Kontrovers (3): Anwohnerparkgebühren Kontrovers | 25.04.2021 | Ingrid Marienthal, Hans Lehmann

Kontrovers

Bislang kostet ein Anwohnerparkausweis in Freiburg 30 Euro im Jahr. Doch bald sollen die Gebühren um das Zwölffache steigen, auf etwa 30 Euro pro Monat. Am kommenden Dienstag entscheidet darüber der Gemeinderat. Schon vorab gab es heftige Diskussionen über Sinn und Zweck der drastischen Erhöhung.

Parken war kostenlos

Warum Ingrid Marienthal vom Fuß- und Radentscheid für eine drastische Erhöhung der Anwohnerparkgebühren ist.

Ingrid Marienthal

Ingrid Marienthal: Die Grundschullehrerin engagiert sich bei der Initiative Fuß- und Radentscheid Freiburg.

Wir brauchen die Verkehrswende, um unsere Stadt sicher und attraktiv für alle Menschen zu machen und um die Klimaziele zu erreichen. Platz- und emmissionssparende Fortbewegungsarten müssen ausgebaut werden. Dafür müssen die öffentlichen Verkehrsflächen umverteilt werden, denn in vielen Straßen Freiburgs ist nicht genügend Platz für sicheren und komfortablen Fuß- und Radverkehr,  vor allem wegen der zahlreichen geparkten Autos.

In diesem Jahr schafft der Gesetzgeber die Möglichkeit, dass endlich das Anwohnerparken bepreist wird. Die bisher jährlich fälligen 30 Euro waren nur eine Verwaltungsgebühr für das Ausstellen des Parkausweises, das Parken an sich war bisher kostenlos!

Viele Gehwege in der Stadt sind ursprünglich mit ausreichender Breite angelegt worden. Allerdings hat es sich eingebürgert, dass diese von stehenden Kfz als Abstellfläche missbraucht werden. Teilweise findet diese Zweckentfremdung illegal statt und teilweise wurden auf den Gehwegen Parkplätze markiert. Grund für diese Umverteilung des öffentlichen Raums auf Kosten des Fußverkehrs: „Parkdruck“.

Dieser „Parkdruck“ ist kein Naturgesetz, sondern das Ergebnis einer autozentrierten (Verkehrs-)Politik. Vor 30 Jahren gab es in Freiburg zirka 80.000 Autos. Seitdem sind in der Stadt und den Umlandgemeinden noch einmal mehr als 80.000 hinzugekommen. Der öffentliche Straßenraum ist aber, zumindest in der Kernstadt, nicht weiter gewachsen und wird auch nicht wachsen können.

Die allermeisten Wohnungen in Freiburg haben aufgrund der bereits 1939 erlassenen Reichsgaragenordnung eigentlich einen privaten Stellplatz zur Verfügung. Allerdings werden diese Stellplätze oftmals zweckentfremdet und das eigene Auto wird auf der Straße abgestellt.

Gleichzeitig müssen viele Freiburger·innen ohne eigenes Auto einen Stellplatz bezahlen, obwohl sie kein Auto besitzen und ihre täglichen Wege zu Fuß oder mit dem Fahrrad auf voll geparkten Gehwegen oder zu schmalen Radstreifen zurücklegen. Untervermieten können sie ihren teuren Stellplatz häufig leider auch nicht, weil viele ihren Pkw lieber gratis auf die Straße stellen.

Überall in der Stadt stehen Parkplätze dem Ausbau sicherer Fuß- und Radverkehrsinfrastruktur im Wege. Kreuz und quer parkende Pkw blockieren die Rettungswege und verhindern eine Sichtbeziehung zwischen den Verkehrteilnehmer·innen. Die Carsharing-Anbieter zahlen in Freiburg abhängig vom Stadtgebiet 30 bis 35 Euro pro Monat. Der private Stellplatz darf nicht weniger kosten als das ökologisch sinnvollere Carsharing!

Selten so viele Anrufe

Warum Hans Lehmann vom Bürgerverein Oberwiehre-Waldsee gegen eine drastische Erhöhung der parkgebühren ist.

Hans Lehmann

Hans Lehmann: Seit dem 10. März 2015 Vorsitzender des Bürgervereins Oberwiehre-Waldsee.

Selten haben wir vom Bürgerverein Oberwiehre-Waldsee, in diesem Falle ich als Vorsitzender persönlich, so viele Anrufe erhalten, wie nach dem Erscheinen der BZ-Meldung über die geplante Kostenerhöhung für das Anwohner·innenparken in Freiburg. Die Mehrzahl der Anrufenden waren alleinerziehende Frauen, die durchweg eine soziale Ungerechtigkeit anklagten. Einheitlicher Tenor: „Wir benötigen unser Fahrzeug zur Versorgung unserer Kinder und nicht, um mit unseren übergroßen SUV die Straßen zuzustellen.“

Grundsätzlich gibt es in der Vorstandschaft des Bürgervereins keine einheitliche Meinung zu den geplanten Gebührenerhöhungen, denn auch in unserem Vorstand spiegelt sich das Meinungsbild des Bevölkerungsquerschnitts wider. Einig wurden wir uns in Vorgesprächen darüber, dass gegen eine Erhöhung der derzeitigen Gebühren von 30 Euro im Jahr keine Einwände bestehen. Wir sind jedoch allergisch gegen die allgemein einziehende Gleichmacherei, deren Begründung oft die Gerechtigkeit gegenüber allen ist, die sich jedoch bei genauer Betrachtung ins Gegenteil verkehrt.

Für eine „gerechte“ Erhöhung müssten erst die „richtigen“ Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Gerechtigkeit zuließen. Davon war jedoch bisher wenig zu hören und zu lesen.

Bleibt es bei den bestehenden Rahmenbedingungen, kann sogar von einem Schildbürgerstreich gesprochen werden, denn ausgenommen der wenigen ausgewiesenen Parkzonen 1 sind Parkgebühren in den Zonen 2 und 3 von 9 bis 19 Uhr zu entrichten. Das bedeutet, in diesen Zonen ist ab 19 Uhr und am Wochenende kostenloses Parken für alle angesagt. Anwohner, die tagsüber zur Arbeit fahren (müssen), räumen ihren Parkplatz und benötigen ihn abends wieder. Dann sind jedoch die Parkplätze in den dicht besiedelten Wohngebieten von Ortsfremden belegt und es gibt keinen Parkplatz mehr für die echten Anwohner. Das bedeutet, wenn schon eine Gebühr – gleich welcher Höhe –, dann rund um die Uhr!

Neben persönlichen Komponenten – wer zum Beispiel mehr Parkplatz verbraucht als ein Standard-Pkw, sollte auch mehr bezahlen –, sollte auch an eine Ausweitung der zu bezahlenden Parkflächen in andere städtische Gebiete gedacht werden. Denn „Gebührengerechtigkeit“ beschränkt sich nicht auf einige wenige Stadtteile.

Die Forderung, die Anwohnerparkgebühren nicht zum Ausgleich der desolaten Haushaltslage zu verwenden, sondern diese gezielt für klimaschützende Maßnahmen einzusetzen, hat der Bürgerverein Oberwiehre-Waldsee schon des Öfteren erhoben!

Fotos: © iStock.com/ JaruekChairak,  Detailfoto, Fuß-und Radentscheid, privat