So Green ist die City: Freiburgs Nachhaltigkeit im Faktencheck Nachhaltigkeit | 12.03.2025 | Lars Bargmann, Phillip Thomas, Till Neumann und David pister

Freiburg ist weitbekannt als Green City. Vielleicht sogar als kleine Ökohauptstadt der Republik. Wird die Stadt dem Ruf gerecht? Sechs Bereiche im chilli-Check.
Foto: © FWTM/Schoenen
Mobilität
Viele Fahrräder, viel zu tun
Freiburg ist Fahrradstadt. Eine Bürgerumfrage aus dem Jahr 2022 ergibt, dass auf eine Person im Stadtgebiet ein Drahtesel kommt (1,03). Obendrauf kommen pro Bewohner noch 0,13 E-Bikes und 0,05 Lastenräder. Rund die Hälfte aller knapp 235.000 Einwohner (46 Prozent) nimmt das Rad zur Arbeit, Schule oder Ausbildung. 37 Prozent setzen sich ins Auto, 18 Prozent wählen den ÖPNV, 14 Prozent laufen zu Fuß.
Inklusive „fahrradfreundlicher“ Straßen wie Tempo-30-Zonen kommt Freiburg laut Rathaussprecherin Linda Widmann auf ein Radverkehrsnetz von knapp 500 Kilometern. Konkret zur Verfügung stehen Bikes in Freiburg knapp 200 Kilometer Radweg, 40 Kilometer Radstreifen und zehn Kilometer Fahrradstraße zur Verfügung: 250 Kilometer.
Zum Vergleich: Münster (320.000 Einwohner) kommt auf ein Radnetz von knapp 475 Kilometern. Heidelberg (160.000) hat ein Netz mit 260 Kilometern Länge. Umgerechnet kommen auf jeden Freiburger Einwohner 1,06 Meter Rad-Strecke, in Münster sind es 1,48 Meter und in Heidelberg stolze 1,63 Meter.
Trotz vieler Fahrräder: Verkehr verhagelt Freiburg die Klimabilanz. Eine Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung aus dem Jahr 2022 attestiert im Untersuchungszeitraum 1992 bis 2020 sinkende Co2-Emissionen in allen Sektoren um 36,3 Prozent, von 2,2 Millionen Tonnen auf 1,4 Millionen Tonnen. Die Verkehrs-Emissionen sanken aber lediglich von 0,46 Mio. Tonnen auf 0,41 Million Tonnen. Das entspricht einer Reduzierung von 11 Prozent.

Fahrradstadt: Knapp 250 Kilometer Rad-Strecke gibt es in Freiburg.
Grünfläche und Versiegelung
Gut bis mittelgut
Wie grün ist Freiburg wirklich? Blickt man auf die Fläche der Grünanlagen – botanische Gärten, Parks, Spielplätze, Kleingartenanlagen und Wochenendhausgebiete – landet Freiburg unter den zehn größten Städten Baden-Württembergs auf Platz sechs – also eher gelb als grün. Das zeigt eine Analyse des Statistischen Landesamts.
Dabei wurde errechnet, wie viel Grünanlagenfläche jeder Person im Jahr 2022 in der jeweiligen Stadt zur Verfügung stand. Im Schnitt der zehn größten Städte gibt es 17,6 Quadratmeter Grünfläche pro Person, Freiburg liegt mit 16,3 Quadratmeter darunter. Spitzenreiter sind Karlsruhe (27,5), Mannheim (23,2) und Pforzheim (22,3). Heilbronn, Stuttgart und Heidelberg schneiden schlechter ab.
Neben grün spielt für die Nachhaltigkeit auch grau eine Rolle. Versiegelte Flächen verstärken Hitze und Hochwasser. Deutschlandweit sind rund 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsflächen versiegelt. Dazu zählen Wohnhäuser, Straßen, Sportanlagen, Industrieflächen oder Friedhöfe. Laut Analyse der Deutschen Umwelthilfe (DUH) von 2024 liegt Freiburg mit 47,7 Prozent in Baden-Württemberg auf Platz sechs und damit im oberen Viertel. Tendenz: ganz klar grün. Spitzenreiter ist Baden-Baden (42,27 Prozent) Schlusslicht Sindelfingen (56,89 Prozent).
Laut einer anderen Studie der VdS Schadenverhütung ist Freiburg unter den zehn größten Städten Baden-Württembergs am wenigsten versiegelt, während Mannheim, Heilbronn und Ludwigsburg die höchsten Werte haben.

Pro Kopf hat Freiburg weniger Grün als Karlsruhe oder Mannheim.
Abfallwirtschaft
Freiburg weit vorne
Nachhaltig sein bedeutet auch: Wenig Müll produzieren und den vorhandenen Müll wiederverwerten oder ordentlich beseitigen. Nicht alle Zahlen lassen sich hier vergleichen. Doch bei Restmüll, Sperrmüll und Biomüll ist das möglich.
Freiburg ragt dabei seit Jahren heraus: 90 Kilo Restmüll sind hier 2023 pro Person angefallen. Keine andere der insgesamt acht kreisfreien Städte in Baden-Württemberg erreicht diesen Wert. Zweiter ist Ulm mit 94 Kilo. Letzter ist Mannheim mit 181 Kilo. Zu viel Jubel ist aber unangebracht: Die beste Kommune insgesamt ist der Landkreis Freudenstadt mit nur 54 Kilo.
Auch beim Sperrmüll ist Freiburg Nummer 1 bei den kreisfreien Großstädten im Land. 17 Kilo waren es 2023 pro Person. Zweiter war Stuttgart mit 24 Kilo. Letzter erneut Mannheim mit 46 Kilo. Spannend: Beim Biomüll ist Freiburg dafür mit Abstand Letzter. 65 Kilo pro Person sind 2023 angefallen. Spitzenreiter Pforzheim kommt auf weniger als die Hälfte: 31 Kilo.
Warum ist Freiburg weit vorne bei Restmüll und Sperrmüll? Die Abfallwirtschaft und Stadtreinigung Freiburg GmbH (ASF) sieht drei Gründe. „Das flexible Gebührensystem, die Vielzahl an Entsorgungsmöglichkeiten und die kontinuierliche Sensibilisierungsmaßnahmen der Bevölkerung“, erklärt Sprecher Orhan Sevinç. Bürger·innen können Volumen der Mülltonnen und den Leerungsrhythmus bestimmen. Oder sich zu einer Entsorgungsgemeinschaft zusammentun. Sevinc: „Das schafft Anreize, Restabfälle zu vermeiden und Wertstoffe besser zu trennen.“

Rekord: 90 Kilo Restmüll pro Person fallen jährlich in Freiburg an.
Dekarbonisierung des Gebäudebestands
Sehr ambitioniert
In der Bundesrepublik gibt es knapp 20 Millionen Wohngebäude mit mehr als 43 Millionen Wohnungen. In Freiburg gibt es rund 28.000 Wohnhäuser mit rund 132.000 Wohneinheiten. Die Dekarbonisierung des Bestandes spielt fürs Erreichen der Klimaziele die zentrale Rolle. Robert Brückmann, Leiter des Kompetenzzentrums Kommunale Wärmewende, sagte der dpa, dass die Wärmewende „das größte Infrastrukturprojekt Deutschlands nach dem Aufbau des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg“ sein wird.
Der Wärmeverbrauch der privaten Haushalte in Freiburg ist von 176 Kilowattstunden (kWh) im Jahr 1992 auf 120 kWh im Jahr 2020 zurückgegangen. Auch der CO2-Ausstoß pro Kopf insgesamt ist nach einer Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) von 11,76 Tonnen (1992) auf 6,39 deutlich gesunken. Um ihre Bestände zu dekarbonisieren, nehmen die großen Bestandshalter wie die Freiburger Stadtbau (knapp 10.000 Wohnungen) und die Baugenossenschaften Bauverein Breisgau (BVB, 5150 Wohnungen), Familienheim Freiburg (2750) und Heimbau Breisgau (1350) mehrere hundert Millionen Euro in die Hand. Die Stadt Freiburg will die Treibhausgasemissionen der Gebäude aller städtischen Gesellschaften bis 2030 um 60 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 senken. Die Badenova hat angekündigt, 1,5 Milliarden Euro in die Wärmwende zu investieren.
Ein Glanzstück in Sachen klimaneutraler Neubau ist das Rathaus im Stühlinger. Es ist, nach Angaben des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme das europaweit größte öffentliche Netto-Nullenergiegebäude, hat sowohl den Deutschen Nachhaltigkeitspreis als auch den Deutschen Solarpreis gewonnen. Freiburg ist bei der Dekarbonisierung des Bestands, aber auch beim Neubau sehr ambitioniert und zählt mit dem Masterplan Wärme zu den aktivsten Kommunen. Ob die Ziele erreicht werden, hängt nicht zuletzt von den dafür zur Verfügung stehenden Mitteln im Haushalt ab. Übrigens: 1992 lag der CO2-Ausstoß der Stadt bei 2,275 Millionen Tonnen, 2020 waren es 1,449 Millionen Tonnen.

Freiburgs technisches Rathaus: Europas größtes begehbares Netto-Nullenergiegebäude
Luft und Wasser
Wenig belastet und guter Durchschnitt
Viele Faktoren beeinflussen die Luftqualität. Stickstoffdioxid (NO₂) ist ein zentraler Indikator. Es entsteht vor allem durch Verkehr und Industrie. In Freiburg misst die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) an der Fehrenbachallee – und an der Schwarzwaldstraße. Die NO₂-Belastung an der Schwarzwaldstraße war 2024 doppelt so hoch wie an der Fehrenbachallee, lag aber unter dem Grenzwert. Auch bei den Schadstoffen Ozon und Kohlenstoffmonoxid habe es keine Überschreitungen gegeben. Seit 2004 hat sich die Luftqualität stetig verbessert, die Feinstaubbelastung an der Schwarzwaldstraße halbierte sich. In Baden-Württemberg zählt Freiburg zu den am wenigsten belasteten Standorten. Den Rückgang von NO₂ und Feinstaub erklärt die LUBW vor allem mit moderneren Autos, Tempolimits und Dieselverboten.
Die Dreisam wird von der LUBW an drei Messstellen auf Arzneimittel, Pflanzenschutzmittel, Schwermetalle und Co untersucht. Für den allergrößten Teil würden alle Anforderungen eingehalten. Überschreitungen seien typisch für größere Städte. Wasserqualität: gut. Mit einer Ausnahme: 2023 überschritt das Insektizid Cypermethrin in Oberau den Grenzwert. Cypermethrin wird in der Landwirtschaft zur Bekämpfung von Insekten eingesetzt.

Unter dem Grenzwert: Die Stickstoff-Belastung an der Schwarzwaldstraße war 2024 doppelt so hoch wie an der Fehrenbachallee.
Energie
Erdgas noch bis 2045
Ohne Verkehr verbrauchten private Haushalte, Industrie sowie Gewerbe, Handel und Dienstleistungen in Freiburg im Jahr 2018 rund vier Terawattstunden Energie, so eine Studie der Energieagentur Regio Freiburg GmbH aus dem Dezember 2023. Die gesamte Region Freiburg inklusive Emmendingen und Hochschwarzwald verbrauchte 15,6 Terawattstunden. Fast die Hälfte davon (45 Prozent, 7 Terawattstunden) lässt sich laut Untersuchung über alle Energieträger hinweg einsparen.
Der größte Faktor (8,1 Terawattstunden) in diesem Mix ist Wärmeenergie. Der größte Versorger der Region, Badenova, hat das Ziel ausgegeben, die Wärmeversorgung bis 2035 klimaneutral zu gestalten. Jährlich soll eine Terawattstunde grüner Energie dafür produziert werden – die Hälfte durch Geothermie.
Ab 2035 will der Versorger Erdgas durch grüne Gase wie Methan, Wasserstoff oder synthetisches Gas substituieren. Auf Erdgas kann der Versorger absehbar aber noch nicht verzichten. „2045 werden wir kein konventionelles Erdgas mehr durch das Badenova-Netz transportieren“, sagt Badenova-Sprecher Daniel Feld. Der Mannheimer Energieversorger MMV kündigte im November an, sein Gasnetz bereits 2035 stilllegen zu wollen.
Um Strom bis 2035 klimaneutral zu kriegen, plant der Versorger erneuerbare Energien mit einer Leistung von einem Gigawatt zu installieren. Knapp ein Drittel, etwa 300 Megawatt, sollen dabei neu gebaute Windkraftanlagen in der Region beisteuern, weitere 200 Megawatt sind durch Beteiligungen an verschiedenen Windprojekten deutschlandweit geplant. Den Rest soll Photovoltaik liefern.

In zehn Jahren klimaneutral? Ein Gigawatt Strom-Leistung will Badenova bis 2035 installieren.
Fotos: © tln