Kontrovers (12): Das läuten der Glocken der Martinskirche in Freiburg-Hochdorf Kontrovers | 21.02.2024 | Michael Boesen und Katja Birmelin

Martinskirche

Freiburg-Hochdorf ist uneins: Sollen die Glocken der Martinskirche schon morgens um 6 Uhr läuten? Die einen sagen: Der Lärm stört und vertreibt sogar ­Hotelgäste. Die anderen finden: Die gute alte Tradition sollte gewahrt bleiben.21Das Läuten gehört zum Dorf wie das Münster zur Stadt. In der chilli-Serie KONTROvers bringen zwei Hochdorfer·innen ihre Meinung auf den Punkt. Katja Birmelin, die nur acht Häuser von der Kirche entfernt wohnt. Und Michael Boesen, Betreiber des Hotels Hirschen direkt neben der katholischen Kirche.

»Wer braucht das Geläute noch?«

Warum die Glocken später klingen sollten

Michael Boesen, Hotelier

Sorgt sich um seine Gäste: Hotelier Michael Boesen aus Freiburg-Hochdorf

Erst einmal finde ich es gut, dass Pfarrer Kofler modern denkt und die Uhr auf 7 Uhr bis 22 Uhr gestellt hat. Sein Gedanke für ein besseres Miteinander in Hochdorf wird so verwirklicht. Wer braucht das Geläute eigentlich noch in der heutigen digitalen Zeit, wo fast jeder ein Handy besitzt? Wenn es nach mir gehen würde, wäre es vollkommen ausreichend, wenn die Kirchenglocken ab 8 Uhr oder 9 Uhr läuten würden. Aber ich denke, das ist ein Wunschgedanke.

Der wo sagt, die Tradition sollte erhalten bleiben mit dem Läuten ab 6 Uhr, der würde anders denken, wenn er an meiner Stelle wäre. Ich betreibe das Hotel Hirschen und bekomme immer wieder Kommentare der Gäste, die sagen, sie würden gerne wiederkommen zu uns. Aber das Kirchengeläute so früh sei nicht schön. Vor allem, wenn man frühmorgens aus dem Schlaf gerissen wird.

Solche Kommentare schreiben auch Gäste auf verschiedene Portale als Negativ-Bewertung zu den lauten Kirchenglocken. Weniger Gäste bedeuten für uns weniger Gewinn. Und die Kirche hat ja dadurch dann auch weniger mögliche Besucherinnen und Besucher.

In der heutigen Zeit, wo alles in den digitalen Medien erscheint, schrecken solche Bewertungen schon etliche Menschen ab, bei mir ein Zimmer zu buchen. Die, die für die Tradition des frühmorgendlichen Läutens sind, wohnen ja nicht direkt neben der Kirche.

Wenn man die Öffnungen am Kirchturm sieht, wird klar, warum wir direkt betroffen sind: Sie leiten den Schall der Glocken direkt nach unten, wo das Hotel steht. Besonders auch das tägliche Läuten um 19 Uhr ist heftig: Die Lautstärke macht eine Unterhaltung im Garten und auf der Terrasse unmöglich. Wenn wir selbst so laut wären, würden wir sicherlich eine Klage bekommen wegen Ruhestörung.

Tradition hin und her. Ich wünsche mir, dass das Denken derer, die an der Tradition festhalten wollen, etwas moderner wird. Würde sich das der heutigen Zeit etwas anpassen, hätten wir die ganze Diskussion nicht – dafür und dagegen.

»Ein Stück Geschichte geht verloren«

Warum ein Läuten um 6 Uhr wichtig ist für Hochdorf

Katja Birmelin

Will Tradition bewahren: Die Hochdorferin Katja Birmelin mag das frühe Glockenläuten.

Heiliger Bimbam! Da hat doch in Hochdorf der Blitz eingeschlagen! Und ohne zu fragen, wurde an der Kirchen-Uhr gedreht. Jetzt schlägt es „eine“ Stunde zu spät!

Für völlige Verwirrtheit sorgte das bei jedem, der seit Jahrzehnten mit dem 6:00-Uhr-Geläut aus dem Bett gesprungen ist. Ja, warum läutet es jetzt plötzlich erst um 7:00 Uhr? Hat sich da die Work-Life-Balance auch in die Kirchturm­uhr eingeschlichen?

Warum werden Traditionen einfach geändert? Das frage ich mich als Hochdorferin. Es gibt Rituale, die eine Verbundenheit zur Heimat ausmachen. Viele orientieren sich am morgendlichen Geläut. Mit jeder abgeschafften Tradition geht ein Stück Geschichte verloren. Und das Läuten ist Teil unserer tausendjährigen Geschichte.

Ich bin stolz, ein Dorfkind aus Hochdorf zu sein. Ich lebe seit 56 Jahren hier, ein paar Häuser entfernt vom Glockenturm. Für mich ist Heimat eben auch der unverwechselbare Klang der Kirchenglocken.

Viele Befürworter des 6:00-Uhr-Geläuts wurden gar nicht erst gefragt. Doch gerade langjährige Einwohner wünschen das „frühe“ Glockengeläut zurück. Bei einer närrischen Veranstaltung in unserem Dorf, mit der Aufführung „Heiliger Bimbam“, konnte man am lauten Beifall deutlich erkennen, dass auch hier die Mehrheit für das 6:00-Uhr-Geläut ist. Muss man nicht jedem Zeitgeist hinterherlaufen.

Schon vor über 10 Jahren wurde im Sinne des Hoteliers vom Gasthaus Hirschen das nächtliche Schlagen der Kirchenuhr abgeschafft. Verständlich, dass Gäste sich daran störten. Sollen die Hochdorfer Kirchenglocken irgendwann ganz verstummen? Hotelgäste kommen, Hotelgäste gehen, aber der Hochdorfer bleibt!

Da ist der seit Jahren zunehmende Lärm der Autobahn A5 viel schlimmer! Und zwar  Tag und Nacht. Nachts meint man, die LKW fahren durchs Schlafzimmer. Daran sollte man was ändern, denn das hat keine Tradition.

In diesem Sinne bin ich für das frühe Gebimmel. Lassen wir die Kirche im Dorf. Es ist doch schön, auf diesem Hochdorfer Fleckchen Erde zu wohnen, wo die Gemeinschaft noch großgeschrieben wird.

Fotos: © privat