„Die Wohnungsnachfrage könnte zurückgehen“: Edwin Muttach im Interview Bauen & Wohnen | 09.03.2022 | Lars Bargmann

Edwin Muttach Seit 40 Jahren dabei: Edwin Muttach.

Der GFA-Geschäftsführer Edwin Muttach erzählt im Interview mit chilli-Chefredakteur Lars Bargmann über steigende Bauzinsen.

B&W: Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe war Mitte Januar erstmals seit April 2019 wieder positiv, die historisch niedrigen Bauzinsen steigen langsam wieder. Inwiefern gibt es einen Zusammenhang?
Muttach: Die kreditgebenden Banken schauen sich ganz genau die zu erwartende Zinsentwicklung an, um somit eine Kondition für ihre Baufinanzierungen kalkulieren zu können. Die Entwicklung der zehnjährigen Bundesanleihe dient als Orientierungspunkt.

B&W: Was hat die Geldpolitik der EZB damit zu tun?
Muttach: Die EZB steuert in Europa die Geldpolitik und somit auch die Zinsentwicklung. Ein Gegenspieler der Inflation, welche wir momentan nur allzu deutlich spüren, ist die Möglichkeit, den Leitzins anzuheben. Alleine die Erwartungshaltung in Richtung steigender Leitzinsen nimmt die Börse, und damit verbunden auch die Bundesanleihe, vorneweg. Zum Zeitpunkt einer effektiven Leitzinserhöhung sind die Baufinanzierungskonditionen also bereits gestiegen.

B&W: Für den Traum vom Eigenheim bedeutet das: Die Finanzierungskonditionen dürften sich im Laufe des Jahres verschlechtern. Was raten sie Häuslebauern?
Muttach: Aus Angst vor steigenden Zinsen schnell „irgendwelche“ Kreditverträge zu unterschreiben, ist keine gute Idee. Wir bewegen uns immer noch auf einem historisch tiefen Zinsniveau. Und auch bei möglicherweise steigenden Zinsen gibt es große Konditionsunterschiede bei den Banken. Ein Zinsunterschied von nur 0,5 Prozent macht bei 300.000 Euro Kreditvolumen in zehn Jahren 15.000 Euro Zinskosten aus.

B&W: Was bedeuten steigende Bauzinsen für die Bauträger? Werden Wohnungen bald noch teurer?
Muttach: Wohl eher das Gegenteil. Bei steigenden Zinsen könnte die Nachfrage nach Wohnungen eher zurückgehen, weil die monatlichen Belastungen für den Darlehensnehmer zu hoch oder die Laufzeiten für die Rückzahlungen zu lange werden. Was die Preisentwicklung angeht, ist der Nachfrageeffekt aber leider nur ein Faktor von vielen.

B&W: Wo sind die Bauzinsen im Herbst?
Muttach: Auch wenn ich in über 40 Jahren schon viele Facetten der Baufinanzierung erlebt habe, eine Glaskugel habe ich nicht. Ich sehe eine Tendenz in Richtung steigender Zinsen, auch wenn ich nicht von einer Trendwende sprechen möchte.

B&W: Sind steigende Zinsen auf der anderen Seite nicht gut für Otto Normalverbraucher? In den vergangenen Jahren haben sich Staaten entschuldet, auf dem Rücken der Kleinanleger und Sparer …
Muttach: Dem kann ich nur zustimmen. Verschuldete Staaten finanzieren sich, siehe traditionell Japan, auf der einen Seite durch die tiefen bis negativen Zinsen und auf der anderen erledigt die Geldentwertung, die Inflation, ihr Übriges. Da wir aber noch nicht davon sprechen, dass der Inhaber eines Sparbuchs plötzlich anstatt null Prozent wieder zwei erhält, sehe ich den Otto Normalverbraucher noch nicht als Gewinner.

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