Kontrovers (13): SUVs in der Stadt Kontrovers | 18.03.2024 | Till Neumann und Lars Bargmann

Freiburg Brücke mit Fahrrädern

Eine Gruppe SUV-Gegner hat Mitte Februar in Freiburg bei mindestens 70 SUVs nachts die Luft rausgelassen. Die Polizei ermittelt gegen das selbsternannte Anti-Luxus-­Kollektiv, die Auto-Besitzer·innen sind erbost. Die chilli-Redaktion ist geteilter ­Meinung über die Tat und ihren Hintergrund. Ein Pro und Contra. 

Ausdruck von Ignoranz

Warum SUVs in Städten ein Problem sind

Till Neumann

Hält SUVs in Städten für ein Problem: chilli-Redakteur Till Neumanm

SUVs in Städten sind kein Problem. Sagen SUV-Fahrer·innen. Sie sind entsetzt, dass Aktivist·innen die Luft aus ihren Reifen lassen. Nicht nur in Freiburg. Die Gruppe The Tyre Extinguishers (Die Reifenlöscher) steht auch hinter Aktionen in Berlin, London, Melbourne oder Toulouse. Auf X schreiben sie: „Wir werden es unmöglich machen, in den Städten der Welt einen SUV zu besitzen. Für Klima, Gesundheit, öffentliche Sicherheit.“

Warum richtet sich ihre Wut gegen diese Autos? Ein Blick auf die Zahlen hilft weiter: Rund jeder dritte Neuwagen in Deutschland ist ein SUV. Europaweit sind es sogar noch mehr. In Freiburg jeder fünfte. Sind solche Fahrzeuge unnötig? Jein. Wer damit durch unwegige Gebiete kommen muss, braucht das möglicherweise. In überlaufenen Großstädten wie Freiburg sind SUVs jedoch fehl am Platz. Zu groß, zu schwer, zu durstig. Warum? Deren Besitzer·innen sitzen oft alleine in ihrem Luxus-Wagen. Ein Range Rover ist beispielsweise etwa fünf Meter lang und rund zwei Tonnen schwer. 

Alleine so einen Riesen durch die Stadt zu bewegen, muss das sein? Nein, sagen Aktivistin·innen. Aber auch viele Bürger·innen, die sich Gedanken machen, wie sie nachhaltig mobil sein können. SUVs sind für sie ein Ausdruck von Ignoranz in Sachen Klima und Platzverteilung. 

Sicher: Aus Reifen die Luft zu lassen, ist heftig. Mit Blick auf die Klimakatastrophe sind solche Aktionen aber auch nachvollziehbar. Dass es dramatisch um die Erde bestellt ist, sollte so ziemlich jeder verstanden haben. Dass SUVs dennoch boomen, macht auch mich sprachlos.

Paris hat seine Parkgebühren für SUVs durch einen Bürgerentscheid kürzlich verdreifacht. Statt 6 Euro zahlen Touristen ab dem 1. September 18 Euro pro Stunde. Die Deutsche Umwelthilfe hat im Februar die Petition „Keine Monster-SUV in meiner Stadt!“ gestartet. Mit denselben Argumenten wie die Reifenlöscher. Sie fordert unter anderem ein SUV-Parkverbot in Innenstädten und den Stopp ihrer Entwicklung. Das ist radikaler, als Luft aus Reifen zu lassen.

Dass SUV-Fahrer·innen auf andere große Fahrzeuge zeigen, überzeugt nur bedingt. Klar brauchen auch die Platz und Sprit. Selbst mit wenig Rücksicht auf Um- und Nachwelt durch die City zu cruisen, macht das nicht besser.

Hirnloses Eigentor

Anti-Luxus-Kollektiv sucht Beifall  

Lars Bargmann

Findet die Aktion hirnlos und kriminell:

chilli-Chefredakteur Lars Bargmann

„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Für den vor genau 300 Jahre geborenen Philosophen Immanuel Kant war das der Leitspruch der Aufklärung. Für die Freiburger Aktivisten des sogenannten Anti-Luxus-Kollektivs ist das aber offenbar zu anstrengend. Sie haben unlängst in einer Nacht aus 150 SUVs in Freiburg die Luft rausgelassen. Um gegen die „Ungleichverteilung und Umweltzerstörung“ zu protestieren. Das ist ebenso hirnlos wie kriminell. Und es darf auch noch ein Eigentor bejubelt werden.

„Mit dieser Aktion will das Anti Luxus Kollektiv zeigen, dass Tatenlosigkeit Konsequenzen hat.“ Natürlich hat das Kollektiv nach dem nächtlichen Chaoten-Auftritt noch die Kraft gehabt, aufmerksamkeitsheischend eine Pressemitteilung zu verschicken. Wie es Lena und Hannes tags drauf wohl gegangen wäre, wenn wegen der Aktion jemand verletzt worden wäre?

SUVs sind das neue Hassobjekt. Die ­Pariser Stadtverwaltung hatte Anfang Februar beschlossen, die Parktarife für sie zu verdreifachen. Für Touristen. Sechs Prozent der Bürger fanden das so spannend, dass sie bei einer Bürgerumfrage mitgemacht hatten. Ein Audi A6 Kombi ist 4,95 Meter lang, 1,90 breit und 1,47 hoch. Kein SUV. Ein Range Rover Velar ist 4,80 lang, 1,93 breit und 1,67 hoch. Ein SUV. Der A6 parkt in Paris für 3 Euro, der Range für 18 Euro die Stunde. Das macht Sinn. Vor allem für die Umwelt. Schließlich behindert der Velar ja noch den Luftraum, weil er 20 Zentimeter höher als der A6 ist.

Im Ernst: Mit solchen Aktionen schaden die Luxus-Aktivisten dem Thema Klimaschutz mehr als dass sie ihm helfen. Die Energiewende gelingt nicht ohne Rückhalt in der Bevölkerung in Deutschland (Anteil am weltweiten CO₂-Ausstoß: zwei Prozent). Das zeigen nicht nur die vielen Rangeleien um neue Wind­räder. Der Verzicht auf jeden Flug, auf jede Kreuzfahrt, ja auf einen Hund bringt mehr als der Umstieg von einem Range Rover auf einen Audi. SUV zu „entwaffnen“, wie das Kollektiv die Aktion nennt, ist beim Klimaschutz etwa so hilfreich wie Homöopathie bei einem Beinbruch. Ein bisschen mehr Verstand wäre nicht (klima-)schädlich.

Fotos: © iStock.com/Endrik Baublies, Panoramique  Pix, Neithard Schleier