Die jünger Florians: Die Probleme der ehrenamtlichen Feuerwehr Szene | 09.11.2018 | Stefan Pawellek

Zehn Minuten Zeit haben Feuerwehren in der Regel – auch ehrenamtliche –, um am Einsatzort zu sein. Eingehalten wird diese Frist in vielen Gemeinden so gut wie nie. Es ist nicht das einzige Problem der freiwilligen Retter: Oftmals sind die Geräte veraltet, die Retter schlecht geschult. Folkloristische Vereinigung oder Profis im Ehrenamt?

Baden-Württembergs Feuerwehren sind auf dem Papier gut aufgestellt: Auf überwiegend freiwilliger Basis hat „jede Gemeinde (…) auf ihre Kosten eine den örtlichen Verhältnissen entsprechende leistungsfähige Feuerwehr aufzustellen, auszurüsten und zu unterhalten“ – so steht es in den „Hinweisen zur Leistungsfähigkeit der Feuerwehr“.

Alles bestens also? Da gehen die Meinungen auseinander. Während aktive Feuerwehrleute sich vorsichtig kritisch äußern, sind andere sehr viel offener, wollen aber nicht genannt werden, befürchten negative Reaktionen der Kameraden. Dabei liegen die Kritikpunkte gar nicht weit auseinander.

Die Pflicht zur Aufstellung von Feuerwehren in Gemeinden soll garantieren, dass die Eintreffzeit am Unfallort maximal die vorgeschriebenen zehn Minuten beträgt. „Eintreffzeit“, das ist der Zeitraum vom Alarmeingang bis zum Eintreffen des ersten Hilfszuges am Brandort. Das sei, so schildert es Christoph Zachow, Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbands, früher realistisch gewesen. Heute, wo viele Bewohner einer Gemeinde auswärts arbeiten, sei es oft schwer bis unmöglich, tagsüber eine einsatzfähige Rettungsmannschaft zusammenzustellen. Gebraucht werden dafür neun Feuerwehrleute, darunter Maschinist, Gruppenführer, Atemschutzgeräteträger oder Funker.

Um die notwendigen Kenntnisse zu haben, müssen pro Jahr 40 Aus- und Fortbildungsstunden abgeleistet werden, melden Wehren ihre Mitglieder bei Laufwettbewerben an, um die körperliche Fitness zu erhalten. Aber was nützt das, wenn die Floriansjünger zig Kilometer außerhalb zur Arbeit sind? „Wir sind manchmal froh, wenn wir die Tagesbereitschaft aufrechterhalten können“, schildert Jürgen Bleile, leitender Hauptbrandmeister und Kommandant der Feuerwehr Bad Krozingen, die Situation.

Viele Aufgaben: Bei der Freiwilligen Feuerwehr stehen neben dem Löschen und Retten zahlreiche Zusatzaufgaben an – alles im Ehrenamt.

Und: Die Lebenseinstellung hat sich geändert. Längst nicht alle, die bei der Feuerwehr sind, wollen den Großteil ihrer Freizeit dort verbringen. Was bedeutet, dass Übungen zwar im vorgeschriebenen Umfang stattfinden, von Routine aber kaum die Rede sein kann.

Da es nur in ganz seltenen Fällen hauptamtliche Beschäftigte gibt, ist auch die Wartung der Gerätschaften ein Problem, sodass es, wie bereits geschehen, passieren kann, dass bei einem Chemieunfall das einzusetzende Hilfsmittel, leider, abgelaufen war: Man hatte es schlicht jahrelang nicht gebraucht.

Zwischen Fußball-Derby und Lebensrettung

Eine Lösung könnten sogenannte „interkommunale Feuerwehrzentren“ bieten. Ein Beispiel ist der „Feuerwehrzweckverband südlicher Breisgau“, eine im Badischen einzigartige Einrichtung, in der sich Gemeinden wie Bad Krozingen, Münstertal oder Hartheim zusammengeschlossen haben. Hier nehmen hauptamtliche Mitarbeiter die Gerätewartung und Einsatzmittelkontrolle vor: „Da bringt ein Verbandsmitglied am Morgen ein Löschfahrzeug und am Nachmittag ist es komplett gewartet, zum Abholen bereit“, schildert Bleile eine Funktion des Verbandes.

Und dann ist da noch das Thema Tradition. Die sei wichtig, sagen Bleile und Zachow unisono mit Blick auf die Feuerwehrkapellen. Das sei nur ein Aspekt, sagen andere und erzählen, dass Mitglied der örtlichen Feuerwehr zu sein für viele tatsächlich Tradition sei – Familientradition. Die bedeute das Biertrinken unter Kameraden, Musikmachen, „feschteln“, aber weniger Löschen und Retten.

Zachow begründet dies mit den Zusatzaufgaben, die die Wehren gerade in kleinen Gemeinden übernehmen müssten, als „Notreserve“ des örtlichen Rathauschefs: Absperren beim Radrennen oder beim Fronleichnamszug, Musik beim Fußball-Derby, die Übung als Programmpunkt beim Dorffest. Hierdurch sähen viele ihren Anteil am Ehrenamt als erfüllt an und versuchten Prüfungen und Schulungen zu entgehen. Besser werde es durch die Jugendfeuerwehr: Die brächte einen neuen Geist in die Truppe.

Man will es hoffen, denn es wäre schade, wenn eine so alte, erfolgreiche und vor allem bürgernahe Institution ihren Aufgaben nicht oder nur noch partiell nachkommen könnte. Und eines ist klar: Die Sicherheit, die die flächendeckende freiwillige Feuerwehr bietet – trotz der geschilderten Probleme – ist durch eine Berufsfeuerwehr nicht zu erreichen. Denn das wäre schlicht nicht finanzierbar.

Fotos: © Pixabay/lukasbecker; Pixabay/fbhk