Lebensadern: die Wuhre – Wasserläufe im Hotzenwald Natur & Umwelt | 01.07.2023 | Heidi Knoblich

Die Heidenwuhr im Hotzenwald

Einst lieferten sie Wasserkraft und dienten der Bewässerung: Vor Jahrhunderten angelegte Wasserwege schlängeln sich über 50 Kilometer lang durch den Hotzenwald. Heute bieten sie Gelegenheit für eine erfrischend kühle Sommerwanderung.

Klares Bergwasser glitzert in der Sonne, fließt munter durch stille Wälder und saftige Wiesen und bietet Fischen, Krebsen und anderen Lebewesen Unterschlupf. Die faszinierende Wasserwelt der Hotzenwälder Wuhre ist kunstvoll dem bergigen Gelände angepasst und kann fast überall auf schmalen Pfaden begangen werden.

Die Bezeichnung „Wuhr“ ist aus dem Mittelhochdeutschen abgeleitet. „Wuor“ oder „wuore“ bedeutet „Damm zum Ableiten von Wasser“. Im alemannischen Sprachgebrauch ist dies die Bezeichnung für einen Kanal. Drei große und einige kleinere Wuhre prägen das Bild des Hotzenwalds und erreichen eine beträchtliche Länge: das Heidenwuhr (14 Kilometer), das Hänner Wuhr (11,5 Kilometer) und das Hochsaler Wuhr (19, mit seinen Nebenkanälen 27 Kilometer). Aus natürlichen Bächen abgeleitet, werden sie kunstvoll die Hänge entlanggeführt und münden schließlich alle in den Hochrhein.

Dieses uralte ausgeklügelte Wassersystem ist auch nach jahrhundertelanger Nutzung noch vollständig intakt. An seine Erbauer stellte es einst hohe Ansprüche: Um die Befestigungen vor Zerstörung zu schützen, durfte die Strömung nicht zu hoch sein, und um Ablagerungen zu verhindern, durfte das Gefälle nicht zu gering sein. Mit einer Breite von 30 bis 140 und einer Tiefe von 20 bis 50 Zentimetern verlaufen sie so fast überall mit einem Gefälle von einem Zentimeter auf einen Meter.

Heidenwuhr im Hotzenwald mit Wuhrenaufseher

Heidenwuhr mit Wuhrenaufseher und Hintere Wuhr am Vogellehrpfad in Görwihl (u.).

Die Namen der Erbauer sind ebenso unbekannt wie das genaue Entstehungsdatum des Kanalsystems. Die Bezeichnung „Heiden“-Wuhr verlockt zur Annahme, dieser künstliche Wasserlauf könnte aus vorchristlicher Zeit stammen. Doch ganz so alt sind die Hotzenwälder Wuhre nicht. Historiker gehen heute davon aus, dass sie im 11. oder 12. Jahrhundert entstanden sind, als Eisenhütten im Rheintal, in Laufenburg und Säckingen erstmals Wasserkraft zum Antrieb von Mühlen, Blasebalgen und Schmiedehammern brauchten.

Streit ums kostbare Nass

Das Wassernetz galt seit jeher als Lebensader des Hotzenwalds. Es war nicht nur wichtig für den Betrieb der Eisenhütten, sondern hielt darüber hinaus viele Getreide- und Sägemühlen in Gang und versorgte Bleichereien, Färbereien und Gerbereien mit Wasser.

Neben der gewerblichen Nutzung profitierte auch die Landwirtschaft vom Kanalsystem: An Sonn- und Feiertagen, wenn Mühlen und Werke stillstanden, durften die Bauern die Wuhre zum Wässern und Düngen der Wiesen benutzen. Das Wässern im Frühjahr regte die Moosbildung an. Bei Sonneneinstrahlung zerfiel das Moos und blieb als Dünger zurück. Gleichzeitig erwärmte das Wasser den noch winterlich kalten Boden und regte damit das Wachstum der Wiesen an. Ein „Geschworener Wuhrknecht“, dessen wichtigste Aufgabe es war, „das Wasser im Wuhr zu halten“, musste die Einhaltung der Wässerzeiten überwachen – eine schwierige Aufgabe wegen immerwährender Streitigkeiten zwischen Säckinger Gewerbetreibenden, die ihre Anlagen am Wuhr hatten, und den Wiesenbesitzern „auf dem Wald“. Aus diesen Streitereien gingen die ersten Urkunden hervor, die sich ausdrücklich auf die Wuhre beziehen, sogenannte Wuhrbriefe aus dem 15. Jahrhundert.

Heute sind die Wuhre wirtschaftlich bedeutungslos, doch ihre wassertechnisch ausgeklügelte Anlage mit wenig Gefälle macht sie touristisch interessant für naturliebende Genusswanderer. Und noch immer wird ein Wuhrenaufseher beschäftigt, der „das Wasser in der Wuhr hält“ und dafür sorgt, dass dieses Hotzenwälder „Kulturdenkmal“ nicht überschwemmt wird und nicht versandet.

Hintere Wuhr am Vogellehrpfad in Görwihl

Wandertipp

Rundwanderung Heidenwuhr

Start & Ziel: Rickenbach (Parkplatz unterhalb der Kirche)
Länge: 12,5 Kilometer
Dauer: circa 3 Stunden

Wegverlauf: Der gelben Raute folgend Richtung Willaringen und weiter Richtung Jungholz.Vor Jungholz an der Brücke über das Heidenwuhr nach rechts, dann immer am Wuhr entlang. Der Weg am Heidenwuhr ist nicht ausgeschildert; dem Wasserlauf gegen die Fließrichtung bis zum Ursprung folgen. Gutes Schuhwerk und eine gewisse Trittsicherheit sind erforderlich, bei feuchter Witterung kann der Pfad rutschig sein. Die Wanderung am Wuhr entlang erfolgt auf eigene Gefahr. Am Ursprung des Heidenwuhrs angekommen, über Glashütten und die Höhne zurück nach Rickenbach.

Info
Tourist-Info
Rathaus Rickenbach
Hauptstraße 7
79736 Rickenbach
Tel.: 07765/920017

Fotos: © Hotzenwald Tourismus GmbH; Dirk Döbele