Kontrovers (8): Aus für Fleisch im Schulessen Kontrovers | 25.11.2022 | Vanessa Carboni, Gerlinde Schrempp

Mensa Essen mit Fleisch

Ab dem kommenden Schuljahr bekommen Kinder und Jugendliche in Freiburgs städtischen Kitas und Grundschulen nur noch vegetarisches Essen auf den Teller. Die Entscheidung des Gemeinderats wurde hochgekocht bis in die nationale Presse. In der chilli-Rubrik KONTROvers argumentieren Freiburger Entscheidungsträgerinnen für und wider.

»Preis im Rahmen halten« 

Warum Stadträtin Vanessa Carboni (Grüne) ein vegetarisches Mittagessen an Freiburger Kitas und Grundschulen unterstützt

Vanessa Carboni

„Einfacher, qualitativer, klimafreundlicher“: Vanessa Carboni

„Essen ist Genuss und man verbindet Erinnerungen daran: Omas Apfelstrudel duftet, die Pasta von Mama ist unverkennbar! Gefühle, Gerüche, Genuss, am besten noch qualitativ und ökologisch, viele Wünsche, die auch in der Gemeinschaftsverpflegung legitim sind. Mit dem neuen Modell für Freiburg decken wir vieles davon ab!

Gemeinschaft: Bei einer Reduzierung auf eine Menülinie liegt die größte Schnittmenge bei aller Vielfalt in der Stadt beim vegetarischen Essen. Das schließt niemanden aktiv aus und alle können gemeinsam zusammen essen.

Gesünder: Studien zeigen, dass sich Kinder immer ungesünder ernähren. Sie essen zu viele Fleischprodukte und Zucker und zu wenig Gemüse und Obst. Das Argument, Kindern fehlten wichtige Nährstoffe ohne zusätzliches Fleisch in Kita und Schule, hinkt daher sowohl wissenschaftlich als auch faktisch: Denn es geht gerade einmal um fünf von circa 21 festen Mahlzeiten in der Woche. Hier sollten wir die Defizite der Kinder durch mehr Vitamine besser ausgleichen!

Qualitativer: In Kitas und Schulen kam leider immer noch Billig-Fleisch aus Massentierhaltung auf die Teller. Durch ein vegetarisches Angebot schaffen wir es auch in Zeiten von Inflation, den Preis im Rahmen zu halten und zugleich in eine bessere Qualität zu investieren. Und wo sollte uns Qualität wichtiger sein als bei unseren Kindern? Ich bin daher sehr froh, dass wir nun im ersten Schritt den Bio-Anteil auf 30 Prozent erhöhen.

Klimafreundlicher: Die Klimakrise ist spürbarer denn je. Unsere Kinder wissen das, gehen für mehr Klimaschutz freitags auf die Straße und fordern zu Recht Veränderungen ein. Durch ein rein vegetarisches Angebot sparen wir eine Menge CO2. Kein Wunder, dass sich immer mehr Eltern und Kinder in Freiburg ein Mittagessen ohne Fleisch wünschen.

Einfacher: Auch als Pädagogin befürworte ich die Umstellung auf eine Menülinie, denn es wird für alle einfacher. Für Eltern, da es keine wöchentlichen Vorbestellungen mehr gibt, sondern ein Abosystem – und damit keine Kinder, die ohne Essen dastehen, weil im üblichen Trubel die Bestellung mal vergessen wurde. Für Kitas, Schulen, Caterer und Stadtverwaltung, da bürokratischer Aufwand wegfällt. Der Anstieg der Kosten kann dadurch für alle im Rahmen gehalten werden. Ein wichtiger Aspekt in Zeiten von Energiekrise und kommunalen Finanzlöchern. Ob Apfelstrudel oder Pasta – am Ende soll es Kindern schmecken. Gleichzeitig wird es nun einfacher, qualitativer und klima-freundlicher – ein Win-Win für alle!“

»Idiologisch Motiviert«

Warum Stadträtin Gerlinde Schrempp (Freie Wähler) dagegen ist, Fleisch vom Speiseplan von Kitas und Grundschulen zu streichen

Gerlinde Schrempp

Plädiert für Fleisch auf dem Speiseplan: Stadträtin Gerlinde Schrempp

„Kein Zweifel kann daran bestehen, dass es unsere gemeinsame Aufgabe sein muss, unseren Kindern den Weg zu einer guten Ernährung zu ebnen. Dies aber durch Verbote und Vorschriften erreichen zu wollen, ist der falsche Weg und zeugt von einem – für uns – nicht akzeptablen Politikverständnis. Wie auch in der Klimapolitik sollte der Schwerpunkt hin zu einem veränderten Verhalten in der Unterbreitung eines besseren Angebotes sein. Dies gilt zum Beispiel für einen attraktiven ÖPNV genauso wie auch für das Schulessen.

Die Argumente der Verwaltung und einer vor allem ideologisch motivierten Mehrheit im Gemeinderat sind zudem auch falsch. Unser Schulessen ist bereits jetzt deutlich teurer als in vergleichbaren Städten. Die Erhöhung der Quote für Bio-Lebensmittel von bisher 20 Prozent auf 30 Prozent wird zu einer weiteren Verteuerung führen. Daher ist es nicht nachvollziehbar, weshalb ein nichtvegetarisches Essen teurer sein soll als ein Essensangebot ohne Fleisch oder Fisch.

Die Fraktion der Freien Wähler hatte beantragt, grundsätzlich ein vegetarisches Essen anzubieten, jedoch die Möglichkeit einzuräumen, auch ein Menü mit Fleisch oder Fisch bestellen zu können. Die Abwicklung sollte direkt über den jeweiligen Caterer erfolgen, also ohne Mehraufwand für die Verwaltung. Andere Städte machen dies seit Jahren vor. Auch der Gesamtelternbeirat und die Schülerunion haben die Entscheidung des Gemeinderates unüberhörbar kritisiert. Wirklich gehört wurden sie mit ihren Argumenten vor der Entscheidung der Verwaltung nicht.

Teilhabe geht anders und wurde auch anders versprochen. So wird das eigentlich wünschenswerte Ziel, die Zahl der am Mittagessen teilnehmenden Kinder zu erhöhen, nicht erreicht werden. Vegetarisches Essen lässt sich nicht zwangsverordnen. Die Kinder, Schülerinnen und Schüler werden, wie zum Beispiel die sogenannte „Fressmeile“ in der Elsässer Straße rund um den Wentzinger Campus bereits jetzt zeigt, auf Fastfood ausweichen, oder eben ihre Portion Fleisch am Abend konsumieren. CO2, wie von der Verwaltung behauptet, wird also sicherlich nicht eingespart werden.

Die Verwaltung und der Gemeinderat haben sich also einen Bärendienst erwiesen, wenn es darum geht, den Schülerinnen und Schülern das Mittagessen in Kitas und Schulen schmackhaft zu machen. Eine deutlich vertane Chance, verursacht durch ideologische Scheuklappen und ein seltsam anmutendes Demokratieverständnis.“

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