Gebären in Corona-Zeiten: Nachgefragt bei Chefärzten und Experten der Kliniken in der Region Bauch & Baby | 18.08.2020 | Reinhold Wagner

Schwangere mit Kind

Kaum ein Ereignis im Leben ist so stark von Emotionen begleitet wie die Schwangerschaft und die Geburt eines Babys. Es sind viele Entscheidungen zu treffen, bei denen es abzuwägen gilt: Da ist der Wunsch nach Sicherheit, aber auch der Wunsch nach Privatsphäre und einer selbst-bestimmten Geburt.Oft wird schon lange im Vorfeld die kommende Elternzeit in Gedanken durchgespielt, Verwandte und Freunde befragt und alle möglichen Szenarien erwogen. Am Ende kommt dann nicht selten einiges anders als erwartet. Doch je eher und je umfassender sich werdende Eltern informieren und vorbereiten, desto besser. Die Auswahl und Vielfalt an Angeboten vor, -während und nach der Geburt ist in den vergangenen Jahrzehnten enorm gestiegen.

Universitäts-Frauenklinik Freiburg

Zur Klinik: Das Universitäts-Perinatalzentrum (Level 1), bestehend aus Geburtsmedizin und Neonatologie, leistet Rundum-Betreuung rund um die Geburt sowie in Risiko-Situationen. Tür an Tür mit der Wöchnerinnenstation und über dem Kreißsaal befindet sich die kinderärztlich geleitete Neugeborenen-Station. Die Leitung der Geburtshilfe und Perinatologie hat PD Dr. Mirjam Kunze inne.

findefuchs: Bestehen derzeit noch Corona-bedingte Einschränkungen in Bezug auf das Besuchsrecht sowie die Anwesenheit und Begleitung der Geburt durch Familienangehörige (Vater, Geschwisterkinder)?
PD Dr. Mirjam Kunze: In der aktuellen Situation steht den werdenden Eltern eine virtuelle 360-Grad-Kreißsaalführung sowie ein Elterninformationsvortrag rund um Geburt auf der Website der Klinik für Frauenheilkunde zur Verfügung. Bei der natürlichen Geburt im Kreißsaal oder beim Kaiserschnitt darf eine Begleitperson anwesend sein. Familienzimmer sind vorhanden und geöffnet. Das Besuchsverbot wurde gelockert: Neben dem Vater bzw. der bei der Geburt anwesenden Begleitperson kann noch eine weitere Person von der Wöchnerin festgelegt werden, die in der Zeit von 14 bis 18 Uhr jeweils eine Stunde auf der Wöchnerinnenstation zu Besuch kommen darf. Alle Mütter und Kinder werden sicher und umfassend versorgt.

Baby

Auch während Corona ist kein Trend zu Hausgeburten zu verzeichnen.

findefuchs: Beobachten Sie angesichts der Corona-Pandemie an Ihrer Einrichtung einen verstärkten Trend zu ambulanten und/oder Hausgeburten?
PD Dr. Mirjam Kunze: Einen Trend zur Hausgeburt sehen wir nicht, im Gegenteil. Die Schwangeren schätzen unser Angebot aus der Kombination der familiären Geburtshilfe mit der Sicherheit einer Klinikgeburt im Perinatalzentrum sehr. Die Geburtenzahl bei uns hat im Laufe der letzten Monate sogar zugenommen! Zudem sehen wir, dass die jungen Mütter beziehungsweise Eltern die Ruhe auf der Wöchnerinnenstation sehr schätzen.

findefuchs: Ihre Einrichtung unterhält seit Februar 2017 die erste Frauenmilchbank in Baden-Württemberg. Wie sind Ihre Erfahrungen damit nach drei Jahren? Wie groß sind der Bedarf, die Resonanz, die Rückmeldungen der Nutzer – und wer nutzt das Angebot in welchem räumlichen Umfeld (Klinik-intern oder für ganz Baden-Württemberg)?
PD Dr. Mirjam Kunze: Seit wir die Frauenmilchbank betreiben, konnten wir fast alle Frühgeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1500 Gramm mit Muttermilch versorgen. Das ist ein großer Erfolg. Gleichzeitig ist die Milchbank nur ein Baustein bei der Ernährung Frühgeborener. Es gelingt uns damit die Zeit zu überbrücken, bis die Kinder von ihren eigenen Müttern gestillt werden können. Das ist das Ziel, das wir zusammen mit unseren Stillberaterinnen verfolgen. Aufgrund des großen logistischen Aufwands und der begrenzten Menge an gespendeter Muttermilch können (bislang) nur Frühgeborene im Universitätsklinikum Freiburg versorgt werden.

Uniklinik Freiburg PD Dr.Kunze

PD Dr. Mirjam Kunze

Kontakt
Hugstetter Straße 55, 79106 Freiburg
Tel.: 0761/270-30020
Kreißsaal: Tel.: -30560
www.uniklinik-freiburg.de/frauenheilkunde

 

 

 

Evangelisches Diakoniekrankenhaus Freiburg

Zur Klinik: Das Evangelische Diakoniekrankenhaus ist WHO-zertifiziert als „Babyfreundliches Krankenhaus“. Chefarzt der Frauenklinik ist Prof. Dr. Dirk Watermann.

findefuchs: Bestehen derzeit noch Corona-bedingte Einschränkungen in Bezug auf das Besuchsrecht sowie die Anwesenheit und Begleitung der Geburt durch Familienangehörige (Vater, Geschwisterkinder)?
Prof. Dr. Dirk Watermann: Diesbezüglich bestehen fast keine Einschränkungen mehr. Väter können ganz normal mit zur Geburt kommen. Lediglich die Besuche auf der Wochenstation sind noch eingeschränkt, derzeit darf nur ein Besucher pro Tag kommen.

findefuchs: Beob­achten Sie angesichts der Corona-Pandemie an Ihrer Einrichtung einen verstärkten Trend zu ambulanten und/oder Hausgeburten?
Prof. Dr. Dirk Watermann: Zwischenzeitlich hatten wir schon den Eindruck, dass es mehr Hausgeburten geben könnte, das hat sich mittlerweile aber wieder völlig normalisiert.

findefuchs: Was macht Ihre Geburtshilfe Außergewöhnliches, um von der WHO regelmäßig als „Babyfreundliches Krankenhaus“ zertifiziert zu werden?
Prof. Dr. Dirk Watermann: Für die regelmäßige Zertifizierung als Babyfreundliches Krankenhaus ist vor allem die kontinuierliche Schulung und Motivation der Mitarbeiter sehr wichtig. Ein gut ausgebildetes, motiviertes und von den Vorteilen des Stillens und der familienorientierten, interventionsarmen Geburtshilfe überzeugtes Team schafft es immer wieder, die Entbundenen zum Stillen anzuleiten und von den Vorteilen des Stillens zu überzeugen. So werden die anfangs oft bestehenden Schwierigkeiten beim Stillen überwunden, bis sich alles eingespielt hat. Auf diese Weise erreichen wir die für das Zertifikat notwendigen Stillquoten. Die positive Haltung der Mitarbeiter ermöglicht es uns auch, die niedrigsten Kaiserschnitt-Quoten in der Region Südbaden zu erzielen.

Diakonie Freiburg Prof. Dr. Watermann

Prof. Dr. Dirk Watermann

Kontakt
Wirthstraße 11, 79110 Freiburg Frauenklinik
Tel.: 0761/1301-244
www.diakoniekrankenhaus.de

 

 

 

Kreiskrankenhaus Emmendingen

Zur Klinik: Das Kreiskrankenhaus Emmendingen ist das Gesundheitszentrum für die Region. Mit neuester Technik und Know-how bieten die spezialisierten Abteilungen interdisziplinär ein umfassendes Spektrum medizinischer Dienstleistungen. Das Kreiskrankenhaus verfügt über die einzige Geburtenabteilung im Landkreis, jährlich kommen dort rund 750 Kinder auf die Welt. Chefarzt der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe ist Dr. Roland Rein.

findefuchs: Bestehen derzeit noch Corona-bedingte Einschränkungen?
Dr. Roland Rein: Aktuell gibt es in der Emmendinger Geburtshilfe für den Vater oder eine andere gewählte Vertrauensperson keine Corona-bedingten Einschränkungen mehr – bis auf das Gebot, eine Schutzmaske zu tragen. Der Vater darf bei der Geburt dabei sein, auch im Falle eines Kaiserschnittes. Er darf – im Unterschied zu allen anderen Krankenhausbesuchern – auch unbegrenzt zu Besuchen kommen. Geschwisterkinder und andere Besucher können den neuen Erdenbürger leider erst nach dem Krankenhausaufenthalt begrüßen. Diese Maßnahme dient dem Schutz der Patienten. Um aber dennoch einen ersten Blick auf das Neugeborene werfen zu können, steht das WLAN des Kreiskrankenhauses allen Patienten kostenfrei zur Verfügung – so sind Videoanrufe zumindest ein kleiner Trost für das erste Zuwinken.

Schwangere mit einer Geburtshilfe

Vorsorgeuntersuchungen werden ausführlich erklärt und sorgfältig durchgeführt.

findefuchs: Beobachten Sie angesichts der Corona-Pandemie an Ihrer Einrichtung einen verstärkten Trend zu ambulanten und/oder Hausgeburten?
Dr. Roland Rein: In den Monaten März und April gab es einen vorübergehenden Trend zu ambulanten Geburten. Ob Hausgeburten insgesamt häufiger waren, ist aus Krankenhaussicht schwer zu beurteilen, da die Gesamtstatistik zu den Geburten bei den Gemeinden geführt wird.

findefuchs:Welche Unterstützung bieten Sie in der Wochenbettpflege und beim Bonding?
Dr. Roland Rein: Es ist ein wichtiges Anliegen unserer Hebammen, Kinderkrankenschwestern und in der Geburtshilfe tätigen Ärzte, das frühe Bonding und das Bonding in den ersten Lebenstagen zu fördern und zu unterstützen. Eine weitere wichtige Leistung der Wochenbettpflege ist die Anleitung und Hilfe beim Stillen und bei der Pflege des Babys. Das Glück des Familienzuwachses bedeutet für die jungen Eltern in den ersten gemeinsamen Tagen und Nächten auch neue, erhebliche Aufgaben und Herausforderungen und eine ziemliche Änderung des bisherigen Lebensrhythmus. Das Team im Kreiskrankenhaus bietet gezielte Beratung an und steht für ausführliche Gespräche zur Verfügung. Zu den Tätigkeiten der Wochenbettpflege und -visiten gehört auch die Beantwortung vieler Fragen. Vorsorgeuntersuchungen werden ausführlich erklärt und sorgfältig durchgeführt.

Info-Veranstaltungen
Seit der Corona-Pandemie bietet das Kreiskrankenhaus Web-Seminare an. Hier können werdende Eltern im direkten Gespräch mit Chefarzt Dr. Roland Rein die Geburtsstation kennenlernen. In den eineinhalbstündigen Online-Meetings können Fragen rund um Schwangerschaft und Geburt gestellt werden. Nach der Anmeldung erhalten die Teilnehmer per Mail einen Zugangscode, mit dem sie sich zum jeweiligen Termin online anmelden können.

Kreiskrankenhaus Dr. Rein

Dr. Roland Rein

Kontakt
Gartenstraße 44
79312 Emmendingen
Gynäkologie und Geburtshilfe
Tel.: 07641/454-2271
www.krankenhaus-emmendingen.de

 

 

 

Universitätsspital Basel

Zur Klinik: Die Frauenklinik des Universitätsspitals Basel ist die ältes­te und größte Frauenklinik der Nordwestschweiz. Die Geburtshilfe ist ein Perinatalzentrum der Schweiz, somit ist auch die intensivmedizinische Versorgung Frühgeborener gewährleistet. „Oberstes Ziel aber ist es, Frauen ein optimales Geburtserleben mit größtmöglicher Sicherheit für Mutter und Kind zu ermöglichen, sei dies durch eine natürliche Geburt oder auch durch einen geplanten Kaiserschnitt“, so die leitende Chefärztin Prof. Dr. Irene Hösli.

findefuchs: Bestehen derzeit noch Corona-bedingte Einschränkungen an der Frauenklinik?
Prof. Dr. Irene Hösli: Es bestehen noch Corona-bedingte Einschränkungen, die in letzter Zeit jedoch deutlich gelockert wurden. Der Partner oder die Begleitperson kann während der Geburt im Gebärsaal dabei sein. Im anschließenden Wochenbett sind aktuell zwei Besucher, allerdings mit beschränkter Aufenthaltsdauer, erlaubt. Im ambulanten Sektor darf auch eine Begleitperson mit in die Sprechstunde kommen. Es gilt überall Maskenpflicht im Spital. Wir möchten natürlich den Schwangeren so viel persönliche Freiheit wie möglich geben, gleichzeitig haben wir den Wunsch und die Verpflichtung, die Sicherheit vor einer Ansteckung zu gewährleisten. Diesen Spagat bekommen wir aber dank großer Expertise im Umgang mit korrekten Hygienemaßnahmen, aber auch durch die Mithilfe der Schwangeren, sehr gut hin.

findefuchs: Sie haben einmal in einem Rundfunkbeitrag zum Thema „Musiktherapie für Früh- und Neugeborene“ gesagt, Musiktherapie sei bei der Behandlung von Schwangeren mit Problemen, zum Beispiel vorzeitigen Wehen, ein wichtiges Element. Welche musiktherapeutische Unterstützung bieten Sie an Ihrer Geburtshilfe an – und mit welchen Erfolgen für Mutter und Kind?
Prof. Dr. Irene Hösli: Unsere Musiktherapeutin kommt einmal pro Woche zu den Frauen und kann individuell auf deren Bedürfnisse und Wünsche eingehen. Es wird musikalische Unterstützung in Form von Singen mit der Patientin, instrumentelle Begleitung oder Hören von Musik angeboten. Im Feedback, was die Patientinnen danach geben können, sind die meisten Frauen sehr angetan von diesem Angebot. Die Patientinnen fühlen sich hinterher viel ruhiger und relaxter, die Spannung und die Sorgen wegen des Spitalaufenthalts lassen meist etwas nach, und auch die Kinder erscheinen ruhiger im Bauch. Und es ist eine willkommene Abwechslung gerade für Frauen, die einen längeren Aufenthalt im Spital haben.

Info-Veranstaltungen
An jedem 1. Dienstag im Monat findet um 19 Uhr eine Info-Veranstaltung
für werdende Eltern statt.

Universitätsspital Basel Prof Dr Irene Hösli

Prof. Dr. Irene Hösli

Kontakt
Spitalstr. 21, 4031 Basel
Geburtshilfe und Schwangerschaftsmedizin
Tel.: 0041/61/265-9191
www.unispital-basel.ch

 

 

Fotos: © iStock.com/mdphoto16, iStock.com/tatyana tomsickova, Universitäts-Frauenklinik Freiburg, Evangelisches Diakoniekrankenhaus Freiburg, Kreiskrankenhaus Emmendingen, Unispital Basel