Kontrovers (11): Boombox-Verbot in Freiburg Kontrovers | 09.06.2023 | Stefan Schillinger und Seren Haliloğlu

Partymenschen draußen nachts

Viele Anwohner atmen auf, zahlreiche Nachtschwärmer sind empört: Per Satzung hat Freiburgs Gemeinderat Boomboxen und Instrumente in den Parks zwischen 23 Uhr und 6 Uhr verboten. In der chilli-Rubrik KONTROvers argumentieren Stefan Schillinger, Stadtrat der SPD-Kulturliste aus dem Stadtteil Mooswald, und Seren Haliloğlu (Jusos) vom Ring Politischer Jugend Freiburg für und wider.

Sinnvolles Gesamtpaket

Warum das MusikVerbot in Freiburgs Parks sinnvoll ist

Stefan Schillinger

Hat Lärm vor der Haustür: Stefan Schillinger wohnt am Freiburger Seepark.

Das Problem ist seit Jahren bekannt und hat stetig zugenommen: Anwohnende des Seeparks, wo ich zu Hause bin, können auch morgens um drei Uhr nicht schlafen. Hauptursache: Laut wummernde Bluetooth-Boxen oder wahlweise Percussion-Gruppen, die in frühen Morgenstunden meinen, ihre kulturelle Selbstverwirklichung ausleben zu müssen. Das geht auf Kosten der Gesundheit von Menschen, denn Lärm kann krank machen!

Dies sehen nicht nur Anwohner·innen so. Auch junge Menschen, die Parks nutzen, und das ist selbstredend vollkommen in Ordnung – Parks gehören schließlich allen –, beschweren sich über Gruppen, die sich mit anderen um die Musikhoheit batteln. Während genervte Besucher·innen nach Hause gehen können, wenn die Stimmung aggressiver wird, haben Anwohner·innen diese Möglichkeit nicht.

Die Rufe nach einem Einschreiten sind stets verhallt. Als wenig hilfreich haben sich die Formulierungen in der Polizeiverordnung erwiesen. Nach dieser dürfen „Rundfunkgeräte, Musikinstrumente, Lautsprecher etc. nur in solcher Lautstärke betrieben oder gespielt werden, dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt oder gestört werden“. Aber was ist eine „erhebliche Belästigung oder Störung“? Und wie bringt man den Beweis? Berichte zeigen: Kamen Beamte, wurde die Lautstärke gedrosselt, gingen sie, wurde wieder aufgedreht. Deswegen ist das Verbot von Boxen und Musikinstrumenten ab 23 Uhr richtig.

Um es ganz offen zu sagen: Weshalb das Verbot zum Beispiel im gesamten Dietenbachpark gelten soll, ist auch mir nicht klar. Aber: Wo es keine Anwohnenden gibt, wird es auch keine Beschwerden geben, folglich wird auch kein Vollzugsdienst kommen, um etwa Boxen einzusammeln.

Was manche vergessen: Das Verbot ist Teil eines Gesamtkonzeptes, die präventiven Ansätze überwiegen. Nachtmediator·innen versuchen, für Verständnis und gegenseitige Rücksichtnahme zu werben. Eine klare Uhrzeit zu nennen, ist für sie einfacher als zu sagen: „Macht mal bitte leiser.“ Und man sollte die Hoffnung nicht verlieren, dass diese konkrete Uhrzeit auf Schildern geschrieben Nutzende auf ein Problem hinweist, das man in Feierlaune nicht immer so ganz auf dem Schirm hat: Es gibt noch andere außer mir und Grundregeln des Miteinanders.

Nicht vergessen werden sollte: Die Stadt nimmt viel Geld in die Hand, um Parks aufzuwerten: Den Eschholzpark, den Stühlinger Kirchplatz, die Rave-Fläche im Dietenbachpark und auch die Kulturstraßenbahn kommt. Boxenverbot, Prävention und mehr Angebote: ein sinnvolles Gesamtpaket!

Mediation statt Repression

Wieso das Freiburger Musik-Verbot zu kurz gedacht ist

Seren Haliloğlu

Wo bleibt die Solidarisierung? Seren Haliloğlu vom Ring Politischer Jugend Freiburg

Haben Sie mitbekommen, dass es in den Parks Freiburgs nun verboten ist, nach 23 Uhr Gitarre zu spielen? Oder eine Bluetooth-Box (unabhängig der Lautstärke) zu betreiben? Dies beschloss der Gemeinderat in haarsträubendem Tempo in der neuen Parkanlagensatzung mit Wirkung zum 26. Mai 2023: Nach einer lediglich fünf Tage vor der Gemeinderatssitzung veröffentlichten Satzung (Veröffentlichung am 11. Mai, Gemeinderatssitzung am 16. Mai) beschloss der Gemeinderat in Paragraf 7 Absatz 2 ein pauschales Verbot jeglicher musikalischer Betätigung zwischen 23 und 6 Uhr in Freiburgs beliebtesten Parkanlagen.

Ach, toll: endlich wieder Ruhe in der Stadt! Aber hat das noch etwas mit Freiburgs angeblich so großem Einstehen für Freiheit, Diversität und Toleranz zu tun? Aus der Perspektive junger Menschen wohl kaum. Innerhalb von drei Tagen sammelte der Ring politischer Jugend Freiburg (RPJ), der Zusammenschluss der großen demokratischen Jungparteien, mehr als 3000 Unterschriften gegen dieses pauschale Verbot.

Er forderte eine differenzierte Betrachtung der Situation und wehrte sich gegen die Pauschalität und Undifferenziertheit des Satzungsentwurfs. Und das zu Recht: Immer wieder werden Nutzungskonflikte zulasten Jugendlicher und junger Erwachsener zugunsten von Bewohner·innen entschieden. Dabei wird die Perspektive junger Menschen häufig gar nicht oder nur am Rande gehört. So auch hier: Nicht einmal eine Behandlung im Jugendhilfeausschuss fand statt.

Mediation statt Repression wäre hier sinnvoll: Warum sollen die Nachtmediator·innen nur bis 23 Uhr unterwegs sein, wenn das pauschale Verbot noch gar nicht greift? Wieso konnten die Präventionsmaßnahmen nicht erst im Sommer 2023 ausgetestet werden, bevor allen Freiräume genommen werden?

Gerade für junge Menschen ist Wohnraum sehr knapp und ziemlich kostspielig. Dabei bieten Grünanlagen kostenlose und konsumzwangbefreite Flächen, die zur eigenen Entfaltung und – ja, auch zum Feiern dienen. Mindestens hätten daher bestimmte Verbotsflächen, die besonders von Ruhestörungen betroffen sind, ausgewiesen werden müssen. Das Verbot sendet ein eindeutiges Signal an junge Menschen: Sie stören, sind zu laut und werden vorverurteilt. Am besten bleiben Sie einfach in ihren 10-Quadratmeter-Zimmern sitzen!

Junge Menschen haben sich während der Corona-Pandemie zurückgehalten, ihre Freiräume und sozialen Kontakte aufgegeben. Liebe Generationen über uns: Wo bleibt eure Solidarisierung?

Fotos: freepik.com; privat