„Man ist Seelsorger“: Schulleiter sucht die Balance Schule & Studium | 11.09.2020 | Julian Meinke

Seelsorger; Schulleiter

Für Frank Kühn war das Zwischenmenschliche in Pandemie-Zeiten das Schwierigste: „Die Nachrichten zu bündeln, das rauszufiltern, was für die Schule und den Betrieb wichtig war, und das in geeigneter Art und Weise an meine Lehrer*innen weiterzugeben“, sagt der Schulleiter des Max-Weber-Gymnasiums in Freiburg. Ein Gleichgewicht habe er finden müssen, um die anderen weder in Panik zu versetzen, noch in Sorglosigkeit verfallen zu lassen. „Man ist Seelsorger, die Eltern, die Schüler und das Regierungspräsidium haben Sorgen. Man selbst steht da mittendrin und muss das irgendwie ausbalancieren.“

Optimal sei es, nächstes Schuljahr wieder alle Schüler an der Schule zu haben. „Die Interaktion im Präsenzunterricht ist schnell und unproblematisch. Im Online-Unterricht ist das ungleich komplizierter.“ Außerdem treibe der Fernunterricht Verhaltensweisen ins Extrem: „Die Einen machen nichts, weil sie zu Hause sind. Die anderen haben den Drang, alles zu perfektionieren.“ Eine Mitte zu finden, sei gut. So lautet Kühns Rat fürs digitale Lernen: „Wichtig ist, sich eine Struktur zu schaffen. Die Zeit, die man im Regelfall für die Schule aufwenden würde, sollte man sich auch zu Hause nehmen. Die restliche Zeit kann man nutzen, um sich zu erholen.“

Damit der Online-Unterricht nicht zum Regelfall wird, seien die Vorgaben des Kultusministeriums angemessen. Das sei der Preis für Präsenzunterricht. „Ein Risiko gibt es natürlich immer“, sagt der Schulleiter. Es sei durch vernünftiges und solidarisches Verhalten der Schüler/innen aber minimierbar.

Der Online-Unterricht ist für ihn nicht nur ein Nachteil. Auch wenn er viel Potenzial für Chancenungleichheit berge: „Vollkommene Chancengleichheit gibt es nie – auch innerhalb der Schulen nicht.“ Eine Kluft zwischen guten und schlechten Schülern sei nichts Neues. „Meinem Gefühl zufolge haben sich die Ränder seit einiger Zeit stärker ausgeprägt“, sagt Kühn. Es gebe mehr schlechte und mehr hervorragende Schüler. Diejenigen, die mit Sozialarbeitern oder Vertrauenslehrern in die Schule integriert wurden, seien in der Krise erneut verloren gegangen.

Ob die Schule jemals wieder wird wie vor der Krise? „Ich würde mir wünschen, dass sie anders wird“, betont Kühn. „Wir ergänzen hoffentlich die Dinge, die wir gelernt haben, zum traditionellen Unterricht.“ Er geht davon aus, dass die Schule zurückkommt, so wie wir sie gekannt haben. Positives aus der Digitalisierung wolle er mitnehmen. Um die Schule sorgt er sich nicht. Sie habe sich als solches seit 500 Jahren bewiesen.

 

Foto: © Julian Meinke