der einzige, der für den Ausbau plädiert: Derzeit hat Wasserkraft einen Anteil von etwa vier Prozent an der deutschen Stromproduktion, könnte aber, so Andreas Markowsky, Geschäftsführer der Ökostromgruppe Freiburg, ohne weiteres auf sechs Prozent ausgebaut werden. Südbaden ist durch den Rhein und die dort angesiedelten großen Wasserkraftwerke ohnehin eine Region, in der mit Wasserkraft einiges geht. Für die „Große Wasserkraft“ gelten besondere Kriterien, beispielsweise müssen entlang des Rheins bilaterale Verträge zwischen Frankreich und Deutschland geschlossen werden, am Hochrhein mit der Schweiz. „Das ist für Badenova und unsere Möglichkeiten eine Nummer zu groß, hier sprechen wir sicher von Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe“, erläutert Roland Weis, Leiter der Unternehmenskommunikation des regionalen Energiedienstleisters, die Haltung seines Hauses.

Strenger Naturschutz

Befürwortern wie Thomas Bächle von der „IG kleine Wasserkraft“ geht es jedoch gar nicht um Großkraftwerke, sondern um die vielen Standorte, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert genutzt wurden: „Die kleine Wasserkraft im Südwesten könnte problemlos verdoppelt werden, wenn nicht sämtliche Naturschutzauflagen, Fischereiauflagen, EU-Wasserrichtlinien und, und, und dagegen wären.“ Dabei seien Ökologie und Wasserkraft durchaus vereinbar. „Gerade kleine Wasserkraftanlagen mit Weiher oder kleinen Staus sind – wenn sie richtig betrieben werden – nachweisbar ökologisch sinnvoll“, so Bächle, der selbst fünf kleine Anlagen betreibt. „Staus sind für die Fische, die Feuerwehr und für den Grundwasserspiegel optimal. Warum man dieses Potenzial nicht nutzt, verstehen wir nicht.“

Für das Regierungspräsidium kommt es in Punkto Umweltschutz allerdings auf den Einzelfall an, wenn eine Anlage – selbst an einem alten Standort! – genehmigt werden soll. So fordert die „Europäische Wasserrahmenrichtlinie“ (WRRL), die Wasserkraftnutzung nur unter Berücksichtigung sämtlicher ökologischer Parameter zu erlauben, wie die Gewährleistung einer ausreichenden Restwassermenge im Gewässer, die Durchgängigkeit an den Querbauwerken und Maßnahmen zum Schutz der Fischpopulation. Markowsky weist allerdings darauf hin, dass in Anlagen, die von einem Fluss Wasser abzweigen, Flora und Fauna gut bis sehr gut seien – insbesondere in dem Bachlaufteil, der nach der Abzweigung weniger Wasser hat.

Gegner der Wasserkraft argumentieren zudem, dass Wasserkraft unrentabel sei. Auf den ersten Blick scheint das auch zu stimmen: Eine neue Turbinenanlage kostet in der Regel 100.000 Euro – weniger, wenn es sich um einen eigenen Standort handelt. Die Aufwendungen der Anlage, so Bächle, halten sich in Grenzen. Es sind meist kleine Reparaturen, Schmiermittel, Mäharbeiten – alles in allem rund 3000 Euro im Jahr. Dem gegenüber steht ein Erlös – bei einem Preis von 11,67 Cent/kWh  von jährlich 3500 Euro. Trotzdem kann sich der selbst produzierte Strom durchaus lohnen: Bei der Rechnung werden nämlich die lange Laufzeit – im Schnitt 40 Jahre –, die Abschreibung und die Ersparnis aus nicht abgenommenem Strom außer Acht gelassen.

Teure Gutachten

So sind es vor allem die langwierigen Verfahren, die die Wasserkraft versiegen lassen. 18 Jahre, so erinnert sich Markowsky, habe eines der Genehmigungsverfahren gedauert, mit teuren Gutachten und Gegengutachten. Es sieht derzeit nicht so aus, dass es wieder in jedem Schwarzwaldtal eine arbeitende Mühle geben wird. Und das, obwohl die Stromversorger durchaus engagiert sind: Badenova unterstützt die „Kleine Wasserkraft“, in Emmendingen betreiben Kreuz Wasserkraft und die Emmendinger Erneuerbare Energie GmbH sieben Kraftwerke, die EWS in Schönau ist an einigen Anlagen beteiligt, und auch die Ökostromgruppe Freiburg hat Wasserkraft im Portefeuille.

Dennoch gilt wohl für die Zukunft die resignative Zusammenfassung von Weis: „Wasserkraft insgesamt hat im Schwarzwald sicher Potenzial, aber es gibt an den kleinen Fluss- und Bachläufen eine klare gesetzliche Privilegierung des Natur- und Artenschutzes und deshalb so wenig Genehmigungen“, so der Badenova-Sprecher. „Oft sind die Auflagen so streng und vielfältig, dass es sich für Investoren wirtschaftlich nicht lohnt – ganz abgesehen vom Genehmigungsmarathon, der meist noch mit hohen Kosten  verbunden ist.“ So wird es wohl in absehbarer Zeit nichts mit den klappernden Mühlen am rauschenden Bach.

Foto: ©Hochschwarzwald Tourismus GmbH