Kontrovers (5): Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln? Bauen & Wohnen | 28.10.2021 | Ralf Klausmann & Magdalena Szablewska, Günter Rausch

Gebäuderiegel an der Sulzburger Straße 15 bis 19 In die Jahre gekommen: Der Gebäuderiegel an der Sulzburger Straße 15 bis 19 müsste so oder so saniert werden.

Die Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) will an der Sulzburger Straße im Stadtteil Weingarten 120 Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln. Wie sie es im Hochhaus Bugginger Straße 34 schon einmal erfolgreich getan hat. Nicht alle sind über das neue Vorhaben erfreut: Bei einer Bürgerbefragung in Weingarten stimmten rund 87 Prozent der 372 Teilnehmenden gegen den Verkauf. In der chilli-Rubrik KONTROvers argumentieren jeweils Protagonisten für und wider.

Attraktive Altersvorsorge

Warum die Stadtbau-Chefs für mehr gefördertes Eigentum sind

Ralf Klausmann und Magdalena Szablewska

Doppelspitze: Ralf Klausmann und Magdalena Szablewska leiten die Geschäfte der Stadtbau.

Über das Programm „Sozialer Zusammenhalt“ können in der Sulzburger Straße 15-19 geförderte Eigentumsmaßnahmen zu günstigen Konditionen realisiert werden. Damit wird insbesondere Familien mit einem mittleren Einkommen die Möglichkeit geboten, Wohneigentum zur Eigennutzung und damit langfristig für ihre Altersvorsorge zu kaufen.

Für den Erwerb der Wohnungen müssen die Einkommensgrenzen nach dem Landeswohnraumförderungsprogramm eingehalten werden. Gleichzeitig sind die Erwerbenden zur Sicherstellung einer sozialen Durchmischung im Quartier verpflichtet, die gekaufte Wohnung langfristig selbst zu nutzen. Bevorzugt erhalten die aktuellen Mieterinnen und Mieter in der Sulzburger Straße die Möglichkeit, Wohneigentum in ihrem bisherigen Wohnumfeld zu bilden.

Als wesentlichen Aspekt des Programms „Sozialer Zusammenhalt“ haben die Mieterinnen und Mieter der Sulzburger Straße zudem nach wie vor das Recht, in das Wohngebäude und damit in ihr gewohntes Umfeld zurückzukehren. Für den Zeitraum der Sanierung werden ihnen im Rahmen unseres Umzugsmanagements Ersatzwohnungen, vorzugsweise im benachbart gelegenen und sanierten Gebäude Hügelheimer Weg 2-6, angeboten.

Das Projekt Sulzburger Straße ist Teil einer langjährigen, gesamtstädtischen Stadtentwicklungsstrategie, die für mehr soziale Vielfalt in den Quartieren sorgen will. Dabei ist die Schaffung vielfältiger Nutzungsstrukturen ein wichtiger Aspekt, weshalb die Erhöhung des geförderten Wohneigentums in Weingarten genauso dazugehört wie die Erhöhung von geförderten Mietwohnungen in Quartieren in Ebnet, Munzingen oder Herdern.

Das Projekt Sulzburger Straße, mit dem sich die Eigentumsquote in Wein­garten auf rund zehn Prozent erhöhen wird, knüpft an das im Jahr 2018 erfolgreich abgeschlossene Projekt Binzengrün 34 an. Auch hier wurden nach einer Sanierung Eigentumswohnungen geschaffen, die zu einem Viertel von ehemaligen Mieterinnen und Mietern der Freiburger Stadtbau erworben wurden.

Im Rahmen der Wohnungsbauoffensive „FSB 2030“ errichtet die Freiburger Stadtbau in den kommenden zehn Jahren 2500 Wohnungen, davon die Hälfte als geförderte Mietwohnungen. Rund ein Drittel entsteht im Freiburger Osten. Diese sollen in allen Stadtteilen soziale Vielfalt und eine lebendige Nachbarschaft fördern.

So wird in der Gesamtheit dieser Maßnahmen die Anzahl der geförderten Mietwohnungen um rund 920 Mietwohnungen im FSB-Bestand erheblich erhöht.

 

„Wohnen ist Menschenrecht“

Warum Günter Rausch vom Mietenbündnis gegen Privatisierung ist

Günter Rausch

Günter Rausch: Mitglied des Sprecherrats vom Freiburger Mietenbündnis.

Jeder Mensch braucht ein Dach über dem Kopf, ein Zuhause, in dem er sich wohl und geborgen fühlen kann. Und doch leben auch in Freiburg viele hundert Menschen ohne eine eigene Wohnung. Viele, viele Kids und Jugendliche leben mehr oder weniger auf der Straße, und rund 2000 Wohnungsnotfälle sind amtlich bekannt. Selbst unter denen, die in einer guten Wohnung leben, gibt es viele mit Sorgen und Ängsten, weil sie zum Beispiel ihre Miete nicht mehr bezahlen können.

In Freiburg herrscht Wohnungsnot und die Mietpreise explodieren, weil es zu wenige bezahlbare Mietwohnungen gibt. Nach Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung fehlen in Freiburg rund 20.000 Mietwohnungen im unteren Preissegment. Es ist eine elementare Grundaufgabe der Daseinssorge der Kommunen, gerade für Menschen mit geringen und durchschnittlichen Einkommen bezahlbare Mietwohnungen zu schaffen und zu sichern. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich eigentlich die Fragestellung nach der Zweckentfremdung der 120 ehemaligen städtischen Sozialwohnungen an der Sulzburger Straße. Diese wurden einst mit Steuergeldern finanziert und mit den Mieten der Bewohner:innen abbezahlt. Sie jetzt für einen vermeintlichen Schnäppchenpreis an Besserverdienende verkaufen zu wollen, widerspricht dem Sozialstaatsgebot unserer Verfassung.

Der Schutz und die Unterstützung derjenigen, die eine öffentliche Förderung und Unterstützung benötigen, muss im Vordergrund stehen. Es ist nicht Auftrag der Stadtverwaltung, dafür Sorge zu tragen, dass möglichst viele Menschen Eigentum erwerben können, wenn gleichzeitig tausende Menschen in Freiburg an der Wohnungsnot leiden. Dass das die Menschen in Weingarten auch so sehen, wurde kürzlich deutlich, als in einer spektakulären Aktion von Bürgerverein und Forum Weingarten sowie dem Mietenbündnis ein Meinungsbild erstellt wurde. Innerhalb von vier Stunden haben auf dem Marktplatz 372 Menschen mit dem Stimmzettel ihre Auffassung bekundet. Rund 87 Prozent stimmten gegen den Verkauf dieser Wohnungen. Ein klares Votum.

Auch im Sanierungsbeirat, der vom Gemeinderat zur Begleitung dieses städtebaulichen Entwicklungsprojektes eingesetzt worden ist, gab es kürzlich eine klare Mehrheit gegen den Verkauf: Neun Stimmberechtigte votierten gegen den Verkauf, vier dafür und eine Person enthielt sich der Stimme. Es spricht alles dafür, diese noch bezahlbaren Mietwohnungen langfristig im städtischen Besitz zu erhalten. Wenn nun trotzdem verkauft werden würde, wäre dies Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten, die gerade von der Politikverdrossenheit und den Ängsten der Menschen profitieren, die eher im Schatten der Gesellschaft leben und sich niemals Wohnungseigentum leisten können.

Fotos: © Lars Bargmann; FSB; Britt Schilling