»Stationsdichte in Deutschland einzigartig« – Freiburger Forscher machen Unterschiede beim Stadtklima sichtbar Natur & Umwelt | 21.03.2024 | Philip Thomas

Das Klima in Freiburg steht unter besonderer Beobachtung: 42 Messstationen haben Forscher im Stadtgebiet aufgehängt. Das Team kann dadurch nicht nur lokale Unterschiede beim Wetter nachweisen, sondern auch neuartige Modelle testen – auf Knopfdruck fällen die Wissenschaftler beispielsweise Bäume in der Wiehre und simulieren, wie sich dadurch Temperaturen ändern.

In Zähringen werden die Sonnenbrillen rausgeholt, in der Wiehre sind es die Regenschirme. „Innerhalb einer Stadt wie Freiburg gibt es große Unterschiede bei Wetter und Klima“, sagt Andreas Christen, Professor für Umweltmeteorologie an der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg. 

Zahlreiche Messungen und Apps berücksichtigen das jedoch nicht. Auch, weil Wetterdaten in der Regel außerhalb von Ballungszentren gemessen werden. „Dabei sind Städte im Schnitt mehrere Grad wärmer als ihr Umland“, sagt der Forscher. In Freiburg leistet sich der Deutsche Wetterdienst immerhin zwei Stationen, eine am Flugplatz und eine an der Stefan-Meier-Straße.

In Zusammenarbeit mit Freiburgs Verwaltung ließ Christen vor zwei Jahren 42 Wetter-Messstationen an Straßenlaternen im Stadtgebiet aufhängen. Erfasst werden seitdem Lufttemperatur und -druck, Feuchtigkeit, Niederschlag, Wind und Sonnenstrahlung sowie Strahlungstemperatur. „Diese Stationsdichte ist in Deutschland einzigartig“, so der 48-Jährige.

Die Messgrößen ermöglichen, Hitze- und Kältestress punktuell zu berechnen und Unterschiede im Stadtklima aufzuzeigen. Sichtbar gemacht werden kann so eine städtische Wärmeinsel: Im Mittel ist das Freiburger Stadtzentrum knapp zwei Grad wärmer als sein Umland. In Sommernächten kann der Lufttemperatur-­Unterschied bis zu acht Grad betragen.

Christens Daten legen nahe, dass das Freiburger Umland im Sommer besser schlafen kann als das Stadtzentrum: In der Altstadt fiel das Thermometer im vergangenen Jahr während 29 Nächten nicht unter 20 Grad. Sogenannte Tropennächte zählten Randgebiete wie Hochdorf hingegen nur vier, Günterstal nur zwei, Merzhausen kein einziges Mal. Das fragmentierte Klima sei vor allem abhängig von der Häuserdichte im jeweiligen Stadtteil, aber auch von kühlenden Winden an Hängen und in Tallagen. „Eine dichtere Bebauung in der Ebene beschert mehr Tropennächte“, erklärt der Umweltmeteorologe.

Uni-Freiburg Stadtklima-Tropennächte

Uni-Freiburg Stadtklima-Temperatur

Datenmeer: 42 Stationen in Freiburg liefern Forschern wertvolle Messgrößen.

Im Modell kann Christen nicht nur diese simulieren: „In der Wiehre haben wir alle Bäume gefällt. Die mittlere Lufttemperatur in Jahr erhöhte sich dadurch um ein Grad Celsius.“ Gleichzeitig stieg die Hitzebelastung. Die Zeit, in der Menschen starkem Hitzestress ausgeliefert sind, verdoppelte sich im Rechenspiel ohne Bäume. Große Bäume bringen daher laut Christen die stärkste Kühlung und sollten erhalten bleiben. Eine simulierte Entsiegelung aller Innenhöfe in der Wiehre hätte ebenfalls kühlende Auswirkungen auf das Ortsklima.

Auch beim Niederschlag herrschen in Freiburg starke Unterschiede. Gewitterzellen können in einem Radius von wenigen Kilometern ausregnen. Den regnerischsten Stadtteil kann Christen aber noch nicht krönen – nach einem Jahr liegen noch nicht genug Daten vor. Grundsätzlich nehmen Niederschläge in Freiburg gen Osten jedoch zu, weil Wolken an Hängen wie dem Schauinsland oder Rosskopf abregnen.

Um neue Modelle erstellen zu können, interessieren sich Christen und sein Team vor allem für Extremwetterereignisse.  „Wir wollen abbilden, ob sich etwa Hitzewellen häufen und wie Wärmeinseln die Bevölkerung betreffen“, erklärt der Forscher. Verknüpft werden sollen die Ergebnisse mit hunderten Sensoren, die Temperaturen bereits heute in Innenräumen im Freiburger Stadtgebiet messen. „Damit finden wir Hitzehotspots und können berechnen, wer in Zukunft am stärksten von der Hitze betroffen ist und was wir dagegen unternehmen können.“

Trotz all der Klimadaten: Ein Wetterdienst will die Fakultät nicht werden. Damit die öffentlich zugänglichen und bereits von Freiburgs Verwaltung genutzten Daten trotzdem ein breites Publikum finden, hat der Freiburger Informatikstudent Gregor Feigel eine App programmiert, die Daten in Echtzeit aufbereitet. Rund 1600 Downloads zählt sie zum Redaktionsschluss. „Wir bleiben nah an der Wissenschaft und bereiten das Wetter vor der Haustür intuitiv und verständlich auf. Dadurch unterscheiden wir uns von Wetter-Apps“, sagt Feigel.

Im Rahmen des im Jahr 2020 gestarteten und mit insgesamt zwölf Millionen Euro geförderten EU-Projekts „urbisphere“ wird in diesem Sommer ein vergleichbares Netz im englischen Bristol angeschlossen. Bis 2027 soll Freiburgs Klima mit anderen Modellstädten wie Berlin, London oder Paris verglichen werden.

Die App ist kostenlos verfügbar unter:  www.uniweather.io

Datenquelle:  Universität Freiburg (gefördert durch den Europäischen Forschungsrat, ERC); Karte: M. Plein, Professur für Umweltmeteorologie, Universität Freiburg

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