Das Cabaret der Erinnerung – In der Vogesenwüste 4Literatur & Kolumnen | 16.10.2024 | Erika Weisser
Samuel, seine Schwester Tania und der Cousin Michaël lieben es, im Garten des Familien-Landhauses in den Vogesen Familiengeschichte zu spielen. Vor allem jene Episoden, die nur angedeutet oder ganz verschwiegen werden – und dennoch ständig präsent sind.
Besonders die Bemerkungen über Rosa, die einzige Schwester des Großvaters, beflügeln die Fantasie des Neunjährigen und seiner Spielgefährten. Diese Rosa war mit zwölf Jahren – weil sie nicht schnell genug versteckt werden konnte – in der Straßburger Wohnung mit den Eltern verhaftet und nach Auschwitz deportiert worden. Und kam als einzige Überlebende zurück. Sie zog jedoch weiter in die USA, wo sie in der Wüste von Texas ein Cabaret eröffnete, in dem sie – zumindest in der Vorstellung der Kinder – jeden Abend von ihren Erlebnissen erzählt. Im Spiel werden die Vogesen zur texanischen Wüste, in die sie reisen, um Rosa und die ganze Wahrheit endlich kennenzulernen. Jahre später wird Samuel Vater – und überlegt sich, wie er sein Kind in die unentrinnbare Familiengeschichte integrieren kann, ohne es lebenslang zu traumatisieren.
Das Cabaret der Erinnerung
Von Joachim Schnerf
Übersetzung: Nicola Denis
Verlag: Antje Kunstmann, 2023
128 Seiten, gebunden
Preis: 20 Euro