In 45 Arten um die Welt – Besuch auf dem Weltacker im Mundenhof Natur & Umwelt | 16.10.2024 | Anna Pes

Weltacker

Ein verrostetes, offenes Tor markiert den Eingang zu der 2000 Quadratmeter großen Fläche, die Weltacker heißt. Am Mundenhof, versteckt hinter den Alpakas, beginnt das Reich von Jonathan Kuhlberger. Er ist der Gärtner des Weltackers. Der 37-jährige Elsässer jätet, gießt und pflanzt sich dort, mit Unterstützung einer Kollegin, um die Welt. Das Ganze soll sensibilisieren für eine globale Frage.

Hübsch ist der Schaugarten. Aber er soll vor allem eins zeigen: Wie viel Platz hat jeder Mensch dieser Erde, um sich mit Essen zu versorgen? Teilt man die gesamte landwirtschaftliche Fläche der Erde durch acht Milliarden Menschen, so stehen jedem 2000 Quadratmeter zur Verfügung. „Eigentlich ist das nicht wenig für eine Person, aber wir in Europa verbrauchen trotzdem deutlich mehr als das, was uns zusteht“, erklärt Kuhlberger. Genau genommen verbrauchen wir doppelt so viel: 4000 Quadratmeter. Im Vergleich dazu leben Menschen in Indien durchschnittlich von 600 Quadratmeter.

Die Idee für den Weltacker kommt aus Berlin. Dort gibt es das Projekt seit 2013. Inzwischen haben sich an vielen Orten auf der Welt Nachahmer*innen zusammengefunden. In Freiburg hat sich der Weltacker e.V. 2022 gegründet. Jonathan Kuhlberger hat selbst eine Zeit lang in Berlin gelebt und kannte die Idee schon: „Ich habe damals in einem Gemeinschaftsgarten gearbeitet und dachte mir immer: Was die vom Weltacker schaffen, das ist richtig cool, das will ich auch mal machen.“ Er selbst hat Politikwissenschaften studiert. Deshalb sei gerade die Kombination aus Gärtnern und politischer Bildung besonders interessant für ihn.

 Globus-Gärtner: Jonathan Kuhlberger

Globus-Gärtner: Jonathan Kuhlberger

Der Verein veranstaltet immer wieder Führungen und Workshops für Klassen aber auch für Privatpersonen. Jeden Freitag bietet der Gärtner ein offenes Mitackern an. Es wird zusammen gesät, gegraben, geerntet. Wenn genug Ertrag zusammenkommt, wird sogar gemeinsam gekocht: ein kleines Erntedankfest. Heute bin ich wetterbedingt die Einzige, die Jonathan unter die Arme greift. Sonst gibt es einen festen Kern an Freiwilligen und immer wieder neue Gesichter, berichtet Kuhlberger.

Eine von ihnen ist Rosa Bumm. Die 32-Jährige sieht in dem Projekt eine Möglichkeit, mit der Natur in Verbindung zu treten: „Es tut einfach gut, mal wieder Erde in der Hand zu haben.“ Bisher habe sie vor allem auf dem Feld geholfen, aber auch spontan Führungen übernommen. Im Moment plant Bumm einen Workshop im Oktober. Für den Weltacker soll ein sogenannter Geodome aus alten Bettlatten entstehen. Ein Gewächshaus mit Kuppel.

Nur sechs Gurken

Dafür wurden Interessierte des Vereins von einem Weltacker-Team in der Schweiz geschult. Ein Highlight für Bumm: „Weil man sehen konnte, wie begeistert diese Menschen von ihrem Projekt erzählt haben.“

Die Fläche auf dem Weltacker ist genau so aufgeteilt, wie die Flächen der Welt auch genutzt werden. 48 Prozent des Ackers sind bedeckt von Getreide. Es wird vor allem für die Tierfutterproduktion verwendet. Kuhlberger hat dieses Jahr 800 Maispflanzen gesät, im Vergleich dazu stehen nur sechs kleine Gurken in der Gemüsevielfalt-Abteilung.

Andere Pflanzen gedeihen im kälteren Klima Europas schlechter und müssen ersetzt werden. „Palmen würden hier nicht so gut wachsen, deswegen habe ich Palmkohl angesetzt. Der wird in zwei Jahren mehrere Meter groß und sieht ein bisschen aus wie eine Palme“, so Kuhlberger. „Nur Palmöl lässt sich aus dem Kohl nicht herstellen.“

An diesem Freitag Ende Mai pflanzen wir vor allem Setzlinge ein. Die allermeisten hat Jonathan selber aus den Samen gezogen. Als Erstes sind die Kürbisse an der Reihe. Sie sind nicht nur Teil des Schaugartens: Als Pacht für die Fläche bittet der Mundenhof, anstelle einer Bezahlung, um 300 Kilo Kürbisse für das Herbstfest. Für diese Mengen sind weltweit aber keine Flächen vorgesehen. Deswegen wachsen die Kürbisse neben dem eigentlichen Weltacker auf ihrer eigenen Parzelle.

Ausgelegte Wege aus Stroh zeigen den Weg durch das dichtbepflanzte Feld. Neben dem Acker selbst steht auch ein sogenanntes Flächenbuffet. Es zeigt, wie viel Platz zum Beispiel ein Schnitzel verbraucht, im Vergleich zu einem Salat. Zur Mittagszeit setzen wir uns um einen kleinen runden Tisch in der Sonne. Ein paar Besucher*innen kommen vorbei und lesen sich die bunten Infotafeln durch. Trotzdem ist Kuhlberger nicht 100 Prozent überzeugt von der Lage: „Es gibt zu wenig Schilder meiner Meinung nach – die Leute kommen hier selten zufällig vorbei“. Außerdem sei die Nutzung der Fläche auf drei Jahre begrenzt. Die neue Bahnstrecke von Basel nach Karlsruhe soll genau durch die 2000 Quadratmeter des Weltackers führen. „Ab da ist alles unsicher, da müssen wir gucken, wie es weitergeht“, so Kuhlberger.

Bevor wir Tabak und Baumwolle einpflanzen, müssen wir noch das Feld von Unkraut befreien. In der Parzelle haben sich Disteln breitgemacht. Ein besonders harter Gegner, den man mit der ganzen Wurzel ausreißen muss. Jonathan erklärt: „Die mag ich gar nicht. Ich gärtnere am liebsten barfuß und ohne Handschuhe. Deswegen müssen die Disteln gehen oder ich.“

Am Nachmittag braut sich über uns ein Gewitter zusammen. Kurz bevor es richtig schüttet, verabschiede ich mich von Jonathan und fahre durch den Mundenhof nach Hause, mit Erde unter den Nägeln und ein bisschen mehr Verständnis dafür, wo mein Essen herkommt.

Fotos: © Anna Pes