Kontrovers (13): Messerverbotszone am Stühlinger Kirchplatz Kontrovers | 19.06.2025 | Stefan Breiter und Lina Wiemer-Cialowicz

Der Stühlinger Kirchplatz wird zur Messerverbotszone. Angeordnet hat das der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn. Der Erlass soll das Sicherheitsgefühl im Park stärken und der Polizei Spielräume geben. Neben Rückendeckung gibt es auch Kritik an der Entscheidung, die keine Mehrheit im Gemeinderat benötigt.

In KONTROVERS argumentieren Freiburgs Bürgermeister Stefan Breiter, zuständig für die öffentliche Ordnung, und Stadträtin Lina Wiemer-Cialowicz von der Fraktion Eine Stadt für alle.

»Verbot schützt alle Menschen«

Warum die Maßnahme notwendig ist

Stefan Breiter, Bürgermeister

Stefan Breiter, Bürgermeister

In einer freiheitlichen und liberalen Gesellschaft, wie sie in Freiburg in den letzten Jahrzehnten gewachsen ist und sich daraus gesellschaftliche Strukturen gefestigt haben, bedarf es für den Aufenthalt auf öffentlichen Plätzen keiner Waffen und Messer. Mit der Einrichtung einer Messer- und Waffenverbotszone auf dem Stühlinger Kirchplatz bekennen wir uns klar zur Sicherheit und gegen das Mitführen von Messern und Waffen zur Ausübung von Gewalt und Straftaten. Ein solches Verbot schützt alle Menschen gleichermaßen und diskriminierungsfrei.

Viele der im sozio-kulturellen und integrativen Gesamtkonzept genannten präventiven Maßnahmen sind bereits in oder kurz vor der Umsetzung und sollen die bestmöglichen Bedingungen haben, um sich auch entwickeln und entfalten zu können. Alle Straf- und Gewalttaten gilt es mit den rechtsstaatlichen Mitteln zu verdrängen, damit diese wunderschöne innerstädtische Grünfläche wieder unbeeinträchtigt von Familien, Anwohnenden und Freizeit­suchenden für Sport und Bewegung, zum Picknicken oder einfach nur zum Erholen genutzt werden kann. 

Alle in der polizeilichen Kriminalitätsstatistik 2024 erfassten elf Fälle von Messereinsätzen sind potentielle Bedrohungen gegenüber Leib und Leben und gehören dort nicht hin. Kulturelle Vielfalt gehört im Stühlinger zum Lebensgefühl und Alltag, kann aber nicht dazu führen, dass eine kleine, von der Polizei eingrenzbare Gruppe sich mit Waffen und Messern auf den Stühlinger Kirchplatz begibt. Hier müssen wir die Polizei bestmöglich unterstützen, damit sie effizient und diskriminierungsfrei dort tätig werden kann.

Dass wir mit der Einrichtung der Waffen- und Messerverbotszone auf dem richtigen Weg sind, belegen die Erfahrungen in anderen Städten. In Heilbronn, dem sichersten Stadtkreis in Baden-Württemberg, wurde die Waffen- und Messerverbotszone vor wenigen Tagen um weitere zwei Jahre verlängert. Oder auch das vom Land angekündigte Verbot von Waffen und Messern im ÖPNV ist ein Signal, dass wir mehr Sicherheit gerade dort wollen und brauchen, wo Menschen auf engem Raum zusammentreffen. Hier bedarf es politischer Vorgaben und Richtungsentscheidungen sowie der passgenauen Umsetzung der uns zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mittel.

Die Wirkung dieser Verbotszone werden wir evaluieren und mit den Erfahrungen anderer Städte abgleichen.

»Symbolpolitik statt Lösung«

Verbotszone geht nicht an die Ursache von Gewalt

Lina Wiemer-Cialowicz, Stadträtin der Fraktion Eine Stadt für alle

Lina Wiemer-Cialowicz, Stadträtin der Fraktion Eine Stadt für alle

Die Fraktion Eine Stadt für alle lehnt die Entscheidung von OB Martin Horn ab, am Stühlinger Kirchplatz eine Messerverbotszone einzurichten. Wir halten eine punktuelle Verbotszone für eine populistische Maßnahme, die nicht an den eigentlichen Ursachen der Probleme ansetzt und stattdessen neue Risiken schafft.

Zwar hat sich die Situation vor Ort tatsächlich verschlechtert, doch statt repressiver Maßnahmen setzen wir auf das von uns initiierte sozial-integrative Gesamtkonzept. Dieses soll unter Beteiligung aller Nutzer·innen weiterentwickelt werden – der Fokus auf Teilhabe und Prävention darf nicht zugunsten von Verdrängung verloren gehen.

Eine punktuelle Verbotszone geht nicht an die Ursachen von Gewalt – wie Armut, Perspektivlosigkeit oder problematische Männlichkeitsbilder – und schafft neue Risiken wie Diskriminierung und willkürliche Polizeikontrollen. Weder Daten noch Beispiele aus anderen Städten belegen die Wirksamkeit solcher Maßnahmen. In Hamburg blieb trotz Messerverbotszone die Gewaltkriminalität nahezu unverändert, Leipzig schafft seine Verbotszone mangels Wirkung wieder ab. Zudem fehlt es der Polizei an Personal für zusätzliche Kontrollen. Erfahrungen aus Köln zeigen: Tausende Kontrollen führen zu wenigen Funden – ein Aufwand, der anderweitig besser eingesetzt wäre.

Im besten Fall verbessert sich kurzfristig subjektiv das Sicherheitsgefühl mancher Bürger·innen. Im schlimmsten Fall wird Kriminalität nur verdrängt und Diskriminierung nimmt zu. Wissenschaftliche Studien warnen zusätzlich auch vor langfristig negativen Effekten auf den Ruf eines Ortes und damit das Sicherheitsgefühl.

Anlasslose Kontrollen bergen die Gefahr von Racial Profiling. Erfahrungen aus anderen Städten zeigen, dass insbesondere junge Männer, die als migrantisch gelesen werden, unverhältnismäßig häufig kontrolliert werden. Das untergräbt Vertrauen in die Polizei und schafft Ausgrenzung. Eine solche Zone macht den Platz faktisch zur No-go-Area für bestimmte Gruppen.

Auch rechtsstaatlich ist die Maßnahme fragwürdig. In Halle wurde eine ähnliche Zone gerichtlich wieder aufgehoben – es fehlte an gesetzlicher Grundlage für anlasslose Kontrollen.

Wir fordern daher: Stärkung des sozial-integrativen Konzepts statt Symbolpolitik. Investitionen in Streetwork, Jugend- und Suchtberatung sowie städtebauliche Maßnahmen sind sinnvoller als repressive Verbote. Unser Ziel ist ein Platz für alle Menschen. Dies erreichen wir nicht durch Verbotsschilder und willkürliche Polizeikontrollen, sondern nur durch engagierte Präventionsarbeit und sozialpolitische Maßnahmen.

Fotos: tln; Patrick Seeger/Stadt Freiburg; Felix Groteloh