Flächennutzungsplan 2040: Stadtspitze übt sich in Stille-Post Bauen & Wohnen | 29.09.2022 | Lars Bargmann

Luftaufnahme Freiburg Im Anflug auf den neuen FNP: Wo neue Wohnbauflächen ausgewiesen werden, hält das Rathaus noch unter Verschluss.

Mit großem Tamtam war das Freiburger Rathaus im März 2019 in den Prozess für den neuen Flächennutzungsplan 2040 (FNP) gestartet. Die jüngste Pressemitteilung dazu gab es zuletzt im November 2020. Auf der städtischen Homepage stehen unter dem Button „Wo stehen wir heute“ noch die Zahlen 2020/2021. Im kommenden Jahr sollte der FNP fertig sein. Das ist mehr als nur fraglich. „Wir sind relativ weit“, formuliert Baubürgermeister Martin Haag auf Anfrage. Was mindestens ebenso stimmt: Die Stadt spielt aktuell ein Strategiespiel.

Eigentlich hätte es in diesem Jahr um mögliche Flächen gehen müssen. Für Wohnen, Gewerbe, Freiflächen, Sportflächen, Infrastrukturflächen. Eigentlich. Doch wenndiese Flächen – die hausintern wohl identifiziert sind – öffentlich werden, etwa durch eine chilli-Anfrage, dann „gehen dort die Preise wieder enorm nach oben“, sagt Haag. So richtet sich das Rat­haus derzeit in einer Zwick­mühle ungemütlich ein. Der Zeitplan wird vermutlich das erste Opfer sein.

Fürs wichtige Thema Gewerbe gibt es das Gewerbeflächen-Entwicklungskonzept. Es bildet die Grundlage für den Wirtschaftsstandort Freiburg, damit auch für die Arbeitsplätze. Fürs noch wich­­tigere Thema Wohnen braucht es zunächst mal eine Bevölkerungsprognose. Wie viele Menschen werden 2030, 2035 und 2040 in Freiburg wohnen?

Vor der Aufstellung des 2006 vom Gemeinderat verabschiedeten FNP 2020 waren die Statistiker mit einer Sechserkette auf den Platz gegangen und hatten für 2020 defensiv mit 197.000 Einwohnern gerechnet. De facto waren Ende 2020 mehr als knapp 227.000 Menschen in Freiburg gemeldet. Das statistische Landesamt veröffentlichte zum selben Zeitpunkt knapp 231.000. Der Zahlenzoff zwischen Kommunen und Land spielt dabei nur eine Nebenrolle. Die Statistiker haben der Stadt schlicht zu wenig zugetraut.

Nun kommt es wieder auch auf sie an, wenn die Prognosen bis Ende 2040 nicht erneut so weit hinter der Realität hertrotten sollen. Wer diese allein mit dem Instrumentenkoffer wissenschaftlicher, empirischer, gesamtdeutscher Vorhersagen erarbeitet, was für Statistiker eine Selbstverständlichkeit ist, der blendet – erneut – die Freiburg-spezifischen Vorzüge aus. Was spricht dagegen, dass im Jahre 2040 in Freiburg 260.000 Menschen leben, wohnen und arbeiten?

Insider berichten dem chilli, dass die Prognosen derzeit wieder mehr auf Abwehr denn auf Offensive setzen. Das Hamburger Institut ­Gewos hatte Ende 2020 eine Studie veröffentlicht, wonach Freiburg 2030 etwa 238.000 und 2040 knapp 241.000 Einwohner haben könnte. 

Das Rathaus seinerseits will im kommenden Herbst eine Wohnbedarfsanalyse im Gemeinderat präsentieren. Bis dahin müssen die hausinternen, heute noch sehr heterogenen Sichtweisen in einen Kompromiss gemündet sein. 

Wo aber die Potenziale für Wohnbauflächen liegen, wird in diesem Jahr indes sicher nicht öffentlich beraten und damit auch verraten. Die Bürgermeisterbank wird ver­suchen, sich durch aktive Liegenschaftspolitik auf diesen Flächen zu sichern, was zu sichern ist. Oder sich durch Vorkaufssatzungen Zugriffsrechte zu verschaffen, bevor bekannt wird, was das Baudezernat in den FNP 2040 einbringen will. So ist aus dem anfänglichen Tamtam aktuell ein Stille-Post-Spiel geworden.

Foto: © Neithard Schleier