Kontrovers (9): Städtepartnerschaft zwischen Isfahan und Freiburg Kontrovers | 21.12.2022 | Martin Horn, Eva Ghazari-Arndt

Isfahan

Das Regime im Iran schlägt die Protestbewegung im Land mit tödlicher Gewalt nieder. Die Europäische Union will mit „harten Maßnahmen“ reagieren. In Freiburg wird darüber nachgedacht, die im Jahr 2000 eingetragene Städtepartnerschaft mit der iranischen Zwei-Millionen-Einwohner-Metropole Isfahan zu beenden. In der chilli-Rubrik KONTROvers argumentieren die in Teheran geborene Anwältin Eva Ghazari-Arndt und der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn für und wider.

»Kanäle offenlassen« 

Warum der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn für die Städtepartnerschaft mit Isfahan ist

Martin Horn

Martin Horn: „Den Hardlinern im Iran keinen Gefallen tun.“

Die Gewalt im Iran mit Menschenrechtsverletzungen, Diskriminierungen und Gewalt in unserer Partnerstadt Isfahan sind abscheulich und ich verurteile sie aufs Schärfste. Das habe ich meinem Amtskollegen und auch dem Deutschen Botschafter im Iran deutlich zum Ausdruck gebracht. Es macht uns alle fassungslos zu sehen, wie friedliche Demonstranten, die für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie auf die Straße gehen, mit staatlicher Gewalt  konfrontiert und verhaftet oder gar getötet werden.  

Während Menschen im Iran also mutig auf die Straße gehen für Menschenrechte, Freiheit und Demokratie und ihr Leben riskieren, diskutieren wir, ob wir die Partnerschaft mit Isfahan beenden oder auf Eis legen.   

Man kann diese Städtepartnerschaft natürlich kritisch sehen. Ich bin allerdings der Ansicht, dass wir die Städtepartnerschaft gerade in diesen Zeiten aufrechterhalten sollten. Ich glaube, der Sinn von Städtepartnerschaften ist, Menschen zusammenzubringen. Wir haben mit keiner anderen Stadt mehr Bürgerreisen gemacht als mit Isfahan in den vergangenen 20 Jahren und vom Kinderfestival über musikalischen Austausch bis zu einem gemeinsamen Fußballspiel mit dem SC-Freiburg auf verschiedenen Ebenen Veranstaltungen, Begegnungen und ein  Kennenlernen organisiert. Ganz ohne Diplomatie und ganz unpolitisch.

Wenn Zehntausende mutige Iranerinnen und Iraner nun auf die Straße gehen, soll-ten wir unsere Solidarität mit den friedlich Demonstrierenden zeigen. Es wäre fatal, wenn wir uns gerade jetzt von ihnen abwenden, gerade jetzt, wo sie uns am meisten brauchen.

Wenn wir nicht nur aus der Ferne kritisieren, sondern etwas vor Ort bewegen wollen, müssen wir doch die Kanäle offenlassen. Es wird viel zu wenig darüber gesprochen, wie wir tatsächlich den Menschen im Iran beziehungsweise in Isfahan helfen können.

Man kann diese Städtepartnerschaft in vielen Bereichen kritisieren, sicherlich auch zu Recht. Aber die Frage ist doch, was verändert sich durch die Beendigung dieser Partnerschaft? Genau nichts. Außer vielleicht, dass wir uns moralisch bestätigt fühlen. Aber wir reißen die in 20 Jahren aufgebauten Brücken zu den Menschen in Isfahan ein. Und die Frage ist, wer die danach wieder aufbaut. Ich glaube leider nicht, dass das funktionieren wird.

Einigen Hardlinern im Iran ist die Partnerschaft mit einer bunten und vielfältigen Stadt wie Freiburg sowieso ein Dorn im Auge. Sie sind womöglich diejenigen, denen wir den größten Gefallen tun, wenn wir die Städtepartnerschaft nun beenden.

»Totalitäres Regime«

Warum Eva Ghazari-Arndt für ein Ende der Städtepartnerschaft mit Isfahan ist

Eva Ghazari-Arndt

Eva Ghazari-Arndt: „Die Basidsch-Milizen morden Menschen.“

Isfahan ist eine Stadt im Zentral-Iran. Das Land wird seit der islamischen Revolution 1979 ganz offiziell Islamische Republik Iran genannt, weil es streng autoritär von Religionsführern regiert wird. Diese Religionsführer haben uneingeschränkte Macht und definieren und formen die Kultur und die Politik des Landes.

Der Iran kennt eine Staatsorganisation und eine Gewaltenteilung nicht. Von einer strengen Trennung und der gegenseitigen Kontrolle der Legislative, der Exekutive und der Judikative kann also nicht die Rede sein. Ebenso wenig gelten dort die Grundrechte, wie sie hier in der Bundesrepublik Deutschland im Grundgesetz verankert sind. Im Gegenteil, Korruption und Menschenrechtsverletzungen geschehen im Iran täglich und das nicht erst seit Beginn der aktuellen Proteste im September dieses Jahres.

Wenn von Menschenrechten die Rede ist, so ist ein Aspekt besonders wichtig. Die Menschenrechte sind universell. Das heißt, sie stehen jedem Menschen überall auf der Welt allein aufgrund des Menschseins zu und beinhalten Rechte wie etwa das Recht auf Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Informationsfreiheit, Recht auf körperliche Unversehrtheit und die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Diese und weitere Rechte werden von dem iranischen Regime regelmäßig verletzt. Der Iran ist damit ein theokratischer, totalitärer und autoritärer Staat und basiert allein auf islamischen Glaubensgrundsätzen. Insofern ist die Frage berechtigt, inwiefern solche politischen Strukturen eine Städtepartnerschaft mit demokratischen Staaten rechtfertigen.

Die Menschen im Iran werden aktuell von Basidsch-Milizen angegriffen und ermordet, weil sie von ihren Menschenrechten Gebrauch machen. Dabei werden Frauen, Männer und Kinder, also die Zivilbevölkerung, getötet. Insbesondere die Lage der Frauen im Iran ist von Diskriminierung geprägt. Das Internet wird regelmäßig abgeschaltet, gedrosselt und gefiltert, damit kein Austausch stattfindet.

Dass der Austausch im Rahmen einer Städtepartnerschaft auf kommunaler Ebene erfolgt und daher nach Ansicht mancher die Verbindung zum Regime fehlt, ist zu kurz gedacht, da der Iran eine Trennung der Staatsgewalt nicht kennt. Auch dass eine Städtepartnerschaft primär den Bürgern zugutekommt, ist nicht zwangsläufig richtig, da die Verträge mit den jeweiligen Organen des Regimes geschlossen werden und hier oft eigene politische und wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen.

Eine Städtepartnerschaft zu einer Stadt in einem totalitären Regime darf es daher nicht geben. Es ist richtig, die Städtepartnerschaft zwischen Freiburg und Isfahan zu beenden.

Fotos: © pixabay; Partick  Seeger, privat