Was? Wirklich? Ein Haus aus Stroh? Bauen & Wohnen | 20.02.2020 | Stefan Pawellek

Holzbauten sind heutzutage keine Seltenheit. Gewöhnlich besteht so ein Bauwerk aus einer Art Holzskelett, dessen Zwischenräume gefüllt werden müssen, sodass sich Wände ergeben. Die Freiburger Zimmerei Grünspecht, eine Genossenschaft, baut seit gut 35 Jahren auf diese Weise Häuser.

Allerdings füllen die Experten im Gegensatz zu anderen Firmen die Zwischenräume mit umweltfreundlicher Zellulose statt mit Styropor, Glaswolle oder anderen Stoffen auf. Und seit Neuestem alternativ auch mit Stroh.

Bauten aus Stroh gibt es seit knapp 200 Jahren. Die ersten nachgewiesenen gab es in den „Sandhills“ in Nebraska, wo sogar Strohballen als tragende Elemente eingesetzt wurden. Bis etwa 1940 wurde Stroh als Baustoff verwandt. Nach der „Wiederentdeckung“ dieses Baustoffs in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts fand Stroh als Baustoff Anfang des 21. Jahrhunderts auch seinen Weg nach Europa. In Deutschland wurde 2002 ein Fachverband – FASBA – gegründet, der 2006 eine baurechtliche Anerkennung für Stroh erreichte und auch Standards für das Bauen damit erarbeitete.

Was ist nun das Besondere an Stroh? Erstens wird beim Wachsen der Pflanze der Atmosphäre CO2 entnommen und gespeichert. Zweitens durch die geringe Herstellungsenergie – etwa um den Faktor 100 weniger als bei Mineralwolle oder Polystyrol – weniger CO2 emittiert. Und drittens durch die hohe Dämmqualität auch weniger Heizenergie benötigt – und auch weniger CO2 ausgestoßen. Häuser mit Strohdämmung sind also umweltfreundlicher als andere, „passivhaustauglich“, wie Markus Wolf von der Zimmerei Grünspecht betont.

Grünspecht Markus Wolf:: „Häuser mit Strohdämmung sind passivhaustauglich.“

Wird nun – wie es die Grünspechte derzeit für die Baugemeinschaft Landkreis Emmendingen machen – gepresstes Stroh als „Füllmaterial“ in den Zwischenräumen eingesetzt, hat man neben den genannten Vorteilen noch weitere: Das Stroh ist unbehandelt, kennt keine chemischen Zusätze, ist also etwa für Allergiker positiv. Das Stroh kommt aus der Region, vom Kaiserstuhl oder der Schwäbischen Alb, und wird in einem Betrieb auf der Alb in passgenaue Ballen nach Plan gepresst. Zuvor wird es gedroschen und getrocknet, wobei Tieren und anderen Schädlingen die Lebensgrundlage entzogen wird.

Nach dem Einbau wird in Nassräumen die Strohdämmung mit OSB- und Gipsfaser-Platten verkleidet. In den übrigen Räumen wird Lehm – meist per Spritzgerät – aufgebracht. In dieser Lehmschicht, die am Ende rund vier Zentimeter dick sein wird und die mit speziellen Farben in jeder Variante zu streichen ist, werden beispielsweise die wasserführenden Röhren für eine Wandheizung oder die Stromleitungen aufgebracht und danach mit Lehm verputzt.

Bisschen mehr Geld für viel Mehrwert

Damit entsteht eine natürliche, hochwirksame Wärmedämmung, die zusätzlich den Vorteil hat, dass sie „atmet“, Feuchtigkeit aus dem Haus hinausbringt, trockene Luft verhindert. Auch außen wird das Haus mit Lehm verputzt. Auf die Lehmschicht kommt eine Holzschicht auf Spannten, sodass eine hinterlüftete Fassade entsteht. Damit nicht Ungeziefer zwischen Holz und Lehm schlüpfen kann, muss im Sockelbereich eine Schutzhülle angebracht werden. Das Haus erreicht so den Brandschutzwert F 30, das heißt, es bleibt bei einem Feuer 30 Minuten lang statisch stabil.

Gewohnt wird wie üblich: Man kann Bilder mit Nägeln an die Wand hängen, dübeln, und sollte der Dübel tiefer als die vier Zentimeter Lehmverputz gehen müssen, gibt es längst spezielle Entwicklungen, die bei Lehm und Stroh einsetzbar sind. So weit ist also ein „Strohballenhaus“ ein ganz normales Gebäude.

In der Lehmschicht werden beispielsweise die wasserführenden Röhren für eine Wandheizung oder die Stromleitungen aufgebracht und danach mit Lehm verputzt.

Bei dem der Rohbau allerdings, im Vergleich zum Holzbau, fünf bis zehn Prozent teurer wird. In der Baugemeinschaft Landkreis Emmendingen sind das pro Haus zwischen 5.000 und 10.000 Euro, die die Bauherren allerdings weitgehend durch Eigenleistung wieder hereinholen. „Dafür haben die Bewohner dank der Lehmputzweise aber einen echten Mehrwert, und der Innenausbau unterscheidet sich gar nicht von einem anderen Haus“, relativiert Wolf den finanziellen Mehraufwand. Es gibt keinen Grund, so die Erbauer, dass die Strohballenhäuser eine kürzere Halbwertszeit als konventionelle Gebäude haben, egal, ob gemauert oder in Holzbauweise. Hat aber das Strohhaus seinen Lebenszyklus beendet, so sind seine Einzelteile erheblich leichter und umweltschonender zu entsorgen. „Man kann hier von einem natürlichen Kreislauf sprechen“, sagt Wolf.

Die Baugemeinschaft, die übrigens noch für eine Wohnung einen „Mitmacher“ sucht, geht mit dieser Art von Haus einen neuen, interessanten Weg, der durchaus Potenzial auf dem Wohnungsmarkt hat.

 

Fotos: © Stefan Pawellek