Wichtig ist die Würde: Anna Faller berichtet aus dem Freiburger Essenstreff STADTGEPLAUDER | 30.12.2019 | Stella Schewe

Anna Faller vom Essenstisch Freiburg

Menschen mit Würde begegnen – darum geht es Anna Faller, die den Freiburger Essenstreff leitet. Die Einrichtung für Bedürftige im Freiburger Osten besteht seit 25 Jahren und ist nach Einschätzung der 60-jährigen Hauswirtschaftsleiterin und Dorfhelferin nötiger denn je. Von Montag bis Freitag kommen täglich bis zu 150 Gäste.

„Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein“, steht bei uns über dem Eingang. Mir ist wichtig, freundlich zu sein, auf die Nöte und Sorgen unserer Gäste einzugehen. Fürs Essen müssen sie nicht an der Theke anstehen, sondern sie bekommen es von uns am Tisch serviert. Das macht viel aus – gerade wenn man überall Bittsteller und immer der Letzte ist. Vielleicht hat man am Anfang die Mundwinkel unten, aber wenn sie beim Rausgehen halbwegs oben sind, dann haben wir viel erreicht.

Zu uns kommen Obdachlose und auch immer mehr Rentner, die sich gutes Essen nicht leisten können, weil die Miete so hoch ist. Für alle, die weniger als 1000 Euro im Monat verdienen, gibt es für 2,50 Euro ein Drei-Gänge-Menü: mit Suppe, Salat, Hauptgericht, Nachtisch und Obst. Geliefert wird es von der Firma Zahner Feinkost, die Horst Zahner ebenso wie den Essenstreff gegründet hat. Kostenlos dazu gibt es Mineralwasser und im Winter heißen Tee und Schoki.

Alkohol ist bei uns natürlich Thema, aber das kann ich ein Stück weit auch verstehen. Ich würde es im Winter draußen auch nicht aushalten. Alkohol lässt einen die bescheuerte Situation vergessen, dass man abends nicht in ein Zimmer kann, sondern bei Wind, Regen und Nebel in einen kalten Schlafsack kriechen muss.

Falls es mal Ärger gibt, versuche ich dem Gast klarzumachen: Wir lassen dich drin, aber bitte verhalte dich ruhig. Laut werde ich dabei nicht, aber bestimmt. Ich bin klein und zierlich – dadurch hat mein Gegenüber nicht das Gefühl, bedrängt zu werden und sich wehren zu müssen. So kann ich an sein Verständnis appellieren, falls ich denjenigen überzeugen muss, dass es besser ist, zu gehen. Ganz wichtig ist die Würde: nichts Verletzendes oder Beleidigendes zu sagen.
Wenn mich jemand beleidigt, juckt mich das nicht. Ich kann mir diese scheußlichen Worte gar nicht merken. Das geht rein und raus, denn ich weiß, es hat nichts mit mir zu tun, sondern es geht nur um unerfüllte Bedürfnisse. Die Leute kommen ja nicht nur wegen des Essens, sondern auch wegen der Kommunikation, Wärme, Zeitunglesen und einer Dusche.

Um hier meine Frau stehen zu können, muss ich auf Menschen zugehen und aus jeder Notlage das Beste machen können. Aber ich bin ja nicht alleine. Wir sind ein Verein mit zwei von der Stadt bezahlten Betriebsleiterinnen und einem achtköpfigen Küchenteam: Das sind Menschen, die übers Jobcenter zu uns kommen und für wenig Geld die gesamte Vorarbeit machen, spülen und putzen. Das Servieren übernehmen rund 20 Ehrenamtliche, die uns unterstützen.

Um unsere Zukunft mache ich mir keine Sorgen. Zwar steht fest, dass das Dreikönigshaus weichen muss, wenn der Stadttunnel gebaut wird, aber das ist ja noch ein Weilchen hin. Außerdem haben wir von städtischer Seite aus eine Bestandsgarantie, wir fühlen uns da sehr getragen. Egal wo ich hingehe, ich stoße immer auf offene Türen.

Foto: © Stella Schewe