Experten sprechen über das Büro der Zukunft Bauen & Wohnen | 04.05.2021 | Pascal Lienhard

moderne Büros Wo Arbeiten und Wohlfühlen verschmelzen: Branchenkenner fordern neue Bürowelten.

Homeoffice – neben Lockdown, Inzidenzwert oder Zoommeeting ist das einer der Begriffe, der noch lange mit der Corona-Krise verbunden sein wird. Die Entscheidung zur Arbeit von zu Hause verändert den Arbeitsalltag massiv. Doch was spricht fürs klassische Büro? Was wird nach Corona vom Homeoffice bleiben? Und wie steht es um die rechtliche Lage? Diese und weitere Fragen diskutierten fünf Fachleute in einer Web-Konferenz unter dem Titel „Home-Office als Konkurrenz – Büroflächen der Zukunft“. Das Bauen & Wohnen war dabei.

Der Baudienstleister

Aydin Karaduman stellt plakativ die Frage, die so manchen Arbeitgeber und Arbeitnehmer umtreiben dürfte. Lebt das Büro noch? Seine Antwort: „Ja, es lebt und es hat auch eine Zukunft.“ Doch das Überleben sei an dessen Bereitschaft zum Wandel gebunden. Sein Fazit: „Das Büro bleibt Erlebnis- und Gemeinschaftsort. Es spiegelt die Unternehmenskultur wider.“ Um das zu untermauern, stellt er eine vom Baudienstleister ISG weltweit unter 4000 Büronutzern ausgeführte Umfrage vor, die einmal vor und einmal während Corona gemacht wurde. Demnach plädieren deutsche Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Schnitt für eine wöchentliche Bürozeit von etwa drei Tagen – der Wert bei Arbeitnehmern lag sogar bei 3,5 Tagen. Je zufriedener die Befragten mit ihrem Beruf seien, desto höher sei die Sehnsucht nach dem Büro. Aber warum wollen Mitarbeiter zurück ins Büro? 54 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen der Austausch fehle. Auch bei Mitarbeiterbindung und -gewinnung spiele das Büro eine große Rolle.

Zudem gebe es aktuell einen Trend weg vom Großraumbüro, bei Neubauprojekten seien inzwischen auch Aspekte wie berührungslose Türen gefragt. Eine große Nachfrage nach Büroflächen komme derweil aus dem Tech-Bereich, hier sieht Karaduman interessante Arbeitsplatzkonzepte. Hier würde nicht die Fläche reduziert, sehr wohl aber die Anzahl an festen Arbeitsplätzen. Dafür würden etwa Kommunikationszonen geschaffen. Auch das Co-Working erlebe seiner Ansicht nach eine kleine Renaissance.

Zur Person: Aydin Karaduman ist seit Ende 2019 Managing Director Europe von ISG, das Unternehmen setzte 2018 weltweit 2,4 Milliarden Euro um.

Der Investmentmanager

Hans-Joachim Lehmann beschreibt die Zustände vor der Pandemie. Hierbei zeichnet der Investmentmanager ein positives Bild. Insgesamt habe Corona den Office-Bereich in einer recht komfortablen Situation getroffen. Die Leerstandsraten etwa seien 2019 in fast ganz Europa niedrig gewesen, der Investmentmarkt sei stabil gewesen. Auch für die nähere Zukunft erwarte er keine signifikante Zunahme von Leerstandsflächen. Lehmanns Einsichten in die Homeoffice-Regelungen anderer europäischer Länder helfen, die deutschen Gegebenheiten einzuordnen. Dabei verweist er im Besonderen auf die großen Unterschiede zwischen den europäischen Staaten. „Das geht von einer sehr flexiblen Regelung in Holland bis zu einer sehr stringenten Regelung beispielsweise in Schottland.“

Was würde nach Lehmanns Meinung von Homeoffice bleiben, wenn Corona bis Ende des Jahres bewältigt sei? Der Investmentmanager glaubt, dass sich die Lage wieder normalisieren werde. Doch auch er spricht notwendige Veränderungen in der Bürolandschaft an.

Zur Person: Hans-Joachim Lehmann ist Geschäftsführer der Warburg-HIH Invest Real Estate und verantwortete zuletzt ein jährliches Transaktionsvolumen von rund einer Milliarde Euro.

Die Wirtschaftsanwältin

Sabine Wieduwilt nähert sich dem Komplex des Homeoffice von der juristischen Seite. Dafür gibt sie einen komplexen Überblick über den Wandel von deutschen Büromietverträgen im Kontext von Corona. Wieduwilt macht zudem deutlich, dass es beim Umgang mit Homeoffice noch viele Fragezeichen gebe. Wenn ein Mitarbeiter nach Corona ins Homeoffice geschickt würde, gebe es einiges zu prüfen. Ein Beispiel: Ein Angestellter hat beim Einzug in seine Wohnstätte einen Wohnraummietvertrag abgeschlossen. Darin geht es ums Wohnen, nicht ums Arbeiten.

Ferner gibt Wieduwilt zu bedenken, dass sich nach Angaben der Europol seit der Pandemie die Cyberkriminalität erhöht habe. Daraus ergeben sich für Unternehmen wichtige Fragen. Inwieweit ist es möglich, dass ein Mitarbeiter von zu Hause arbeitet und dort mit Akten hantiert, zu denen potentiell auch andere Bewohner Zugriff haben? Damit macht Wieduwilt deutlich, dass die Regelungen in diesem Bereich alles andere als abgeschlossen sind und noch viele Fragen zu beantworten sind.

Zur Person: Sabine Wieduwilt ist Partnerin im Frankfurter Büro der Wirtschaftskanzlei Dentons und dort spezialisiert auf Asset Managements von gewerblich genutzten Grundstücken.

Der Banker

Sascha Klaus konstatiert, dass das vergangene Jahr im Immobilienmarkt stärker gewesen sei, als man dies vielleicht während des ersten Lockdowns gedacht hätte. Zwar habe der Büromarkt zwischenzeitlich etwas geschwächelt. „Viele Transaktionen sind verschoben worden, es gab Unsicherheiten, viele Unternehmen haben ihre Mietvertragsentscheidung geschoben.“ Dennoch ist der Banker optimistisch: „Ich kann Ihnen aus unserer Perspektive sagen, dass einiges an Momentum zurückgekommen ist.“ Insgesamt sei das Bild viel positiver, als man das vielleicht meinen könnte.

Klaus zitiert auch Umfragen und verweist auf Gründe, die Befragte für eine Rückkehr ins Büro aufführten: Über 60 Prozent vermissen den Austausch mit Kollegen, über 50 Prozent sei die Trennung von Arbeit und Privatleben wichtig, über 40 Prozent schätzten am Büro die bessere Ausstattung und Räumlichkeiten, fast 40 Prozent fehlt die Teamarbeit. Auch er selbst glaubt, dass ohne das Büro etwas fehle: „Die Kreativität und die Geschwindigkeit leiden.“ Zudem komme hinzu, dass man von zu Hause aus nicht ausbilden könne. Sein Fazit: Die Nachfrage nach hochwertigen Büros in zentralen Lagen werde unverändert bleiben.

Zur Person: Sascha Klaus ist seit 2016 Vorstandsvorsitzender der Berlin Hyp AG und Vorstandsmitglied der LBB Holding AG.

Der Wissenschaftler

Andreas Pfnür stellt die Studie „Homeoffice im Interessenkonflikt“ vor. In der interdisziplinären Arbeit wurde das Homeoffice wissenschaftlich untersucht und dessen Erfolg gemessen. Parameter für den Erfolg waren etwa Zufriedenheit, Arbeitseinsatz, Ergebnisse und Kreativität. Befragt wurden nach repräsentativen Kriterien 2000 Personen aus Deutschland und den USA. Dabei sollte Corona in die Ergebnisse nach Möglichkeit nicht einfließen. Für Pfnür das zentrale Ergebnis: „Noch nie war der physische Arbeitsplatz so wichtig wie heute“, resümiert der Wissenschaftler. „Vom CEO eines DAX-Unternehmens bis zum letzten Sachbearbeiter haben wir uns alle Gedanken über unseren Arbeitsplatz gemacht.“ Man hätte sich überlegt, was denn nun zu Hause besser oder schlechter sei als in der Firma. Pfnür glaubt, dass dies auch so bleiben werde.

Die Studie zeige, dass der durchschnittliche Mitarbeiter schon vor der Pandemie anderthalb bis zwei Tage von zu Hause gearbeitet hat. Die Unternehmen planten auch für die Zeit nach der Pandemie mit 20 bis 30 Prozent Homeoffice. Letztlich stelle das in der Zukunft zwar eine Chance dar, gleichwohl sei es riskant, Personen nach Hause zu schicken, die aus verschiedenen Gründen dort weniger erfolgreich arbeiten könnten. „Wir sehen ein großes Erfolgspotential bei großem Risiko“, so Pfnür. Zudem wirbt er für die Verbesserungen bestehender Büros: „Niemand kehrt gerne in schlechte Büros zurück.“

Zur Person: Andreas Pfnür ist seit 2004 Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität Darmstadt.

Foto: © iStock.com/alvarez