Kontrovers (4): Platz der Alten Synagoge Kontrovers | 25.06.2021 | Michael Moos und Sylvia Schliebe

Platz der Alten Synagoge in Freiburg

Um den Platz der Alten Synagoge gibt es in Freiburg immer wieder Streit. Zuletzt Mitte Mai nach einer Demo der Gruppe „Palästina spricht“. Irina Katz, Vorsitzende der Israelitischen Gemeinde Freiburg, forderte hernach, den ganzen Platz zur Gedenkstätte zu erklären, womit keinerlei Kundgebungen mehr erlaubt wären.Das geht anderen viel zu weit. In unserer Rubrik „KONTROvers“ argumentieren jeweils Protagonisten für und wider. 

„Kritik muss möglich sein

Warum Stadtrat Michael Moos gegen eine eingeschränkte Nutzung auf dem Platz der Alten Synagoge ist.

Michael Moos

Michael Moos: Stadtrat und Vorsitzender der Fraktion „Eine Stadt für Alle“ im Gemeinderat

„Bürgermeister Ulrich von Kirchbach hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Stadt die Möglichkeit, den gesamten Platz als Gedenkstätte zu deklarieren, nicht hat und dass man damit auch nicht auf dem gesamten Platz das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aushebeln könnte. Das wäre für Freiburg auch nicht wünschenswert: Freiburg feiert auf diesem Platz beispielsweise das Fest der interkulturellen Vielfalt. Dieses könnte dort nicht stattfinden, ebenso wie unzählig viele andere politische, gewerkschaftliche und kulturelle Veranstaltungen unterschiedlichster Art und Positionierung. Eine solche Einschränkung kann niemand wollen.

Auch israelkritische Positionen können die Grundrechte der Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen. Das bestreitet auch niemand. Die Stadt kann einem Veranstalter auch nicht einfach einen Ort ‚zuweisen‘. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit beinhaltet auch das Recht des Veranstalters, den Ort für die Versammlung zu bestimmen. Dies ist für viele ganz unterschiedliche Veranstalter der Platz der Alten Synagoge geworden, weil er in Freiburgs Innenstadt gute Möglichkeiten bietet, eine Versammlung durchzuführen und dabei auch von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden.  

Auch rechtlich wäre dies nicht durchsetzbar. Das Versammlungsgesetz sieht in § 15 die Möglichkeit vor, dass eine Versammlung verboten werden kann, wenn sie an einem Ort stattfinden soll, der als Gedenkstätte von historisch herausragender, überregionaler Bedeutung an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erinnern soll (Holocaust Mahnmal Berlin) oder wenn konkrete Umstände vorliegen, die besorgen lassen, dass die Würde der Opfer beeinträchtigt wird.  Ohne Frage könnte eine Versammlung in unmittelbarer Nähe zum Gedenkbrunnen verboten werden, weil sie die Würde der Opfer beeinträchtigt – aber eben nicht auf dem ganzen Platz. Möglich und notwendig bleibt, dass alle Veranstalter einen Abstand von mindestens 30 Metern zum Gedenkbrunnen einzuhalten haben.

Für antisemitische Hetzparolen darf es kein Pardon geben. Gehen diese von einer Versammlung aus, hat die Polizei Strafverfahren einzuleiten und die Versammlung aufzulösen. Dies gilt für den Platz der Alten Synagoge ebenso wie für jeden anderen Platz. Israelkritische Positionen zu äußern und Partei für die Sache der Palästinenser zu ergreifen, muss aber möglich sein, auch auf dem Platz der Alten Synagoge.“ 

„Missbrauch verhindern

Warum Sylvia Schliebe vom Vorstand der liberalen jüdischen Gemeinde für eine eingeschränkte Nutzung ist.

Sylvia Schliebe

Sylvia Schliebe: Vorstand Egalitäre Jüdische Chawurah Gescher Freiburg

„Am Platz der Alten Synagoge (PdAS) stand die Freiburger Synagoge bis zu ihrer Zerstörung 1938. Die Zerstörung der Synagogen in Deutschland markierte den Übergang von der Entrechtung, Diskriminierung und Verfolgung jüdischer Deutscher ab 1933 hin zur Deportation und zur Shoa, der planmäßigen Ermordung aller jüdischen Menschen in Europa. 

Dies ist ein Faktum, das keine/r leugnen kann, und immerhin mehrheitlich noch auch gar leugnen nicht will, sagt die Statistik. Diese Tatsache manifestiert sich am PdAS und insbesondere beim Gedenkbrunnen. Für Überlebende und deren Nachfahren ist genau dies der Platz, von dem sie sicher wussten, dass ihre Familien sich dort zum letzten Mal zum Gebet und zu Feiertagen getroffen haben. Oft verliert sich die Spur danach. Damit erhält dieser Platz eine weitere Manifestation der letzten Erinnerung. Wir erhalten in der Gemeinde regelmäßig Anfragen von Nachkommen jüdischer Freiburger Familien, die dort in Stille ihrer Lieben gedenken möchten.

Zudem bedeutet der PdAS auch die Erinnerung daran, dass es vielfältiges jüdisches Leben vor der Shoa auch in Freiburg gab. Noch immer ist vieles nicht aufgearbeitet. Wie wir alle inzwischen wissen, greift die rechtliche Stellung des Platzes als Erinnerungsort aber nicht, um Missbrauch in vielfältiger Weise zu verhindern. Zuletzt in der Debatte um die Möglichkeit für ‚Palestine speaks‘ genau dort und nur dort sogenannte ‚Gedenkveranstaltungen‘ abzuhalten, die sich allerdings dann eher als Propagandaevents herausgestellt haben.

Diese Gruppe spricht sich in ihrer Internetpräsenz unmissverständlich für ein Ende des Staates Israel aus. Eine Zweistaatenlösung ist nicht vorgesehen, und tatsächlich auch keine lebenden Juden in der Region. Diese Forderungen ausgerechnet auf dem PdAS zu artikulieren, darf durchaus als eine Provokation verstanden werden.

Wir hatten lange gehofft, der Platz könnte sich mit seiner Geschichte in die Stadtgesellschaft integrieren. Hier benötigt aber auch ein legitimes Freizeitverhalten am Platz das Bewusstsein dafür, wo man sich gerade befindet. Viele, auch wieder aktuelle Bilder zeigen leider genau das Gegenteil.

Trotz der guten Maßnahmen der Stadt war es wohl eine Illusion, zu denken, es würde sich grundlegend etwas ändern. Da wir anerkennen, dass der Platz eine zentrale Bedeutung im Stadtleben hat, regen wir an, wenigstens ein Drittel des Platzes, von der Seite des Erinnerungsbrunnes aus, rechtlich neu zu bewerten und als Gedenkort mit dem entsprechenden Schutz zu versehen.“ 

Fotos: © Andreas Schwarzkopf/Wikimedia Commons; Felix Groteloh; privat