Space Invader und Bad Bitch – Freiburger Kollektiv eröffnet queer-feministischen Sexshop STADTGEPLAUDER | 20.03.2024 | Pascal Lienhard

Sexshop

Die „erogene Zone“ Freiburgs ist am Grethergelände. Anfang Februar hat dort ein Kollektiv einen queer-feministischen Sexshop eröffnet. Zwei Betreiberinnen sprechen über die Hintergründe sowie den Umgang mit Kritik – und darüber, was es heißt, in einem kapitalistischen System antikapitalistisch zu agieren.

Schmierige Vorhänge, dunkle Ecken, verstohlene Blicke: So malt sich manch einer den klassischen Sexshop aus. Wer mit diesem Bild die „erogene Zone“ am Grethergelände betritt, dürfte überrascht sein: Der Verkaufsraum ist lichtdurchflutet, hat viel freie Fläche. Die Atmosphäre gleicht einer Ausstellung. Wer sich die „ausgestellten“ Gegenstände genauer anschaut, wird eines Besseren belehrt: hier der Anal-Plug „Space Invader“, dort der Mini-Vibrator „Bad Bitch“.

Kathi und Mareike machen es sich in einer Ecke des Ladens gemütlich. Sie sind Teil des siebenköpfigen Kollektivs „erogene Zone“, das den gleichnamigen queer-feministischen Shop betreibt. Ihre Nachnamen wollen sie nicht im chilli lesen. Gerade haben sie noch mit einem älteren Mann gesprochen, der später wieder vorbeischauen will. „Dann muss ich das nicht die ganze Zeit durch die Stadt tragen“, sagt er.

Mareike räumt mit einem Missverständnis auf: Gäste müssen weder Frau noch queer sein. „Bei uns sind alle konsensuellen Spielarten willkommen“, sagt die 30-jährige Psychologin. „Zu uns kommen Jung und Alt“, fügt Kathi hinzu. Da im Laden weder Pornos noch nackte Körper offen zu sehen sind, dürfen auch Jugendliche rein.

Zwar sei der Laden kein explizit politischer Ort. „Wir planen von hier aus nicht die Weltrevolution“, witzelt die 34-jährige Kathi, die neben ihrem Engagement am Grethergelände Doktorandin der Hydrologie ist. Dennoch ist die Politik hier zentraler als in klassischen Shops. „Der Begriff Sexshop ist eine Form der Wiederaneignung“, erklärt Mareike. Oftmals stünden solche Läden für ein patriarchal geprägtes Bild von Sexualität. Die Freiburger Queer-Feminist·innen dagegen wollen Privilegien, Diskriminierungsstrukturen und Machtverhältnisse hinterfragen.

Teil des Kollektivs: Kathi (links) und Mareike von der „erogenen Zone“

Teil des Kollektivs: Kathi (links) und Mareike von der „erogenen Zone“

„Space Invader“, „Bad Bitch“ und Co. etwa sind am Grethergelände nicht nach Geschlecht, sondern nach Funktion sortiert. „Es gibt hier nicht nur die zwei Geschlechter, die in unserer Gesellschaft stark sozialisiert werden“, sagt Mareike. Die Toys seien „bodysafe“, beinhalten also beispielsweise keine Weichmacher. Zudem werden Utensilien für Gender-Expression verkauft: Menschen, die ihrer Identität – ungeachtet ihres Geschlechts bei der Geburt – nach innen und außen Ausdruck verleihen wollen, finden etwa Binder, um die Brust schmaler zu machen. Auch Brustprothesen und Packer, also künstliche Penisse, sind im Angebot. Dazu kommen Menstruationsartikel sowie Bücher zu Themen wie Asexualität. Auch Inklusion spielt eine große Rolle, die Umkleidekabine ist so groß, dass sich Personen im Rollstuhl darin umdrehen können. Für den angrenzenden Workshop-Raum hat das Team einen Antrag auf einen Hublift gestellt

Viel beraten wird am Grethergelände über kapitalistische Sachzwänge. „Wir machen uns viele Gedanken, was es bedeutet, in einem kapitalistischen System antikapitalistisch zu agieren“, berichtet Mareike. Damit auch finanziell schwächere Personen in der „erogenen Zone“ einkaufen können, arbeitet das Kollektiv bei einigen Produkten mit Preisspannen. Zudem könnte die Bildungsarbeit künftig querfinanziert werden: Gerade ist die Gruppe dabei, einen Verein zu gründen.

Bei einem Projekt wie der „erogenen Zone“ ist Kritik vorprogrammiert. Gerade online wird das gesamte Konzept auch mal infrage gestellt. Ein Nutzer auf Instagram bezeichnet den Shop etwa als neuen Freiburger Puff. Kathi kann der harschen Kritik auch Positives abgewinnen: „Wenn es solche Kommentare nicht gäbe, bräuchte es unsere Arbeit ja nicht.“

Fotos: © pl