Abitur versus Fachhochschulreife: Wann lohnt es sich, nach der 12. Klasse aufzuhören? Job & Karriere | 21.06.2021 | Michail Awad

beschriebene Tafel mit Büchern und Äpfeln im Vordergrund

In Deutschland hat jeder die Möglichkeit, die Schulzeit ein Jahr vor dem Abi, also nach dem 12. Schuljahr, zu beenden. Damit hat sie oder er die Fachholschulreife erlangt. Viele denken aus ganz unterschiedlichen Gründen über diese Option nach. Michail Awad steht selbst vor dieser Entscheidung. Darum hat der 17-jährige Freiburger vier Personen befragt, die täglich mit jungen Menschen arbeiten, die zwischen Schulzeit und Ausbildung bzw. Studium stehen. Er wollte wissen: In welchen Fällen ist ein vorzeitiges Ende der Schulzeit empfehlenswert? In welchen nicht? Und an wen kann man sich wenden, wenn man Unterstützung bei der Entscheidung braucht?

Friedemann Pfaff 

Leiter der Freien Christlichen Schule Freiburg

Friedemann Pfaff empfiehlt allgemein, die 13. Klasse und damit das Abitur zu machen, da einem so „alle Optionen offen“ stünden und man „alles studieren“ könne. Ein weiterer Pluspunkt für das Abi sei, dass man den Unterrichtsstoff, den man in der Oberstufe lernt, auch zu Ende lerne, nicht mittendrin abbreche.

Friedemann Pfaff

Allerdings räumt Pfaff ein, dass das nicht das Entscheidende sein sollte. Für eine Schülerin zum Beispiel, die ein Freies Soziales Jahr (FSJ) machen möchte und weiß, dass sie an einer Fachhochschule studieren will, mache es Sinn, nach der 12. Klasse aufzuhören. 

Für Schüler*innen, die sich die Frage stellen, bietet er sich gerne als Gesprächspartner an. Sein Anspruch ist es dabei, den Weg zu finden, der für den Schüler „der beste“ sei. Dafür setzt er sich mit den Schüler*innen zusammen und bespricht „alle Faktoren“: Was sind die Ziele? Will sie oder er an einer Fachhochschule studieren? Welche Fähigkeiten und Stärken hat der Schüler? Wie sieht es mit den Noten aus? Das sei, wie Pfaff sagt, „individuell“ bei jedem anders. Von daher könne man keine pauschalen Ratschläge geben. 

Pfaff gibt auch zu bedenken, dass die -Fachholschulreife auch einen praktischen Teil erfordere – wie zum Beispiel eben ein FSJ. Das heißt, dass man nicht sofort anfangen könne, nach der 12. Klasse an einer Fachhochschule zu studieren. Und dass man nicht „schneller“ an der Hochschule sei als die, die Abitur machen. Eine Ausbildung allerdings könne man direkt anfangen. Seiner Erfahrung nach seien es an der FCS „maximal ein bis zwei“ Schüler pro Jahrgang, die nach der 12. Klasse aufhören. 

 

Annika Mergelsberg 

Studien- und Berufsberaterin bei der Agentur für Arbeit Freiburg 

Annika Mergelsberg

Annika Mergelsberg berät unter anderem Schüler*innen, die kurz vor dem Abschluss stehen und Fragen haben zu Ausbildung, Studium und Beruf. Sie geht aber auch direkt an Schulen, führt dort Gespräche und informiert die Schüler. In den Gesprächen geht es ihr darum, „Lösungen“ zu finden für den beruflichen Werdegang. Sie sieht ihre Aufgabe darin, mit Rat zur Seite zu stehen, als Ansprechpartnerin zu dienen, Informationen weiterzugeben und auf mögliche Hindernisse oder Falltüren aufmerksam zu machen. 

Allerdings sollten Schüler nicht erwarten, dass ihnen im -ersten Beratungsgespräch die Entscheidung für einen zukünftigen Weg abgenommen wird. Mergelsberg sagt: „Die Berufsberatung hilft dabei, Methoden zur Entscheidungsfindung zu entwickeln.“ 

Sie rät Schülern, die vor diesen Entscheidungen stehen, nicht nur mit Leuten von der Berufs- und Studienberatung zu sprechen, sondern auch mit Eltern, Mitschüler*innen und Lehrern. Die Möglichkeit, nach der 12. Klasse aufzuhören, sieht sie als „zusätzliche Option“, die in dem einen oder anderen Fall Sinn ergibt. 

 

Sabine Laub  

Lehrerin für Deutsch, Mathe und Sport an der -Hauptschule der Freien Christlichen Schule Freiburg 

Sabine Laub

Ihre eigene Tochter wollte nach der 12. Klasse aufhören. Sabine Laub hat als Mutter die Bedingung gestellt, dass sich ihre Tochter im Vorhinein für Ausbildungsplätze bewirbt. Als es dann eine positive Antwort gab, habe sie den Schritt genehmigt. Sie selbst erlebt die Situation in der Schule kaum noch, dass Schüler*innen mit diesem Wunsch zu ihr kommen, da sie Schüler in dieser Altersstufe nicht mehr unterrichtet. Sie teilt aber aktuellen Lehrer*innen eines Schülers gerne ihre Erfahrungen mit, die sie mit ihm in der Unter- oder Mittelstufe gemacht hat.

Aus ihrer Sicht ist es wichtig, dass die beratende Person die Schüler, ihren Charakter, ihr Lernverhalten, ihr soziales Umfeld kennt, um bei der Entscheidung helfen zu können. Sie rät Schüler*innen, sich mit diesen Fragen zunächst an ihre Fach- oder Klassenlehrer*innen oder an die Berufsberatung zu wenden.

 

Livia Hämmerle

Mathematiklehrerin an der Freien Christlichen Schule Freiburg 

Livia Hämmerle

Livia Hämmerle bewertet die Möglichkeit, nach der 12. Klasse vorzeitig aufhören zu können, positiv. Sie sieht darin „eine großartige Chance“ für Schüler*innen, die zu diesem Zeitpunkt schon wissen, dass sie eine Ausbildung anfangen oder ein Fach studieren möchten, für das man kein Abitur braucht. Livia Hämmerle bietet jedem Schüler Beratung und Unterstützung an. Wichtig ist ihr dabei, „Vorteile und Nachteile“ zu zeigen, die Situation zu „analysieren“. Sie rät: Generell sollte sich der Schüler Rat von verschiedenen Leuten einholen, die ihm helfen können, die Pros und Contras abzuwägen.

Sie ist der Ansicht, dass die Entscheidung letztendlich aber bei jedem einzelnen Schüler selbst liege und dass die Schüler auch ganz gut wüssten, was für sie das Beste sei, wenn sie auf ihr Herz hören und Gott in ihre Entscheidung miteinbeziehen würden. Noten und Zeugnisse spielten auch eine Rolle, aber nicht die Hauptrolle.

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