Gitarrenexzesse aus einer anderen Zeit: Henrik Freischlader im Jazzhaus 4Musik | 23.03.2023 | Pascal Lienhard

Henrik Freischlader im Jazzhaus

Die Musik von Henrik Freischlader ist angenehm aus der Zeit gefallen. Mit seinem Quartett kreiert der Gitarrist und Sänger einen Sound, der aus den Anfangstagen der Rockmusik zu kommen scheint. Trotz der einen oder anderen Länge beeindrucken die Musiker ihre Gäste im etwas mehr als halb gefüllten Jazzhaus.

Henrik Freischlader ist zu spät geboren. Mit Gitarrensoli gespickter Bluesrock hat seine goldene Phase mit Acts wie Jimi Hendrix oder Led Zeppelin lange hinter sich. Dass das Genre nach wie vor ein Publikum hat, beweisen jüngere Künstler wie Joe Bonamassa, The Brew oder eben Henrik Freischlader. Mit seinen 40 Jahren hat der Wuppertaler seit 2006 eine ganze Palette an Live- und Studioalben veröffentlicht.

Auf Freischladers Konzert im Jazzhaus dominiert die Fraktion 40 Plus. Es ist nicht abwegig zu behaupten, dass besonders viele Musiker im Publikum stehen. Schließlich sind es vor allem lange Instrumentalparts, die hier gefeiert werden. Wer mit komplexer Blues- und Rockmusik nichts anfangen kann, dürfte sich da schnell langweilen. Wer sich aber selbst schon die Finger an Stücken von Hendrix und Co. blutig gespielt hat, schätzt das Können des Quartetts erst so richtig. Zumal es vor allem Freischladers mal rockige, dann wieder gefühlvolle Soli sind, die massig Beifall bekommen.

Der Sound des Quartetts erinnert zeitweise an die Doors – und immer wieder an Ausnahmegitarrist Gary Moore („Still got the Blues“). Diesem hat Freischlader 2017 eine ganze Platte gewidmet. Auch Moritz Fuhrhop setzt an der Hammond-Orgel gekonnt Akzente. Der charakteristische Klang des Instruments verstärkt das Gefühl, eine Zeitreise in die späten 60er- und 70er-Jahre zu unternehmen. Bassist Armin Alic und Drummer Hardy Fischötter sind nicht minder Meister ihres Metiers, agieren aber größtenteils im Hintergrund.

Hammond Orgel bei Henrik Freischlader

Stilbildendes Instrument: Der Sound der Hammond-Orgel entführt in eine vergangene Zeit.

Im Fokus stehen Stücke des vergangenen November erschienenen Albums „Recorded by Martin Meinschäfer II“. Tracks wie „Free“ oder „Turn back the Clock“ kommen zwar an, zünden aber nicht so sehr wie die älteren Nummern. Dazu gehören das düstere „The Bridge“ von 2009 ebenso wie das groovende „Point of View“ von 2013. Highlight ist ein Cover. „The Sky is crying“ wurde 1959 von Elmore James veröffentlicht und ist heute ein Bluesstandard. Über die Jahre haben Musiker wie die Yardbirds, Albert King oder Stevie Ray Vaughan die Nummer interpretiert. Henrik Freischlader und Kollegen legen im Jazzhaus alles in den Song, die Spielfreude ist ihnen anzusehen. Zeitweise steht die Frage im Raum, ob das Quartett gar nicht mehr aufhören will.

Auch „She ain’t got the Blues“ kommt an. Und das trotz der arg klischeebeladenen Lyrics. „Hört nicht so genau auf den Text“, entschuldigt sich Freischlader schmunzelnd. Im Song geht es um einen Blueser und seine Verhältnisse mit Frauen in Denver, Chicago und L.A. Problem: Die Damen hatten es alle nicht so mit dem Blues, der Musiker musste daher weiterziehen. Der Text ist eine Jugendsünde: Zum ersten Mal hat Freischlader den Song als Teenie im Proberaum aufgenommen. Schon damals war Freischlader etwas aus der Zeit gefallen.

Fotos: © Pascal Lienhard